Zeitbilder 7/8, Schülerbuch

Hitler dagegen verfügte die „Tausend-Mark-Sperre“: Deutsche, die nach Österreich reisen wollten, mussten für ein Visum 1 000 Mark zahlen (das würde heute mehr als 3 000 Euro entsprechen). Ein katastrophaler Rückgang des Tourismus war die Folge. Gegen diesen Druck der Nationalsozialisten suchte Dollfuß Unterstützung beim faschistischen Italien. Mussolini verlangte als Gegenleistung die rasche Durchsetzung einer faschistischen Ordnung in der österreichischen Innenpolitik: die dauernde Ausschaltung des Parlaments und der Sozialdemokratischen Partei (die Kommunistische Partei war schon verboten) sowie die Förderung der (faschistischen) Heimwehr. Der österreichische Politikwissenschafter Anton Pelinka schrieb 2017 über das Scheitern der Demokratie: L Bei der Zerstörung von Verfassung und Demokratie spielte der (…) Bundespräsident überhaupt keine erkennbare Rolle. Der entscheidende Akteur des autoritären Kurses war der Kanzler (…), der im Zusammenspiel mit den Heimwehren und unter italienischem Druck innerhalb eines Jahres, zwischen März 1933 und Februar 1934, der Republik ein Ende bereiten konnte. (…) Die Kontakte zur italienischen Regierung, die den Weg Österreichs in Richtung Diktatur förderte, ja geradezu forderte, liefen direkt über den Kanzler. Der persönliche Kontakt zwischen Dollfuß und Mussolini bestärkte die österreichische Regierung, nicht den Kompromiss mit der Sozialdemokratie zu suchen, sondern diese „auszuschalten“ – sie so lange zurückzudrängen, bis sie kapitulieren würde oder aber in einer für sie aussichtslosen Situation militärisch besiegt werden könnte. (Pelinka, Die gescheiterte Republik, 2017, S. 129) Erläutere, welche Rolle Bundeskanzler Dollfuß bei der Beendigung der Demokratie nach Meinung von Pelinka spielte. Bundeskanzler Engelbert Dollfuß (links) auf einer Kundgebung der „Vaterländischen Front“ in Tulln. Rechts neben Dollfuß der Justizminister und spätere Bundeskanzler Kurt Schuschnigg. Foto, 1934. Die letzten freien Wahlen Die Folgen der Weltwirtschaftskrise in den Jahren nach 1929 trafen auch Österreich mit voller Wucht. Große österreichische Bankinstitute brachen zusammen. Die Arbeitslosenrate stieg kontinuierlich an. Während der großen Krise fanden 1930 die letzten freien Nationalratswahlen bis 1945 statt. Dabei mischte sich auch die katholische Kirche in den Wahlkampf ein: In einem Hirtenbrief riefen sie die Gläubigen zur Stimmabgabe für die Christlichsozialen auf. Die Sozialdemokraten wurden zwar stärkste Partei, blieben aber in Opposition, da neuerlich eine „Bürgerblockregierung“ (Christlichsoziale, Großdeutsche, Landbund) gebildet wurde. Die Nationalsozialisten erhielten bei dieser Wahl 111 000 Wählerstimmen. Auch diese Regierung scheiterte bald an den wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Dollfuß und die Ausschaltung des Nationalrats 1932 wurde der Christlichsoziale Engelbert Dollfuß Bundeskanzler. Seine Regierung hatte sich mittlerweile eng an das faschistische Italien angelehnt. Im Nationalrat besaß sie nur eine hauchdünne Mehrheit von einer Stimme. Bei einer Abstimmung am 4. März 1933 unterlag die Regierungskoalition mit 80 zu 81 Stimmen. Als die Abstimmung wegen eines Fehlers wiederholt werden musste, legte der sozialdemokratische Erste Nationalratspräsident Karl Renner sein Amt nieder. Dies ermöglichte ihm nämlich, seine Stimme für seine Partei abzugeben. Aber sowohl der Christlichsoziale Zweite als auch der Großdeutsche Dritte Präsident des Nationalrats legten daraufhin ihre Funktion zurück. Die Abgeordneten gingen auseinander, ohne dass die Sitzung formell geschlossen wurde. Dollfuß verhinderte eine neuerliche Zusammenkunft der Abgeordneten, indem ein Aufgebot der Polizei das Parlament umstellte. In einem Aufruf „An Österreichs Volk“ erklärte er das Parlament für gelähmt und ausgeschaltet. Dollfuß und seine Regierung stützten sich dabei auf eine Notverordnung aus dem Ersten Weltkrieg (1917). Sie war nie aufgehoben worden und erlaubte einer Regierung in Notzeiten an Stelle des Parlaments Verordnungen zu erlassen. Dazu gab es eine Pressezensur und ein Versammlungsverbot. Auch Bundespräsident Wilhelm Miklas griff nicht ein. Trotz heftiger Proteste, vor allem seitens der Sozialdemokraten, errichtete Dollfuß nun den autoritären Ständestaat. Das bedeutete das Ende der demokratischen Republik Österreich. Zunehmender Einfluss des Auslandes Die Nationalsozialisten überzogen nach der „Machtergreifung“ Hitlers im Deutschen Reich (1933) das Land mit einer Welle von Terrorakten gegen Personen, Verkehrseinrichtungen und Gebäude. Die Regierung reagierte mit dem Verbot der NSDAP (Juni 1933). 5. Das Ende der Demokratie 46 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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