Zeitbilder 7/8, Schülerbuch

Plakat (Ausschnitt) zur Kärntner Volksabstimmung am 10. Oktober 1920. Lithografie, 1920. Beschreibe und untersuche das Plakat. Skizziere die mögliche beabsichtigte Wirkung. Heute werden die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Ersten Republik günstiger beurteilt. Es gab nämlich Rohstoffe, Wasserkraft und eine hohe industrielle Kapazität. Die Legende von der „Lebensunfähigkeit“ der Republik hielt sich dennoch. Sie verhinderte bei vielen Menschen eine Identifikation mit dem neu entstandenen Staat. Festigung der Republik Bereits am Tag der Ausrufung der Republik kam es in Wien zu einem kommunistischen Putschversuch. Er scheiterte jedoch schon nach wenigen Stunden: Die Volkswehr unter der Führung des Sozialdemokraten Julius Deutsch leistete entschlossenen Widerstand. Nach den Wahlen vom Februar 1919, bei denen zum ersten Mal auch Frauen wahlberechtigt waren, bildeten die Sozialdemokraten und die Christlichsozialen eine Koalition. Staatskanzler wurde der Sozialdemokrat Karl Renner, Vizekanzler der Christlichsoziale Jodok Fink. Im September 1919 wurde der Friedensvertrag von Saint-Germain von der österreichischen Delegation unter Protest unterzeichnet. Damit verbunden war auch die Änderung des Staatsnamens in „Republik Österreich“ und das Verbot des Anschlusses an das Deutsche Reich (vgl. S. 48 f.). Der Kampf ums Staatsgebiet Beim Friedensschluss in Saint-Germain konnte Österreich das Selbstbestimmungsrecht der Völker nicht durchsetzen. Die deutschsprachig besiedelten Gebiete Böhmens und Mährens wurden unter Berufung auf die alten Kronlandgrenzen in die neu errichtete Tschechoslowakei eingegliedert. Italien erhielt den ausschließlich deutschsprachigen Teil Südtirols. Die überwiegend gemischtsprachige Untersteiermark kam an das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen, das spätere Jugoslawien. Außerdem mussten noch das Kanaltal an Italien sowie das Mießtal und das Seeland an Jugoslawien abgetreten werden. Jugoslawien beanspruchte darüber hinaus auch noch Südkärnten mit Villach, Klagenfurt und dem Zollfeld. Gegen den Einmarsch von slowenischen Freischärlern setzten sich Kärntner Abwehrkämpfer, unterstützt von Freiwilligen aus anderen Bundesländern, erfolgreich zur Wehr. Als jedoch reguläre serbische Truppen in das Gebiet einmarschierten, musste der militärische Widerstand aufgegeben werden. Österreich konnte daraufhin beim Völkerbund eine Volksabstimmung durchsetzen. Diese sollte in zwei Abstimmungszonen durchgeführt werden. Da die Abstimmung am 10. Oktober 1920 in der Südzone schon eine klare Mehrheit für Österreich brachte, musste in der Nordzone um Klagenfurt nicht mehr abgestimmt werden. Zum mehrheitlichen Bekenntnis zu Österreich trugen auch viele slowenisch sprechende Kärntnerinnen und Kärntner bei. Als der überwiegend deutschsprachige Teil Westungarns – was dem heutigen Burgenland entspricht – Österreich zuerkannt wurde, kam es auch hier zu Kämpfen zwischen ungarischen Soldaten und den einrückenden österreichischen Gendarmerie- und Zollwacheeinheiten. Die Siegermächte bestanden auf einer kampflosen Übergabe. Sie ließen jedoch eine Volksabstimmung im Raum Ödenburg (Sopron) zu. Ihre korrekte Durchführung wurde von österreichischer Seite in Zweifel gezogen. Sie ergab eine Mehrheit für Ungarn. Im Jänner 1922 wurde Ödenburg offiziell an Ungarn übergeben. Dass die österreichische Bevölkerung damals kein Vertrauen in die Zukunft ihres Staates entwickelt hatte, zeigte sich in verschiedenen Anschlussbewegungen: In mehreren Bundesländern versuchte man durch Volksabstimmungen Anschluss an andere Staaten zu gewinnen. In Tirol und Salzburg ergab sich eine große Mehrheit für einen Anschluss an das Deutsche Reich. In Vorarlberg gab es eine starke Anschlussbewegung an die Schweiz. Fragen und Arbeitsaufträge 1. Erkläre in knapper Form die politische und wirtschaftliche Situation des neu entstandenen österreichischen Kleinstaates. Gehe in diesem Zusammenhang auch auf die Begriffe „Rest-Trauma“, „Staat, den keiner wollte“, die Legende von der „Lebensunfähigkeit“, die Anschlussbestrebungen und das Anschlussverbot ein. Österreich I – die Erste Republik 39 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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