Zeitbilder 7/8, Schülerbuch

–– Die vorläufige Einstellung des Gerichtsverfahrens mit einer Probezeit von zwei Jahren. Wenn es zu einem Strafverfahren kommt, haben jugendliche Täterinnen und Täter immerhin noch die Chance eines „Schuldspruchs ohne Strafe“. Vor allem der „Außergerichtliche Tatausgleich“ hat sich auf die Resozialisierung gefährdeter Jugendlicher sehr positiv ausgewirkt. Deshalb wird er im Rahmen der Diversion seit dem Jahr 2000 auch im Erwachsenenstrafrecht angewendet. Diversionen nehmen zu, Verurteilungen ab 2007 wurden in Österreich 592 636 „gerichtlich strafbare Handlungen“ angezeigt. Die Aufklärungsquote betrug dabei 39 Prozent. Im Jahr 2016 wurden 537 792 Straftaten angezeigt und davon 46 Prozent aufgeklärt. Immer mehr Straftaten wurden seit 2000 aber durch die Diversion geregelt: 45 317 Fälle im Jahr 2007 (bei 43 158 rechtskräftigen Verurteilungen durch Gerichte). Im Jahr 2016 gab es 51 129 Diversionsregelungen bei 30 450 Verurteilungen. Mehr als die Hälfte dieser außergerichtlichen Regelungen betraf Suchtmitteldelikte. Österreich liegt mit der Anzahl seiner Strafgefangenen (relativ zu seiner Bevölkerungszahl) noch immer im europäischen Spitzenfeld. Diese Situation hat sich auch dadurch nicht wesentlich verbessert, dass die Verurteilten bei guter Führung bereits nach Verbüßung der Hälfte der Strafzeit mit einer bedingten Entlassung rechnen dürfen. Im Jahr 2016 befanden sich 8 825 Personen in den österreichischen Justizanstalten. Wegen der Überfüllung der Gefängnisse und der damit verbundenen Kosten kam es seit 2010 zur Einführung des elektronisch überwachten Hausarrestes mit Hilfe der „Fußfessel“. Bis 2016 verbüßten knapp 4000 Personen zumindest Teile ihrer Haftstrafe in dieser neuen Form des Strafvollzuges. Im Durchschnitt trugen im Jahr 2016 310 Personen eine „Fußfessel“. Strafvollzug „im Geist der Menschenwürde“? Seit 1992 gibt es ein Strafvollzugsrecht „im Geist der Menschenwürde“. Ziel der Reformen seither war es vor allem, die Resozialisierungschancen der Häftlinge zu verbessern: –– Höherer Arbeitslohn und Einbeziehung in die Sozialversicherung: Der Lohn orientiert sich am Kollektivvertrag der Metallarbeiter. Etwa 75 Prozent davon werden für die Vollzugskosten und die Sozialversicherungsbeiträge abgezogen. Im Durchschnitt erhielten Häftlinge im Jahr 2017 rund fünf Euro pro Hafttag. Davon bekommen sie die Hälfte ausbezahlt, die andere Hälfte wird angespart (z. B. für Schadensgutmachung, Schuldentilgung, Unterhaltszahlungen bzw. Starthilfe für den Wiedereinstieg). –– Erleichterung und Erweiterung der Häftlingsbesuche ––Erleichterungen bei Ausgängen vor der Haftentlassung, zur Vorbereitung auf ein Leben in Freiheit ––Erweiterung der Berufsausbildung vor allem im Jugendstrafvollzug ––Möglichkeiten sinnvoller Freizeitgestaltung (Sport, Lesen, Radiohören und Fernsehen) Verurteilungen 2018 Delikte insgesamt Jugendliche (14- bis 17-Jährige) Junge Erwachsene (18- bis 20-Jährige) 48 830 3 746 7,7 % 6 101 12,5 % Davon: Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben 8 573 607 8,1 % 1 110 12,9 % gegen die Freiheit 3 991 322 8,1 % 363 9,1 % gegen fremdes Vermögen 14 814 1 441 9,7 % 1 587 10,7 % gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung 1 317 93 7,1 % 89 6,8 % gegen das Suchtmittelgesetz 9 505 622 6,5 % 1 936 20,4 % gegen das Verbotsgesetz 128 6 4,7 % 17 13,3 % Ausgesprochene Strafen und Maßnahmen bei Jugendlichen 2016 Unbedingte Geldstrafen 12,7% Teilbedingte Geldstrafen 7,0% Sonstige Maßnahmen 2,5% Teils bedingte FS, teils unbedingte GS 1,5% Schuldspruch ohne Strafe 0,8% Bedingte Freiheitsstrafen 47,4% 1.988 Verurteilungen Jugendlicher insgesamt Unbedingte Freiheitsstrafen 9,6% Teilbedingte Freiheitsstrafen 9,6% Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe 9,0% Ausgesprochene Strafen und Maßnahmen bei Jugendlichen 2016 Tabelle und Grafik: Quelle: Statistik Austria 2019 bzw. 2016. In: Sicherheitsbericht 2019, Sicherheitsbericht 2016. Online auf: www.parlament. gv.at. Fragen und Arbeitsaufträge 1. Erkläre den Unterschied zwischen öffentlichem und privatem Recht. 2. Recherchiere im Internet, welches Strafausmaß das österreichische Strafrecht für Jugendliche und Erwachsene vorsieht für: (leichter, schwerer) Diebstahl (§ 127, 128 StGB), Datenbeschädigung (§ 126a StGB), Missbrauch von Computerprogrammen (§ 126c StGB), Raufhandel (§ 91 StGB), Vergewaltigung (§ 201 StGB), Suchtmittelbesitz (§ 27, 28 SMG). Nimm Stellung zum unterschiedlichen Strafausmaß für die Delikte. 3. Nimm Stellung dazu, wie sinnvoll Freiheitsstrafen sind. Nenne mögliche Alternativen. Politische und rechtliche Systeme 207 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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