Zeitbilder 7/8, Schülerbuch

Die dritte Periode Großer Koalitionen (2007–2017) Nach den Nationalratswahlen 2006 kam es zu einer dritten Periode Großer Koalitionen (S. 176). Im „Profil“ kommentierten Eva Linsinger und Herbert Lackner die „Große Koalition“ 2013 so: Große Koalition: Warum SPÖ und ÖVP einander immer fremd geblieben sind (…) In keinem anderen Land haben Sozialdemokraten und Christdemokraten so lange miteinander koaliert wie in Österreich – insgesamt 41 Jahre. Und dennoch blieben die beiden Parteien einander fremd. Praktisch kein gesellschaftlicher Bereich, in dem man derselben Meinung ist: Familienpolitik und HomoVerpartnerung, Schule und Föderalismus, Verteilungspolitik und Daseinsvorsorge – nur mit großen Anstrengungen lassen sich Kompromisse finden, und die sind meist entsprechend flau. (…) Zeitenwende Sozialdemokratie und Volkspartei haben allerdings eines gemeinsam: Sie verlieren seit Jahrzehnten Wähler – von fast 95 Prozent im Dezember 1945 bis auf 50,9 Prozent im September 2013. Doch selbst die historische Zeitenwende (…) führte zu keinem Umdenken. Zu tief sind beide Parteien von ihren historischen Differenzen geprägt. (…) Große Würfe gelangen den SPÖ-ÖVP-Koalitionen immer dann, wenn zufällig zwei eher zukunftsorientierte Politiker an der Spitze standen, etwa Mitte der 1990erJahre, als Franz Vranitzky und Erhard Busek den österreichischen EU-Beitritt glatt über die Bühne brachten. Das Erbe der Vergangenheit belastet die Kompromisssuche der Parteien (…). Noch schwerer engt die Verflechtung von SPÖ und ÖVP mit den Interessensvertretungen [= den Sozialpartnern; Anm. d. A.] den Verhandlungsspielraum ein. Mit Ausnahme von Präsident Erich Foglar sitzt die gesamte ÖGB-Spitze für die SPÖ im Nationalrat (…). Gegen den ÖGB geht also gar nichts (…). Spiegelverkehrt sieht es bei der Gegenseite aus: Praktischerweise ist bei der ÖVP der Chef der Interessenvertretung, Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl, auch gleich Chef des parteiintern mächtigen Wirtschaftsbunds. (…) Zusätzliche Konfliktlinien Für Koalitionsverhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP bedeutet das alles: Nicht nur die beiden Parteien müssen sich einigen, sondern auch die Sozialpartner. (Lackner/Linsinger, Große Koalition, 2013. Online auf: https://www.profil.at/oesterreich/grosse-koalition-warum-spoe-oevp-370 492, 1. 4. 2018) Eintrag „Große Koalition“ auf Wikipedia, 2018: (…) Große Koalitionen sind teilweise umstritten, da sie nach Meinung der Kritiker über zu große Regierungsmacht verfügen und aufgrund ihrer Breite zu viele Kompromisse erfordern. Andererseits schafft eine Große Koalition die Möglichkeit, manche dringend erforderlichen Reformprojekte auch dann durchzusetzen, wenn ihre BegleiterM6 M7 scheinungen von den Betroffenen als stark negativ empfunden werden (…). Eine starke Opposition würde diese Projekte – sei es aus Überzeugung oder aus parteitaktischen Gründen – angreifen und eventuell verhindern. Große Koalitionen werden oft aus einem oder mehreren der folgenden Gründe bzw. Motive gebildet: • als Notlösung, wenn sich aufgrund des Machtgleichgewichtes keine eindeutigen, weltanschaulich fundierten Parlamentsmehrheiten bilden, vor allem in Ländern mit einer großen Parteienvielfalt. • Abwehrbewegungen gegen aggressive Klein- oder Randparteien, was z. B. im 20. Jahrhundert mehrmals zu einer Großen Koalition in Österreich führte. • außenpolitische oder allgemein-politische Krisen (…). (Große Koalition. Online auf: https://de.wikipedia.org/wiki/Große_Koalition, 2. 4. 2018) Abwendung von der Großen Koalition: Wunsch nach einer Regierungskoalition aus SPÖ und ÖVP In Prozent der Wähler am Wahltag 0 10 20 30 40 50 60 70 80 60 1986 1990 1994 1995 1999 2002 2006 2008 2013 2017 70 58 47 48 48 41 22 26 15 Quelle: GfK Austria, Wahltags- und Vorwahltagsbefragungen 1986– 2017. In: Plasser/Sommer, Wahlen im Schatten der Flüchtlingskrise, 2018, S. 39. Fragen und Arbeitsaufträge 1. Fasse mit Hilfe der Autorendarstellung hier und auf S. 168 ff., 176, 190 ff. die Entstehungsgeschichte(n) der drei Perioden von Großen Koalitionen zusammen. 2. Untersuche M1 bis M7 und vergleiche, welche positiven und negativen Aspekte dieser Regierungsform allgemein bzw. in den einzelnen Perioden zugeschrieben werden. Erläutere mit Hilfe von M2, M4, M6 und S. 190 ff. insbesondere, wie die Funktion des Parteienproporzes sowie die Sozialpartner beschrieben und beurteilt werden. 3. Analysiere das Schaubild M8 in Hinblick auf den Wunsch der Bevölkerung nach einer Großen Koalition seit 1986. Vergleiche deine Analyse mit den Aussagen in M5 und M6. Beurteile, inwieweit in den einzelnen Darstellungen (M1– M6) die Großen Koalitionen direkt oder indirekt bewertet werden. 4. Verfasse mit Hilfe all deiner Informationen einen Blog: „44 Jahre Große Koalitionen in Österreich“ und/oder einen Artikel (ca. eine Seite) zum Thema „Erfolge und Scheitern der Großen Koalitionen in Österreich“ für eure Schülerzeitung. M8 Politische und rechtliche Systeme 195 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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