Zeitbilder 7/8, Schülerbuch

„Lasst Kreisky und sein Team arbeiten“ – 12 Jahre sozialistische Alleinregierung Die SPÖ feierte bei den Neuwahlen einen bis dahin nie erreichten Erfolg – die absolute Mandatsmehrheit im Nationalrat. Es gelang Kreisky, diesen Erfolg noch zweimal zu wiederholen (1975, 1979). Nun konnte er das groß angekündigte Programm der Neugestaltung Österreichs und den Aufbruch zur „Europareife“ in Angriff nehmen. Als wichtigste Reformen der 1970er Jahre gelten: –– die Einführung einer Geburten- und Heiratsbeihilfe; ––die Einführung von Schüler/innenfreifahrt, kostenlosen Schulbüchern sowie die Abschaffung der Studiengebühren; ––ein demokratisches Schulunterrichts- und Universitätsorganisationsgesetz; ––ein Arbeitsverfassungsgesetz, das die betriebliche Mitbestimmung der Arbeitnehmer/innen verbesserte; ––das Gleichbehandlungsgesetz, das Frauen gleichen Lohn wie Männern bei gleicher Tätigkeit garantieren soll; ––der Ausbau des Bundesheeres zum Milizheer sowie die Einführung des Zivildienstes; ––die Einführung des vierwöchigen Mindest- und des Pflegeurlaubs; ––die Einführung der Volksanwaltschaft als Kontrollorgan; ––ein Konsumentenschutzgesetz, das üble Verkaufspraktiken verhindern soll; –– die Fusion der gesamten staatlichen Industrie; ––ein neues Familienrecht, das den Frauen gesetzlich die volle Gleichberechtigung in der Ehe brachte; –– ein neues Scheidungsrecht. Der größte Teil der neuen Gesetze wurde im Nationalrat einstimmig beschlossen. Das neue Strafrecht aber lehnten ÖVP und FPÖ ab. Streitpunkt war die Einführung der „Fristenlösung“. Sie sieht unter bestimmten Bedingungen den straffreien Schwangerschaftsabbruch während der ersten drei Schwangerschaftsmonate vor. Auch das Volksbegehren der „Aktion Leben“ (mit fast 900 000 Unterschriften) führte zu keiner Änderung dieses Gesetzes, das auch heute noch Rechtskraft hat. Der Streit um das AKW Zwentendorf Ein großes innenpolitisches Streitthema bildete im Jahre 1978 das neu errichtete Kernkraftwerk im niederösterreichischen Zwentendorf. SPÖ, ÖVP sowie führende Vertreter von Gewerkschaft und Industrie waren, dem damaligen internationalen Trend entsprechend, für die Nutzung der Kernenergie. Doch spontan gebildete Bürgerinitiativen, die Vorläufer der Grünen sowie engagierte AKW-Gegnerinnen und -Gegner aus allen Parteien bezweifelten die Nützlichkeit und Sicherheit von Atomkraftwerken und brachten eine breite öffentliche Diskussion darüber in Gang. Der Streit führte zu einer Volksabstimmung über die Kernkraftnutzung, bei der die Gegnerinnen und Gegner mit 50,5 Prozent knapp siegten. Daraufhin beschloss der Nationalrat ein „Atomsperrgesetz“ im Verfassungsrang, das die Nutzung der Kernenergie in Österreich verbietet. „Lieber Schulden als Arbeitslose“ Nach Jahren der Hochkonjunktur führte ein „Ölpreisschock“ (1973) zu einer weltweiten Wirtschaftskrise. Kreisky meinte zur Behebung der Krise in Österreich sinngemäß: „Lieber ein paar Milliarden Schulden als ein paar Hunderttausend Arbeitslose!“ Diese Wirtschaftspolitik, später als „Austro-Keynesianismus“ bezeichnet, war klar auf Vollbeschäftigung ausgerichtet. Dabei wurden bewusst ein steigendes Budgetdefizit sowie eine höhere Staatsverschuldung (1970: 3,42 Mrd., 1979: 16,78 Mrd. Euro) in Kauf genommen (= „deficit spending“). Dafür aber wies Österreich in den 1970er Jahren gemeinsam mit der Schweiz die geringste Arbeitslosenrate in Europa auf (ca. 2 Prozent). Dazu hatte es eine harte Währung, eine geringere Inflation und ein höheres Wirtschaftswachstum als die anderen europäischen Industriestaaten. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) je Einwohner/in lag Österreich 1980 bereits an der 16. Stelle der Weltrangliste (1988: 18. Stelle). Nach einem neuerlichen Wirtschaftseinbruch 1980/81 stiegen das Budgetdefizit (1981: 2,6 Prozent; 1986: 5,1 Prozent) und damit auch die Staatsschulden deutlich an. Fragen und Arbeitsaufträge 1. Fasse die wesentlichen Reformen Kreiskys in seiner Partei und in der Regierung zusammen. Demonstration gegen die Inbetriebnahme des AKW Zwentendorf (NÖ). Foto, 1977. Österreich II – die Zweite Republik 173 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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