Zeitbilder 7/8, Schülerbuch

heimdienstes MI6 in ihren früheren Besatzungszonen bestehen. Außerdem gab es von österreichischer Seite immer wieder Kontakte zur NATO. Im Ernstfall erhoffte man sich vom österreichischen Bundesheer, es könne die Nord-Süd-Verbindung zwischen den NATO-Staaten Italien und Deutschland gegen einen Vorstoß der kommunistischen Warschauer Pakt-Truppen verteidigen. Neutralitätspolitik und Landesverteidigung Schon im Dezember 1955 wurde Österreich als „dauernd neutraler“ Staat in die Vereinten Nationen aufgenommen. Nach 1955 fanden die österreichischen Regierungen zu einer eigenständigen Neutralitätspolitik: ––eine aktive Außenpolitik der „guten Dienste“: z. B. durch Vermittlung in Konflikten, durch Beteiligung an friedenssichernden Maßnahmen der UNO (die österreichischen „Blauhelme“), als Gastgeber für internationale Organisationen (Wien als UNO-Zentrum). ––eine Stärkung der Abwehrbereitschaft und Abwehrfähigkeit Österreichs. Dazu wurde 1975 die „Umfassende Landesverteidigung“ beschlossen: Q Art. 9a. (1) Österreich bekennt sich zur umfassenden Landesverteidigung. Ihre Aufgabe ist es, die Unabhängigkeit nach außen sowie die Unverletzlichkeit und Einheit des Bundesgebietes zu bewahren, insbesondere zur Aufrechterhaltung und Verteidigung der immerwährenden Neutralität. (…) (2) Zur umfassenden Landesverteidigung gehören die militärische, die geistige, die zivile und die wirtschaftliche Landesverteidigung. (3) Jeder männliche österreichische Staatsbürger ist wehrpflichtig. Wer aus Gewissensgründen die Erfüllung der Wehrpflicht verweigert und hievon befreit wird, hat einen Ersatzdienst zu leisten. Das Nähere bestimmen die Gesetze (Umfassende Landesverteidigung. Online auf: http://www.bundesheer. at/pdf_pool/gesetze/verfassungsrecht.pdf, 13. 12. 2017) Seit dem Endes des Kalten Krieges wird in Österreich über die Abschaffung der Wehrpflicht und die Einführung eines Freiwilligen- bzw. Berufsheeres diskutiert. Im Jahr 2010 sprach sich erstmals ein amtierender Verteidigungsminister für ein Berufsheer aus. Doch die österreichische Bevölkerung stimmte bei einer Volksbefragung im Jahr 2013 mit knapp 60 Prozent für die Beibehaltung der Wehrpflicht. Neutralität im Wandel L Bis Mitte der achtziger Jahre blieb die Neutralität Österreichs unter österreichischen Völkerrechtsexperten unumstritten; (…). Nie zuvor ist so viel über die Neutralität Österreichs diskutiert worden wie in den Jahren vor dem Beitritt zur Europäischen Union und in den Jahren unmittelbar vor der Jahrtausendwende. Während die Neutralitätsbefürworter still geworden sind, wurde die Diktion der Neutralitätsgegner, die in den neunziger Jahren den sofortigen NATO-Beitritt forderten, immer radikaler (…). (Rathkolb, Die paradoxe Republik, 2011, S. 203 f.) Mehr als zwei Drittel der österreichischen Bevölkerung waren 2010 noch für die Beibehaltung der österreichischen Neutralität. Sie wurde zu einem wesentlichen Merkmal der österreichischen Identität: sowohl als Faktor für den Aufstieg zu einem der reichsten Staaten der Welt als auch für den inneren und äußeren Frieden unseres Landes. Kritische Rechtsexpertinnen und -experten allerdings betrachten die österreichische Neutralität seit dem EU-Beitritt und der Zustimmung zu einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik als völlig ausgehöhlt. Dennoch ist sie noch immer gültiges Verfassungsgesetz (Stand: 2018). Vom VdU zur FPÖ 1949 zog der im selben Jahr gegründete VdU (= Verband der Unabhängigen) als vierte Partei in den Nationalrat ein. Er erreichte auf Anhieb einen relativ hohen Stimmenanteil (12 Prozent). Das war darauf zurückzuführen, dass bei diesen Wahlen erstmals auch die „minderbelasteten“ Nationalsozialisten (ca. eine halbe Million Personen) stimmberechtigt waren. Diese neue Partei war das Sammelbecken des „nationalen Lagers“. Doch schon 1955 kam das Ende des VdU; in seinem Programm stand nämlich: „Österreich ist ein deutscher Staat. Seine Politik muss dem ganzen deutschen Volk dienen.“ Das war mit dem Staatsvertrag und dem Neu- Neben verschiedenen Einsätzen für die UNO und die EU sind österreichische Soldaten seit 1999 auch im Kosovo unter Leitung der NATO stationiert, um dort einen sicheren Wiederaufbau des Landes zu unterstützen. Bundesministerium für Landesverteidigung, Foto, undatiert. 170 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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