Zeitbilder 7/8, Schülerbuch

Die Außenpolitik eines besetzten Kleinstaates In der Moskauer Deklaration des Jahres 1943 legten die alliierten Außenminister der USA, Großbritanniens und der Sowjetunion die Wiederherstellung Österreichs als eines ihrer Kriegsziele fest. Je näher der Sieg über den Nationalsozialismus rückte, desto größer aber wurde ihr gegenseitiges Misstrauen. Es führte bald nach dem Weltkrieg zum Kalten Krieg. Österreich wurde dabei zu einem Spielball der Politik der Großmächte. Obwohl es als befreites Land bezeichnet wurde, gestanden die Besatzungsmächte Österreich erst 1955 die volle Souveränität zu. Trotz der Beschränkungen durch die Besatzungsmächte bemühte sich schon die erste österreichische Regierung um eine eigenständige Außenpolitik. Dazu zählt besonders die von den Westmächten unterstützte Abweisung jugoslawischer Gebietsansprüche in Kärnten und der Südsteiermark. Jugoslawien fehlte ab 1948 auch die Unterstützung durch die Sowjetunion, weil es zum Bruch zwischen dem kommunistischen jugoslawischen Staatspräsidenten Tito und Stalin gekommen war. Die „Südtirolfrage“ Österreichs Ansprüche an Italien – die Rückgabe des deutschsprachigen Südtirol – wurden von den Siegermächten abgelehnt. Allerdings erreichte Österreich 1946 ein Abkommen mit Italien zum Schutz der deutschsprechenden Bevölkerung. Es legte u.a. die Rechte hinsichtlich der Verwendung der deutschen Sprache fest. Q 1. Den deutschsprachigen Einwohnern der Provinz Bozen und der benachbarten zweisprachigen Ortschaften der Provinz Trient wird volle Gleichberechtigung mit den italienischsprachigen Einwohnern (…) zum Schutz des Volkscharakters und der kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung des deutschsprachigen Bevölkerungsteiles zugesichert werden. (…) den Staatsbürgern deutscher Sprache [wird] insbesondere Folgendes gewährt werden: a) Volks- und Mittelschulunterricht in der Muttersprache; b) Gleichstellung der deutschen und italienischen Sprache in den öffentlichen Ämtern und amtlichen Urkunden sowie bei den zweisprachigen Ortsbezeichnungen; c) das Recht, die in den letzten Jahren italienisierten Familiennamen wiederherzustellen; d) Gleichberechtigung hinsichtlich der Einstellung in öffentliche Ämter (…). 2. Der Bevölkerung der oben erwähnten Gebiete wird die Ausübung einer autonomen regionalen Gesetzgebungs- und Vollzugsgewalt gewährt werden (…). (Zit. nach: Steininger, Die Südtirolfrage, Dokument 1, 1997, S. 497) Nimm Stellung dazu, welche Bedeutung solche Rechte für eine Minderheit in einem Staat haben. Recherchiere, in welchen Staaten der Erde gegenwärtig um solche Regelungen gekämpft wird. Das Abkommen wurde von Italien nur schleppend und unzureichend erfüllt. In den 1960er Jahren eskalierte deshalb der Konflikt, es erfolgten terroristische Anschläge auf italienische Einrichtungen (u. a. wurden Leitungsmasten gesprengt). 1969 schließlich wurde von beiden Staaten das so genannte „Südtirolpaket“ unterschrieben. Es legte die Autonomie Südtirols fest und trat 1972 in Kraft. Die Verhandlungen um seine Erfüllung durch Italien wurden 1992 abgeschlossen. Der lange Kampf um den Staatsvertrag Die wichtigsten Ziele der österreichischen Außenpolitik waren der Abzug der Besatzungsmächte und die Erlangung der vollen Souveränität. Obwohl sich Politiker schon ab 1946 darum bemühten, „froren“ die Verhandlungen im Zuge des Kalten Krieges ein. Erst Stalins Tod (1953) leitete eine „Tauwetterperiode“ ein. 1954 forderte der sowjetische Außenminister Molotow, dass in einem Staatsvertrag die Neutralität Österreichs verankert sein müsse. Das jedoch lehnten die Westmächte strikt ab. Außerdem bestand Molotow auf der weiteren Stationierung alliierter Truppen in Österreich über den Staatsvertrag hinaus bis zum Inkrafttreten eines Friedensvertrages mit Deutschland. Dieser aber schien sich noch lange nicht verwirklichen zu lassen. Die westdeutsche Regierung lehnte nämlich nicht nur das sowjetische Angebot eines bündnisfreien Deutschland ab, sondern beschloss den NATO-Beitritt. Dennoch wurde im Frühjahr 1955 die österreichische Bundesregierung zu Gesprächen nach Moskau eingeladen. Dort wurde mit dem Moskauer Memorandum im April 1955 der Durchbruch zum Staatsvertrag erzielt. Es 2. Staatsvertrag, Neutralität und Große Koalition „Die Vier im Jeep“, internationale Patrouille in Wien. Foto, ca. 1950. 168 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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