Zeitbilder 7/8, Schülerbuch

Großbürgern gebildete „Provisorische Regierung“ die Staatsgeschäfte. Zar Nikolaus II. musste abdanken. Jetzt tauchten auch die verbotenen Petersburger Arbeiterräte (russ. Sowjets = Räte) aus dem Untergrund auf. Sie setzten sich aus Menschewiki, Bolschewiki und Sozialrevolutionären zusammen. Lenin und etwa 30 Revolutionäre wurden im April 1917 mit deutscher Hilfe aus ihrem Exil in der Schweiz nach Petersburg gebracht. Die deutsche Regierung erhoffte sich nämlich von Lenins Rückkehr den Sturz der bürgerlichen Regierung und die von ihm angekündigte sofortige Beendigung des Krieges. Lenin beabsichtigte, die parlamentarische Republik durch eine Republik der Sowjets zu ersetzen. Die neue Gesellschaftsordnung wollte er mit der „Diktatur des Proletariats“ durchsetzen. Lenin schrieb: QDer Übergang von der kapitalistischen zur kommunistischen Gesellschaft ist unmöglich ohne „politische Übergangsperiode“, und der Staat dieser Periode kann nur die revolutionäre Diktatur des Proletariats sein. Zugleich mit der gewaltigen Erweiterung des Demokratismus (…) bringt die Diktatur des Proletariats eine Reihe von Freiheitsbeschränkungen für die Unterdrücker, die Ausbeuter, die Kapitalisten. Diese müssen wir niederhalten, ihr Widerstand muss mit Gewalt gebrochen werden (…). (Lenin, Staat und Revolution, Kap. V. In: Lenin, Werke, Bd. 25, 1988, S. 393) Arbeite heraus, was Lenin unter der „Diktatur des Proletariats“ verstand. Beurteile die Mittel, die Lenin zur Errichtung dieser Diktatur für notwendig hält. Die Oktoberrevolution Die Bolschewiki drängten auf ein sofortiges Ende des Krieges. Die „Provisorische Regierung“ aber setzte ihn fort. Dies endete in einem militärischen Debakel, auch die katastrophale Versorgungslage verbesserte sich nicht. Innerhalb des Petersburger Sowjet wurden die Bolschewiki immer stärker und stellten mit Leo Trotzki den Vorsitzenden. Auch im Revolutionären Militärkomitee erlangten die Bolschewiken die Mehrheit. Am 25. Oktober 1917 (nach dem Gregorianischen Kalender der 7. November) besetzten die von Trotzki geführten Petersburger Truppen zusammen mit den Roten Garden (= bewaffnete Arbeiterverbände) die strategisch wichtigsten Punkte der Stadt. Sie stürmten ohne nennenswerten Widerstand das Winterpalais, den Sitz der Regierung. Diese wurde entmachtet. Nach diesem Staatsstreich bildete Lenin eine neue Regierung. In den so genannten „Umsturzdekreten“ verkündete er: sofortiger Austritt Russlands aus dem Krieg, Enteignung aller Gutsbesitzer und Verteilung des Landes an die Bauern, Enteignung der Fabriksbesitzer, Verstaatlichung von Industrie, Handel und Banken, Trennung von Kirche und Staat, Gleichberechtigung der Frauen und die Einführung der Schulpflicht. Das Zarenreich – ein rückständiger Staat Die Oktoberrevolution von 1917 und die Errichtung der Sowjetunion beeinflusste die Geschichte des 20. Jh. wesentlich. Die Ursachen dafür waren die seit dem 19. Jh. ungelösten wirtschaftlichen, sozialen und politischen Probleme. An der Spitze des russischen Reiches standen absolutistisch regierende Zaren. Sie sicherten sich ihre Herrschaft mit Hilfe eines großen Polizei- und Spitzelapparates und der orthodoxen Kirche. Russland war zwar eine Großmacht, aber sozial und wirtschaftlich rückständig: Mehr als 80 Prozent der Bevölkerung waren besitzlose Kleinbauern. Ihre Aufstände wurden vom Militär stets mit Gewalt niedergeschlagen. Russlands Rückständigkeit zeigte sich auch in der späten Industrialisierung (ab 1870). Um 1900 machten die Fabriksarbeiter erst ca. 3 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Auch ihre Lebensumstände waren miserabel. In der zweiten Hälfte des 19. Jh. entstanden in Russland unterschiedliche politische Gruppen. Sie alle bekämpften den Zarismus. Die größte Partei bis 1917 bildeten die Sozialrevolutionäre. Sie waren gemäßigte Sozialisten. Ab etwa 1880 verbreiteten sich auch die Lehren von Marx und Engels in Russland. Zu den marxistischen Aktivisten gehörte der junge Rechtsanwalt Wladimir Iljitsch Uljanow. Er nahm den Decknamen Lenin an. Für seine politischen Aktivitäten wurde er nach Sibirien verbannt. 1898 schlossen sich verschiedene sozialistische Gruppierungen zur „Russischen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei“ zusammen. Lenins neue revolutionäre Partei Seit 1900 lebten Lenin und andere Parteimitglieder außerhalb Russlands. Ab dem 2. Parteikongress der Russischen Sozialdemokraten (1903) nannten sie sich „Bolschewiki“. Die zahlenmäßig weitaus größere Gruppe waren die „Menschewiki“, die sozialdemokratische Ideen vertraten. Während seiner Jahre im Exil gestaltete Lenin die Lehre von Marx und Engels zum MarxismusLeninismus um. Eine von Berufsrevolutionären geführte Partei sollte das politische Bewusstsein der Arbeiterschaft wecken und die Revolution in Gang setzen. Die bis zum Kriegsbeginn 1914 ziemlich bedeutungslose bolschewistische Partei nannte sich ab 1918 „Kommunistische Partei“. Februarrevolution und Sturz des Zaren Im Ersten Weltkrieg schlitterte das russische Heer in eine Niederlage. Es mangelte an Kriegsmaterial, die Bevölkerung in den Städten hungerte. Seit 1916 brachen immer häufiger Streiks in den Betrieben aus: Die Menschen forderten vergeblich Frieden, Brot und höhere Löhne. Am 25. Februar 1917 (nach dem alten Julianischen Kalender) gab der Zar den Befehl, auf wehrlose Demonstrantinnen und Demonstranten zu schießen. Doch das Militär weigerte sich und schloss sich dem Volk an. Zwei Tage nach Ausbruch dieser Revolution („Februarrevolution“) übernahm eine aus liberalen Adeligen und 2. Vom zaristischen Russland zur Sowjetunion 14 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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