Hinzu kommt, dass die gewährten Kredithilfen der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds oft an eine Vielzahl von Bedingungen geknüpft sind. Dazu schreibt Walter Michler: L Das Bestehen der westlichen Geber auf ökonomisch nicht mehr zu vertretenden Schuldendienstzahlungen hat nichts mit Demokratie zu tun, sondern ist nichts anderes als die Diktatur der Reichen über die Verarmten. Ein überschuldetes Land nicht zu entschulden, Sanierungsauflagen zu verfügen, die aus Armen Hungernde machen, all dies steht (…) in krassem Gegensatz zu den Grundwerten der westlichen Demokratie. Wir müssen das Wort Entwicklungshilfe, wenn wir ehrlich sein wollen, aus unserem Vokabular streichen, bis es angemessene Rohstoffpreise gibt und mehr von den Reichen an die Armen fließt als umgekehrt. (Michler, Weißbuch, 1991, S. 10) 2.4 Der ungleiche Tausch – die „Terms of Trade“ in den 1980er Jahren Die Entwicklungsländer, besonders jene ohne eigenes Erdöl, sind gegenüber den Industrieländern vielfach benachteiligt. Die Kolonialmächte errichteten häufig Monokulturen, um sich auf ein oder zwei Exportprodukte zu spezialisieren. Vom Export dieser wenigen Produkte sind viele Entwicklungsländer heute noch abhängig. Die Preise für agrarische und mineralische Rohstoffe unterliegen auf dem Weltmarkt jedoch starken Schwankungen. Das heißt, dass die Einnahmen der Entwicklungsländer sehr unregelmäßig ausfallen können. So finanzierte z. B. Marokko seine Ausgaben lange mit den Erlösen aus dem Phosphatexport. Mit dem Preisverfall für Phosphat sanken auch die Einnahmen. Die Regierung musste Kredite im Ausland aufnehmen und ihre Ausgaben kürzen. Solche Kürzungen betreffen meistens den Sozialbereich und die Stützung der Preise von Nahrungsmitteln. Sambia bestritt in den 1980er Jahren rund 80 Prozent seines Gesamtexports mit Kupfer. Der Preisverfall dieses Rohstoffes traf das Land schwer. Neben den Preisschwankungen bei Rohstoffen verteuerten sich für die Entwicklungsländer die Importe von Fertigprodukten hingegen ständig. Auf diese Weise verschlechterten sich die Bedingungen des Handels („Terms of Trade“) aus der Sicht der Entwicklungsländer, und sie erhoben die Forderung nach einer neuen Weltwirtschaftsordnung. nen und verhindert auf lange Sicht den Aufbau von Wohlstand. Entwicklungshilfe, die ausbeuterische Politiker oder politische Systeme als Bollwerke gegen den Kommunismus oder den Terrorismus am Leben erhält, ist eine Hilfe, die die Armut der Normalbürger armer Länder in unserem Interesse vertieft. (…) Eine der großen Tragödien der Entwicklungshilfe ist, dass engagierte und ethisch handelnde Menschen Notleidenden Schaden zufügen. (Deaton, Der große Ausbruch, 2017, S. 396, 403) 2.3 Die Industrieländer denken nur an sich Der frühere Präsident von Tansania, Julius Nyerere, beschrieb „Entwicklungshilfe“ so: „Sie ist eine Hilfe, die mit der Armut spielt wie das Benetzen der Lippen eines Verdurstenden mit Wasser.“ Bereits 1964 verpflichteten sich die Länder der OECD gegenüber der UNO, jährlich mindestens 0,7 Prozent ihres Bruttosozialproduktes für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit aufzuwenden. Von 1976 bis 1989 lagen die durchschnittlichen Leistungen jedoch nur bei 0,35 Prozent. Wenige Länder wie die Niederlande, Norwegen, Dänemark oder Schweden leisteten 0,7 Prozent oder mehr. Betrachtet man die Wirtschafts- und Finanzbeziehungen zwischen den Industrie- und Entwicklungsländern jedoch insgesamt, dann floss seit 1982 sogar mehr Geld in Richtung Industrieländer als umgekehrt. Ausschlaggebend dafür waren unter anderem: ––die ungleichen Tauschbeziehungen in der Weltwirtschaft, wo niedrigen Preisen für Rohstoffe hohe Energiekosten und hohe Preise für Fertigprodukte gegenüberstehen; –– die Zinsen, die aus der Verschuldung erwachsen; ––die Verluste aus der Abwanderung von Fachkräften (z. B. Ärztinnen und Ärzte oder Wissenschafterinnen und Wissenschafter) in die Industrieländer. Minenarbeiter in einer Kupfermine in Sambia. Foto, 2004. 116 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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