Zeitbilder 6, Schulbuch

Kirchenvaters Augustinus. In allen größeren italienischen Städten be- geisterten sich viele Gelehrte und Künstler für die klassische lateini- sche Literatur und die „ruhmvolle Größe“ des antiken Rom. Der aus Florenz stammende Dichter France- sco Petrarca verfasste den Großteil seiner Werke in klassischem Latein. Er stand im Briefwechsel mit be- rühmten Zeitgenossen, Königen, Päpsten und dem Luxemburger Kai- ser Karl IV. Damit trug er zu einer Wiederbelebung antiken Gedan- kenguts auch in den europäischen Herrschaftskreisen bei. Sein Dich- terkollege Giovanni Boccaccio, des- sen italienisch verfasstes Werk „De- camerone“ noch heute zur Weltlite- ratur zählt, machte das Griechische in Italien „gesellschaftsfähig“: Er ließ die Homer zugeschriebenen Werke übersetzen. Diese von der Literatur ausgehende Beschäfti- gung mit der Antike griff bald auf die bildende Kunst (Architektur, Plastik, Malerei) über. Die „Wiedergeburt der Antike“ (= Renaissance) war damit endgültig eingeleitet. Die Humanisten – ein elitärer Gelehrtenkreis Im Mittelalter wurde Bildung fast ausschließlich in den Kloster- und Domschulen vermittelt. Im 14. und 15. Jh. entstanden in den italienischen Städten und an den Fürstenhöfen nun zunehmend private Schulen. Gelehr- te sammelten dort Schüler um sich und unterrichteten Philosophie, Rhetorik, Geschichte, Poesie und das klas- sische Latein. Nach der Einnahme Konstantinopels durch die Osmanen verbreiteten viele in den Westen geflüchtete Lehrer das Altgriechische. Auch Hebräisch wurde wegen der Bibelkritik von manchen Schülern gelernt. Diese Fächer galten im Gegensatz zur Theolo- gie, zur Medizin und zum Rechtsstudium als humanis- tisch (lat. humanus = menschlich). An den europäischen Universitäten lehrte und schrieb man dagegen nach wie vor immittelalterlichen „Gebrauchslatein“, das von den Humanisten verachtet wurde. Diese neuen Gelehrten forderten die Rückkehr zu den Ursprüngen der „reinen“ Sprache und Schrift des klassischen Lateins. Im Textver- gleich der fehler- und manchmal auch bruchstückhaften Handschriften entwickelten sich die Sprach- und Lite- raturwissenschaften. Mit dieser Arbeit begründeten die Humanisten auch die klassischen Altertumswissen- schaften. Fürsten, Könige und Päpste umgaben sich gerne mit den besonders bekannten und schon zu ihren Lebzeiten berühmten Humanisten und Künstlern. Als Mäzene bo- ten sie ihnen Schutz und Förderung, bedachten sie mit öffentlichen Aufträgen, gut bezahlten Posten in Wissen- schaft und Kunst oder holten sie als Ratgeber in die Politik. Arbeite weitere inhaltliche und formale Unterschiede zwi- schen Raffaels Gemälde und Darstellungen des Mittelal- ters heraus. Der größte Teil der Bevölkerung (mehr als 90%) aber konnte weiterhin weder lesen noch schreiben. Bildung war also noch immer nur einem kleinen, elitären Kreis von Menschen möglich – den Mitgliedern des reichen Bürgerstandes und den Adeligen. Der Mensch entdeckt sich selbst L Renaissance ist im Unterschied zum Mittelalter ein Aufbegehren des Menschen zu Gunsten des Men- schen […]. Der Mensch und mit ihm die Natur und die Welt – nämlich „seine“ Welt – wurden der „anderen“ Welt, dem Jenseits, gegenübergestellt. […] Im christli- chen Mittelalter gab es keinen Platz für den Menschen als eigene Persönlichkeit; in der Renaissance setzte man ans andere Ufer über: Die menschliche Persön- lichkeit wurde ins Zentrum der Betrachtung gerückt. (Diwald, Anspruch auf Mündigkeit, 1982, S. 134 f.) Beschreibe und erläutere die Unterschiede zwischen dem „christlichen“ mittelalterlichen und dem „neuen“ Weltbild. Was kennzeichnete nun den „neuen“, den Renaissance- Menschen? Im Laufe des 15. Jh. orientierten sich gerade die bildenden Künstler an ihrer eigenen Schaffenskraft und Originalität. Sie begannen, ihre Werke zu signieren. Jetzt stand das Individuum, der in der Welt stehende Mensch, im Vordergrund. Und der Held, der dem Göttli- chen nahe kommen will, wurde in Standbildern verewigt. Die frühe Neuzeit – Europa im Wandel 9 Raffael, Die Schule von Athen. Fresko (Ausschnitt) in den vatikanischen Gemächern in Rom, 1510/11. Während im Mittelalter religiöse Motive vorherrschend waren, zeigt dieses Wandgemälde eine Versammlung von Künstlern und Philosophen der Antike, in der Mitte Plato und Aristoteles. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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