Zeitbilder 6, Schulbuch

eine Sozialrevolution auszulösen. Auch dafür glaubte man das Heilmittel in der Expansion gefunden zu ha- ben, denn durch die Erweiterung des Marktes wurde die Wirtschaft saniert und weiteres Wachstum mög- lich. Infolgedessen kam es zu keinen sozialen Er- schütterungen und die alten Gesellschaftsstrukturen waren aufs Neue gesichert […]. Cecil Rhodes hat dies so formuliert: „Wenn man einen Bürgerkrieg vermei- den will, muss man Imperialist sein.“ (Wehler, Imperialismus, 1970, S. 85 f.) Die imperialistische Machtpolitik führte in den Neunzi- gerjahren des 19. Jh. zu weiteren Eroberungen in China und im Pazifik. 1898 erfolgte die Gründung des „Deut- schen Flottenvereins“, der vor allem von der deutschen Großindustrie gefördert wurde und bald eine Million Mitglieder zählte. Der Ausbau der Flotte entsprach der neuen deutschen „Weltpolitik“. Wie die englische Flotte sollte auch die deutsche die Seeverbindungen nach Übersee schützen und die Kolonien sichern. Russland – ein Agrarstaat expandiert Russlands Expansionspolitik zielte in Europa in Richtung Balkan. In Asien richtete sie sich gegen Süden und er- reichte hier den Kaukasus und zentralasiatische Regio- nen. Letztere bildeten seit Jahrhunderten Stammländer der muslimischen Welt. Ihre Bewohnerinnen und Be- wohner setzten der russischen Unterwerfung langen, letztlich jedoch vergeblichen Widerstand entgegen. Die russische Expansion fand aber auch im Fernen Osten statt und betraf vor allem das von vielen Seiten bedroh- te China. Russland gewährte China auch hohe Kredite, übernahm dafür aber die Kontrolle über die Zolleinnah- men. Wenig später „pachtete“ es die Halbinsel Liantung mit dem eisfreien Hafen Port Arthur. Im Zuge des „Boxeraufstandes“ wurde die Mandschurei besetzt. Die Niederlage im Krieg gegen Japan von 1904/05 brachte Russland aber einen entscheidenden Rück- schlag. Die südliche Mandschurei und die koreanische Halbinsel wurden nun japanisches Einflussgebiet. Japan – eine neue Großmacht in Asien 1860 begrüßte der amerikanische Schriftsteller Walt Whitman eine erste japanische Delegation in New York mit den Worten: Q Von Nippon übers Westmeer kommen höflich, mit Schwertern bewehrt, die dunkelwangigen Boten. Zurückgelehnt in offenen Kaleschen, barhäup- tig, unbewegt, ziehen sie heut’ in Manhattan ein. (Zit. nach: Osterhammel, Modernisierung Japans, 1989, S. 462) Seit der Mitte des 17. Jh. hatte sich Japan von der Au- ßenwelt abgeschlossen. Dies änderte sich erst im 19. Jh. wieder. 1853 zeigten amerikanische Schiffe in der Bucht von Tokio die Macht der USA, deren Ziel die Aufnahme von Handelsbeziehungen mit Japan war. Andere Mäch- te folgten bald nach. Mit dem Schicksal Chinas vor Augen setzten sich in Ja- pan trotz heftiger innerer Konflikte jene Kräfte durch, die für eine Öffnung des Landes und den Abschluss von Handelsverträgen waren. Es folgte eine Umgestaltung des Landes und seiner Gesellschaft „von oben“, die Ja- pan binnen weniger Jahrzehnte zur Großmacht werden ließ. Diese Entwicklung erfolgte jedoch nicht ohne in- nere Widerstände. Vor allem die ehemaligen Samurai verloren ihre gesellschaftliche und wirtschaftliche Stel- lung. Die Reformen setzten an die Stelle der alten feudalen Strukturen einen straffen staatlichen Zentralismus. Eine Landreform wurde durchgeführt, die den Bäuerinnen und Bauern bessere Besitzrechte einräumte. Die Zentral- gewalt spürten die Menschen im Dorf durch die Anwe- senheit landwirtschaftlicher Berater, besonders aber durch neue Steuern und die allgemeine Wehrpflicht. Das Schul- und Erziehungssystem wurde verstaatlicht. Auch eine Industrialisierung setzte ein. Diese Entwicklung nach europäisch-amerikanischen Vorbildern machte Japan bis 1890 zu einer wirtschaftlich aufstrebenden und militärisch mächtigen konstitutionel- len Monarchie. Anonym, Karikaturen aus der Zeitschrift „Jugend“, Jg. 1, Heft 7, vom 15. 2. 1896, S. 104. Der Text links lautet: „Lieutenant von Strehlau, frisch zur Schutztruppe in Afrika angekommen: „Nette Gegend soweit! –“ Der Text rechts lautet: „Da muss Ordnung rin!“ Erläutere, welche Stereotypen in den beiden Karikaturen in Bezug auf Deutschland und Afrika zum Ausdruck gebracht werden. Denke dabei auch an die mögliche Intention des Karikaturisten. Expansion – vom Kolonialismus zum Imperialismus 77 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum d s Verlags öbv

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