Zeitbilder 6, Schulbuch

Großbritannien – Welt- und Kolonialmacht Nach dem Verlust der Kolonien in Nordamerika zielte die britische Kolonialpolitik darauf ab, indirekten Ein- fluss zu gewinnen, den Freihandel zu fördern und der Industrie Märkte zu erschließen. Gleichzeitig bestanden in Großbritannien aber auch Strömungen, die nach ei- nem „Greater Britain“ strebten. Ägypten – Fallbeispiel für britischen Imperialismus Ägypten lag an der wichtigen Verbindung vom Mittel- meer nach Asien. Das Land besaß daher für Europas Großmächte, besonders aber für Großbritannien, das Indien beherrschte, große Bedeutung. Diese steigerte sich noch, als der 1869 fertig gestellte Suezkanal den Seeweg nach Indien und dem Fernen Osten wesentlich verkürzte. Für Ägypten entwickelte sich der Kanal aller- dings nicht zu einer Quelle des Reichtums. Die hohen Bau- und Kreditkosten hatten zu einer argen Verschul- dung bei europäischen Banken geführt. 1875 musste der Khedive (= Titel des Vizekönigs von Ägypten) die ägyp- tischen Anteile an der Suezgesellschaft verkaufen. Gleichzeitig versuchte er, die Zinsen für die bisherigen Anleihen durch neue Anleihen zu finanzieren. Dies er- wies sich vorerst vor allem für Europas Banken als gutes Geschäft, doch bald war eine Grenze erreicht. Unter dem Druck Großbritanniens und Frankreichs wurde Ägypten eine europäische Finanzaufsicht auferlegt. L Der europäischen Schuldenverwaltung wurden die vom ägyptischen Staate an die Gläubiger ab- getretenen Steuerquellen, gut 3/5 des gesamten Steueraufkommens des Landes, zur Verwaltung über- tragen. Sie stellte demgemäß gleichsam einen Staat im Staate dar, der die Staatsausgaben in weitem Maße kontrollierte. Um das Maß voll zu machen, wur- den der Regierung zwei Finanzfachleute aus Frank- reich und Großbritannien […] beigegeben, die der Khedive in seine Regierung aufnehmen musste. (Mommsen, Das Zeitalter des Imperialismus, 1969, S. 40) Erörtere mögliche Reaktionen, welche eine solche Politik im betroffenen Schuldnerland hervorrufen kann. Recherchiere dazu, welche Auflagen Schuldnerländer heute bekommen. Gegen diese Form des Finanzimperialismus entstand unter den Offizieren der Armee, deren Gehälter im Rückstand waren, und in der Bevölkerung Widerstand. Die Offiziere wollten ihr Land in einen unabhängigen Staat mit einer eigenen Verfassung umformen. Dies stieß jedoch bei den Regierungen in London und Paris auf Ablehnung. Die Krise führte zu einer militärischen Aus- einandersetzung, in deren Verlauf 1882 ein britischer Flottenverband die Befestigungsanlagen der Hafenstadt Alexandria beschoss und die mit der Niederlage der Aufständischen endete. In der Folge errichtete Großbri- tannien ein Regime, in dem alle wichtigen Positionen von britischen Beamten besetzt waren. Neben Suezkanal und Schuldensicherung war für das Vorgehen der Briten in Ägypten auch die Mächterivali- tät von Bedeutung. Denn auch die Franzosen hätten in Ägypten Fuß fassen können, nachdem sie 1881 bereits Tunesien annektiert hatten. Schon bald sollten es auch die Ölfunde sein, die das In- teresse der Industriestaaten auf den Nahen Osten zogen. Frankreich – die Republik betreibt Imperialismus In Frankreich entstanden Kolonialvereine, die in der Öf- fentlichkeit für eine aktive Kolonialpolitik Propaganda machten. Die Expansion erstreckte sich vor allem auf Nord- und Westafrika sowie auf Südostasien, wo große zusammenhängende Territorien unterworfen wurden. Des Öfteren wurden die Eroberungen von den Militärs vor Ort eigenständig vorangetrieben. Historikerinnen und Historiker sprechen daher auch vom militärischen Imperialismus Frankreichs. Nicht selten kam es hierbei zu Gegensätzen zwischen der Regierung und dem Ehrgeiz kolonialer Interessens- gruppen. Dies zeigte sich z. B. in der „Faschoda-Krise“ von 1898, als englische und französische Truppen am oberen Nil bei Faschoda zusammenstießen: Anonym, Marokko unter französischer Schutzherrschaft. Titelblatt von „Le Petit Journal“, Suppl. illustré, 22. Jg., Paris, 19. 11. 1911. Farbdruck. Die Titelseite der Pariser Zeitung „Le Petit Journal“ zeigt am 19. 11. 1911 „Marianne“, die Symbolfigur der französischen Nation. Im Text heißt es: „Frankreich wird Marokko Kultur, Wohlstand und Frieden bringen.“ Beschreibe die Bildquelle daraufhin, auf welche Weise „Marianne“ (Frankreich) und die Menschen aus Marokko dargestellt sind. Analysiere diese Darstellung und beurtei- le sie hinsichtlich des zum Ausdruck gebrachten Sendungsbewusstseins. 6. Die imperialistischen Mächte Expansion – vom Kolonialismus zum Imperialismus 75 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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