Zeitbilder 6, Schulbuch

Verschiedene Bevölkerungsgruppen Die Bevölkerung im 17. und 18. Jh. setzte sich zunächst weitgehend aus den gleichen Gruppen zusammen, wie sie aus der frühen Neuzeit be- kannt sind: Eine überwiegend länd- lich-bäuerliche Bevölkerung wird ergänzt um die städtisch-bürgerli- chen und städtisch-proletarischen Schichten. Den Ton aber gaben zu- nächst die Adeligen an. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung im 18. Jh. hat in den österreichischen Erblan- den nur etwa 0,2% betragen. Trotz- dem blieb diese kleine Gruppe noch bis zum Beginn des 20. Jh. die be- stimmende gesellschaftliche Gruppe. Der Adel verliert langfristig Seit dem 16. Jh. konnte der Adel sei- ne ritterlichen Pflichten den Bauern gegenüber – nämlich sie zu beschüt- zen und Recht zu sprechen – immer weniger wahrnehmen. Damit verlor er aber auch die Grundlage dafür, die Bauern für sich arbeiten zu lassen, sie auszubeuten. Die grundherrschaftli- che Gewalt wurde im Laufe des 18. Jh. durch die absoluten Herrscher zunehmend eingeschränkt. Noblesse oblige – vom Feudaladel zum Hofadel Es gab zwar nach wie vor eine feu- dale Herrschaft von adeligen Grund- herren über die Bauern. Die Macht- zentren lagen aber nicht mehr bei den einzelnen adeligen Grundherren (wie z.B. im Spätmittelalter und auch noch in der frühen Neuzeit). Sie wur- den im Verlaufe des 17. Jh. durch das eine Macht- und Herrschaftszen- trum beim Hof des Landesfürsten abgelöst. Der Hof war die Residenz des Herrschers. Der (landesfürstli- che) kaiserliche Hof in Wien „ver- sammelte“ die hohen Adeligen um sich, wie es in Paris bzw. Versailles der französische König von seinen französischen Adeligen verlangte. Aus diesem Grund spricht man vom späten 17. Jh. und vom 18. Jh. als dem „Zeitalter der höfischen Gesell- schaft“. Der kaiserliche Hof war in der Zeit der absolutistischen Herr- schaftsform zum Zentrum der Macht im Staat und damit auch zum Zen- Gesellschaften im Wandel trum der Tätigkeiten der Adeligen geworden. Einige wenige hohe Adelige besetzten die wichtigsten Positionen in der Verwaltung, in der Armee und in der Kirche. Sie nah- men Vertrauenspositionen am Hof ein und wurden damit zu den Ent- scheidungsträgern der Monarchie. Von altem und neuem Adel In den österreichischen Ländern umfasste die Hocharistokratie im 18. Jh. etwa 300 Fürsten- und Gra- fengeschlechter. Der alte Adel – wie die Familien Schwarzenberg, Diet- richstein, Liechtenstein, Starhem- berg etc. – spielte dabei die Hauptrolle. Die Adelsfamilien waren durch Heiraten – oftmals europa- weit – miteinander verflochten. Man heiratete, um Besitzansprüche zu sichern oder zu erwerben und um den Bestand der Dynastie zu erhal- ten. „Liebesheiraten“ hatten in die- sem Bestreben um Machtgewinn und Machterhalt kaum einen Platz. Neben den alten adeligen Familien wurden im Verlaufe des 18. und 19. Jh. vom Herrscher zahlreiche Familien in den Adelsstand erhoben. Dafür waren meist militärische Ver- dienste oder Verdienste in der Ver- waltung bei Hof, im 19. Jh. auch wirt- schaftlicher Erfolg ausschlaggebend. Die neuen Adeligen wurden auch als „zweite Gesellschaft“ bezeichnet: L Die „zweite Gesellschaft“ galt dem „echten“ Adel nur im Fal- le äußerster finanzieller Not als ebenbürtig. Als integrierender Faktor für die österreichisch-unga- rische Monarchie müssen aber die- se neu geadelten Beamten, Offizie- re, Bankiers und Industriellen be- sonders hervorgehoben werden. (Bruckmüller, Sozialgeschichte Österreichs, 2001, S. 329) Der Adel im Luxus und als Mäzen Das Streben nach Repräsentation bei Hof und auf ihren prachtvollen Schlössern, Luxusleben und auch Verschwendungssucht kennzeichne- ten das Leben vieler Adeliger. Die hohe Bildung, welche die meisten Adeligen genossen, führte aber auch dazu, dass nicht wenige von ihnen die Gedanken der Aufklärung auf- nahmen und weitertrugen. So wur- den Adelige nicht selten zu Trägern der Aufklärung (z. B. Gründung und Förderung von Freimaurerlogen, Schulen). Ferner taten sie sich als Kunstmäze- ne, vor allem in der Musik (Ester- házy) und in der Architektur, hervor. Der Bruch – die Grundentlastung 1848 Gegen Ende des 18. Jh. wurde die Auffassung von der Überlegenheit des Adels vor allem vom aufstreben- den Bürgertum nicht mehr akzep- tiert. Die Auffassung der Aufklärung von der Gleichheit der Würde des Menschen hat die Adelsherrschaft ins Wanken gebracht. Eine weitere Schwächung des Adels erfolgte durch die Grundentlastung der Bauern im Jahr 1848. Von nun an gab es auch keine adeli- ge Sondergerichtsbarkeit mehr. Bauern und Adelige waren vor Ge- richt gleichberechtigte Staatsbürger, auch wenn es z. B. um Grund- oder Pachtstreitigkeiten ging. Zwischen 1850 und 1860 endeten somit die letzten Reste der feudalen Gesell- schaft in Österreich. Trotzdem blieb der Einfluss des Adels im politischen System bis zum Ende der Monarchie (1918) bedeutsam. Erläutere die Vielfalt und die Verände- rung der Aufgaben des Adels vom 16. bis zum 19. Jh. Erörtere die Bedeu- tung des Adels für Kunst und Kultur. Die am Rande stehen Glänzende Feste und barocker Prunk sowie elegante Uniformen bestimmen häufig unsere Vorstel- lung von den letzten Jahrhunderten in der Monarchie. Das Elend eines großen Teils der Bevölkerung wird dabei häufig übersehen. Krankheiten, Seuchen und Hunger Die schlechte Ernährungslage mach- te die Menschen anfällig für Krank- heiten und Seuchen aller Art. − Die Pestepidemie von 1679 war noch in Erinnerung, als diese Seuche am Beginn des 18. Jh. Längsschnitt 56 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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