Zeitbilder 6, Schulbuch

hören. Calvins „Gottesstaat“ in Genf war demokratisch organisiert: Ein Kollegium aus Geistlichen und Laien- ältesten leitete die Kirchengemeinde. Diese wählte auch die Pastoren und Prediger. Die Kirchengemeinde über- wachte das tägliche Leben der Menschen: ob es im Haus friedlich zugeht, ob es Streit mit den Nachbarn gibt oder ob die Menschen regelmäßig die Kirche besuchen. Harm- lose Vergnügungen wie Tanz, Gesang und Theater waren verboten, verschwenderischer Lebenswandel, Fluchen, Karten- und Würfelspiel wurden streng bestraft. Es gab auch keine Toleranz gegenüber Andersgläubigen. Beurteile eine Kirche, die das tägliche Leben der Men- schen streng überwacht und harmlose Vergnügungen (Tanz, Kartenspielen etc.) verbietet und bestraft. Calvin predigt das Recht auf Widerstand Im Gegensatz zu Luther verpflichtete Calvin seine An- hänger nicht zu unbedingtem Gehorsam gegenüber der weltlichen Obrigkeit. Er forderte sogar aktiven Wider- stand, falls die Staatsgewalt die Gebote Gottes missach- ten und damit die Gläubigen in Gewissenszwang brin- gen sollte. Dieses von Calvin gepredigte Widerstandsrecht führte dazu, dass die Stände in vielen Ländern aktiv gegen die absoluten Herrschaftsansprüche der katholischen Fürs- ten und Könige kämpften. In Holland, England und Schottland konnte so die Ausbildung einer absoluten Monarchie verhindert werden. In Frankreich erhielten die Hugenotten (= Calvinisten) nach jahrzehntelangem Bürgerkrieg ihre Glaubensfreiheit. Der Calvinismus ver- breitete sich auch in Polen, Ungarn und Schottland. Ein Jahrhundert später kam calvinistisches (puritanisches) Gedankengut auch nach Nordamerika, wo es noch heu- te spürbar ist. Nenne Beispiele, wo das Recht auf Widerstand auch heute aktuell ist (in der Kirche, in der Politik, im täglichen Leben). Nimm dazu Stellung, wann für dich Widerstand erlaubt ist und wie weit er deiner Meinung nach gehen darf. Katholische Reform durch das Konzil von Trient Erst im Jahr 1545 begann das lang ersehnte Reformkon- zil der katholischen Kirche in Trient. Doch die Kluft zu den Lutheranern war bereits so tief, dass diese der Ein- ladung zum Konzil nicht mehr folgten. Sie wollten den Papst nicht mehr als Oberhaupt anerkennen. Das Konzil, das mit Unterbrechungen bis 1563 tagte, führte zur end- gültigen Spaltung von den Protestanten. Es hielt nämlich an den alten Glaubensgrundsätzen fest: – Heilige Schrift und Tradition (päpstliche und Konzilsbe- schlüsse) bilden gemeinsam die Glaubensgrundlage. – Geweihte Priester bleiben weiter Mittler zwischen Gott und Mensch. – Alle sieben Sakramente gelten als von Christus einge- setzt. – Erlösung durch die Gnade Gottes, aber auch durch gute Werke. – Im Tridentiner Glaubensbekenntnis wurde die Lehre zusammengefasst und ist bis heute gültig. Giovanni Battista Mariotti (um 1685–1765), Der Heilige Ignatius von Loyola vor dem Papst. Gemälde, Öl auf Leinwand, 120x160 cm, unda- tiert. Papst Paul III. bestätigte Ignatius von Loyola mit einer Bulle die Or- densregeln der Jesuiten, die sich persönlich dem Papst unterstellen. Eine Reihe von Verordnungen sollte die alten Missstän- de ausrotten. Es wurden verboten: – Kauf, Verkauf und Häufung kirchlicher Ämter; – der Ablasshandel; – die Priesterehe. Das Konzil erneuerte aber auch die Inquisition und schuf einen Index (= Verzeichnis) all jener Bücher, deren Lek- türe den Gläubigen untersagt wurde. Außerdem sollten Priesterseminare in jeder Kirchenprovinz eine bessere Ausbildung der Geistlichen garantieren. Neue Orden unterstützen die Gegenreformation Auch die Orden wurden in die Reform einbezogen: Die Klosterzucht wurde verschärft, neue Orden entstanden (z. B. Ursulinen, Piaristen, Barmherzige Brüder). Sie wid- meten sich vor allem der Krankenpflege und dem Schul- wesen. Die wirksamste Waffe im Kampf gegen die Reformation wurde der vom spanischen Adeligen Ignatius von Loyola (1491–1556) gegründete Jesuitenorden. Oberstes Or- densziel war, die abgefallenen Christen wieder in die katholische Kirche zurückzuführen und Ungläubige zu bekehren. Deshalb mischten sich die Jesuiten ohne Or- denstracht unters Volk. Sie kümmerten sich um eine or- dentliche Seelsorge und begeisterten die Gläubigen mit ihren Predigten. Sie erkannten – ebenso wie die evan- gelischen Landesfürsten – die große Bedeutung des Bil- dungswesens für die Religion. Die Jesuiten begannen daher, in Gymnasien und Universitäten Laien zu treuen Anhängern des katholischen Glaubens auszubilden. Unterstützt wurden die Jesuiten bei ihrer Arbeit von den katholischen Landesfürsten. An deren Höfen wirkten sie als Erzieher, Beichtväter und Diplomaten. So erlangten sie auch politischen Einfluss. Die zweite Aufgabe der Jesuiten war die Mission: Sie bekehrten Menschen in Ostasien, Afrika und Amerika zum Christentum. Die frühe Neuzeit – Europa im Wandel 25 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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