Zeitbilder 6, Schulbuch

6. Die Reformation – Auslöser der Sozialrevolution Der letzte Aufstand der Reichsritter Schon seit dem Spätmittelalter zeichnete sich der unauf- haltsame Niedergang des Kleinadels ab. Auf den Reichsta- gen verhandelten die Kaiser nur noch mit den Reichsstäd- ten und den Landesfürsten. Die Reichsritter hatten ihre Mitsprache verloren. Teilweise waren sie schon den Lan- desfürsten untertan und in deren Dienste getreten. Ihre große militärische Bedeutung als reitende Einzelkämpfer hatten sie verloren: Kriege wurden mittlerweile von Landsknechtheeren entschieden, die mit Handfeuerwaffen und Geschützen ausgerüstet waren. Viele der noch unab- hängig gebliebenen Ritter verlegten sich daher in kleinen, undisziplinierten Gruppen auf Straßenraub und Plünde- rung von Dörfern, Städten und Klöstern. Sie terrorisierten Arm und Reich mit Brandschatzung und Gewalttaten. Nur wenige Ritter, wie der Humanist Ulrich von Hutten, waren wirklich gebildet. Er unterstützte Luthers Forde- rung nach Abschaffung der kirchlichen Missstände und dessen Abkehr vom Papst. Gemeinsam mit dem Führer der rheinischen und schwäbischen Ritterschaft, Franz von Sickingen, wollte er die Macht der Fürsten und Reichsstädte brechen und die Kirche von der Vorherr- schaft Roms lösen. Die Reichsritterschaft sollte wieder zur wichtigsten Stütze einer starken, kaiserlichen Zen- tralgewalt werden. Doch weder Luther noch Kaiser Karl V. unterstützten dieses Vorhaben. Der Aufstand der Reichsritter (1522) gegen die „fetten Pfaffen“ und deren Söldnerheere war daher von Anfang an aussichtslos. Es verweigerten nämlich auch viele Rit- ter ihre Unterstützung. Sie hatten sich von ihren Fürsten einschüchtern lassen, die mit dem Entzug der Lehen drohten. So endete der letzte Aufstand der Reichsritter mit einer Niederlage auf allen Linien. Sie hatten ihre Rolle als Träger des Feudalstaates endgültig ausgespielt. Die Bauernaufstände haben viele Ursachen Schon in den letzten Jahrzehnten des 15. Jh. und auch zu Beginn des 16. Jh. gab es in verschiedenen Gebieten des Heiligen Römischen Reiches zahlreiche kleinere Aufstände unzufriedener Bauern. Die Ursachen dafür waren überall ähnlich: – wirtschaftliche Schwierigkeiten durch ständig stei- gende oder neue Abgaben und durch Missernten; – der Ausschluss vom politischen Leben sowie die Ab- schaffung der Selbstverwaltung in den Dörfern; – Rechtlosigkeit und Rechtsunsicherheit durch den Ein- satz landesfürstlicher Amtleute, die nach dem „neu- en“, unbekannten römischen Recht urteilten; – neue religiöse Ideen, die ein gerechteres und erfüllte- res Leben erwarten ließen. Der falsch verstandene Luther Luthers neue Lehre, die bald auch im entlegensten Dorf verkündet wurde, verstärkte die Unzufriedenheit der Bauern. In einem Brief forderte Luther 1523 die Fürsten auf, die Forderungen der Bauern zu überprüfen und Missstände abzustellen („Ihr müsst anders werden!“). Er galt den Bauern und den städtischen Unterschichten als Vorbild. Er hatte nämlich bewiesen, dass man geistlichen und weltlichen Autoritäten erfolgreich Widerstand leisten konnte. Luther hatte in seiner Schrift „Von der Freiheit des Christenmenschen“ festgestellt: „Ein Christen- mensch ist ein freier Herr und niemandem untertan.“ Diese Aussage bezogen die unteren Schichten – im Ge- gensatz zu Luther – nicht nur auf den Glauben, sondern auch auf ihre politische und soziale Situation. Daher for- derten z. B. die Bauern die Abschaffung der Leibeigen- schaft sowie eine Senkung der Abgaben und Dienste für die Grundherrn. Mancherorts fassten sie ihre Forderun- gen auch schriftlich zusammen (vgl. S. 22 f.) Im Reich beginnt der große Bauernkrieg Der Adel war nicht bereit, die anfangs friedlich vorge- tragenen Wünsche der Bauern anzuerkennen. Im Früh- jahr 1525 kam es daher zu zahlreichen Aufständen, de- nen sich auch arme Stadtbewohner und Bergleute an- schlossen: in Süddeutschland, Tirol, Salzburg und in der Steiermark. Kleinere Erhebungen gab es auch in Ober- und Niederösterreich. Mit Sensen, Sicheln, Keulen, Äxten, Spießen und Mor- gensternen zogen „Haufen“ von Bauern durchs Land. Sie eroberten Burgen und kleinere Städte, setzten Klös- ter in Brand, machten Kriegsbeute und töteten auch Adelige, wenn sie ihnen in die Hände fielen. Martin Luther war Anstoß und Vorbild für viele der Auf- ständischen. Doch er wies jede Schuld von sich, die Bau- ern zur Rebellion angestachelt zu haben. Im Gegenteil, nun forderte er die Adeligen zur Niederschlagung der Bauernaufstände auf. In seiner Schrift „Wider die mör- derischen und räuberischen Rotten der Bauern“ heißt es: Q […] Denn Aufruhr ist nicht einfacher Mord, son- dern wie ein großes Feuer, das ein Land anzün- det und verwüstet; so bringt Aufruhr mit sich ein Land voll Mords, Blutvergießen und macht Witwen und Waisen […] Drum soll hier erschlagen, würgen und stechen […], wer da kann, und daran denken, dass nichts Giftigeres, Schädlicheres, Teuflischeres sein kann als ein aufrührerischer Mensch. (Zit. nach: Dickmann, Geschichte in Quellen 3, München, 1982, S. 154, bearb. d. A.) Österreich: anfängliche Erfolge der Bauernheere Zu Beginn der Aufstände feierten die Heere der Bauern einige militärische Erfolge. Häufig wurden sie dabei von Bergknappen (z.B. aus dem Enns- oder Gasteinertal, aus dem steirischen Eisenerz oder aus Schwaz in Tirol) un- terstützt. Diesen Heeren gelang es z. B., die Residenz des Erzbischofs in Salzburg oder die steirische Bergbaustadt Schladming zu besetzen. Hier wurde auch das Heer des Landeshauptmannes vernichtend geschlagen. Diese Erfolge veranlassten auch die österreichischen Landesfürsten und den Adel, größere Söldnerheere auf- zustellen und diese gegen die Aufständischen in die Schlacht zu schicken. 20 Nur zu Prüfzw cken – Eigentum d s Verlags öbv

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