Zeitbilder 6, Schulbuch

werken. Eine gänzlich neue Einkommensquelle bildete für die Unternehmer aber das „Verlagssystem“. Das Verlagssystem: Handwerksmeister werden abhängig Mit der neuen Wirtschaftsentwicklung konnten die klei- nen städtischen Handwerker und Gewerbetreibenden nicht mithalten. Sie hatten nur wenig Kapital und einen relativ kleinen Kundenkreis, der kaum über das Umland einer Stadt hinausreichte. Seit dem 15. Jh. nahmen ka- pitalkräftige Unternehmer den Absatz der Handelswa- ren in ihre Hände. Sie erweiterten den Markt über die Stadt- und Landesgrenzen hinaus und sorgten dafür, dass die verschiedenen Handwerksbetriebe einer Stadt große Mengen gleicher Güter produzierten. Die reichen Handelsherren übernahmen deshalb bald auch den Ein- kauf der Rohstoffe im Großen, ließen bei den einzelnen Handwerkern gegen einen bestimmten (billigen) Preis produzieren und verkauften dann die (teuren) Fertigwa- ren mit großem Gewinn. Der Händler war damit zum „Verleger“ der Waren geworden. Viele selbstständige Handwerksmeister jedoch waren zu lohnabhängigen Heimarbeitern abgesunken. „Preisrevolution“ statt „gerechter Preis“ In der Bevölkerung wurde die Kritik an der ungehemm- ten Gewinnsucht der Gesellschaften immer lauter. Vor allem die Monopolstellung einzelner Firmen erregte den Unmut der Menschen. So besaß z. B. das damals reichste Unternehmen der Welt, die Familie Fugger aus Augsburg, alle europäischen Kupferbergwerke und konnte so den Preis diktieren. Das entsprach aber gar nicht der christlichen Vorstellung vom „gerechten Preis“. Danach sollten Produzenten und Händler nicht mehr verdienen, als sie nach Abzug von Unkosten für ein standesgemäßes Leben brauchten. Die „Großen“ aber wurden allein dadurch immer reicher, dass sie das Geld für sich arbeiten ließen, während sich die „Klei- nen“ für ihr Geld immer weniger kaufen konnten. Die Handelsherren argumentierten dagegen, dass sie ihren Gewinn ohnehin wieder in neue Geschäfte investierten und auf diese Weise weitere Arbeitsplätze schufen. Au- ßerdem würden sie durch ihre Handelstätigkeit den Kleinproduzenten die Absatzmärkte sichern. Schließlich fasste der Reichstag 1522/23 den Beschluss, dass Gesellschaften mit mehr als 50 000 Gulden Kapital aufgelöst und Höchstpreise für Lebensmittel eingeführt werden sollten. Doch zu viele Fürsten und Reichsstäd- te, allen voran aber der Kaiser, waren von den großen Gesellschaften finanziell abhängig. Sie machten den Reichstagsbeschluss wieder rückgängig und ließen den Großkonzernen weiter freie Hand bei ihren Geschäf- ten. Das Heilige Römische Reich wurde in der Zeit des Früh- kapitalismus zu einer führenden Wirtschaftsnation. Die Masse der Untertanen aber spürte von diesem Auf- schwung wenig. Sie konnte sich kaum das Lebensnot- wendigste leisten. Denn die Preise waren seit Beginn des 16. Jh. den Löhnen davongeeilt. Handelshaus Expeditionen Filialen (Kontore, Faktoreien) Ankauf und Verkauf von Rohstoffen, Gewürzen und Fertigwaren Einzelverkauf über Land Märkte – Messen im In- u. Ausland Kreditvergabe Transport und Verkauf Investitionen Gewinn Handelshäuser (Darlehen) (Beteiligungen) Handwerker im Stücklohn Heimarbeiter Hammerwerke und Mühlen Bergwerke und Hütten Banken (Darlehen) Handelshaus Verkauf Geldverleih Verlag (Legge) Verleihung der Nutzungs- rechte Fürsten Könige Beschreibe mit Hilfe dieses Schaubildes die Funktions- weise eines frühkapitalistischen Handelshauses sowie des Verlagssystems. Ermittle, in welchen Wirtschaftszweigen es gegenwärtig noch Monopolbetriebe gibt und wer sie besitzt. Amerikanisches Silber „überschwemmt“ Europa Schuld an diesem Preisanstieg war vor allem das größte Silberbergwerk der Welt, das die Spanier um die Mitte des 16. Jh. in Bolivien entdeckten. Von dort setzte eine „Silberschwemme“ nach Europa ein, die den Silber- geldumlauf und damit die Inflation (= sinkende Kauf- kraft des Geldes) stark ansteigen ließ (Einfuhr: 1540– 1550 ca. 17,5 t; 1590–1600 ca. 270 000 t). Unter den Preissteigerungen litten besonders die vielen schlecht bezahlten Lohnarbeiterinnen und Lohnarbeiter. Viele von ihnen konnten nur überleben, weil sie am Tisch des Arbeitgebers essen und in seinem Hause woh- nen durften. Da die europäische Bevölkerung seit 1500 ständig zu- nahm, stieg auch die Nachfrage nach Nahrungsmitteln, und das trieb die Preise kräftig in die Höhe: Brot kostete um 1600 etwa vier Mal mehr als um 1500 – bei nur wenig gestiegenen Löhnen. Die Armut traf besonders die städ- tischen Unterschichten. Gewinner dieser Entwicklung waren jedoch all jene, die Waren produzierten oder mit ihnen handelten. Fragen und Arbeitsaufträge 1. Fasse die Neuerungen in der Geldwirtschaft und im Zah- lungsverkehr zusammen und stelle sie in einer Übersicht dar. 2. Ermittle die Inflationsrate in Österreich während der letzten Jahre und skizziere Gründe für eine Inflation heute. Die frühe Neuzeit – Europa im Wandel 15 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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