Zeitbilder 6, Schulbuch

3. Der Frühkapitalismus – eine neue Wirtschaftsform Italien – Heimat des „modernen“ Geld- und Kreditwesens Seit der Zeit Karls des Großen waren in West- und Mit- teleuropa fast ausschließlich Silbermünzen im Umlauf. Erst ab Mitte des 13. Jh. wurden in Florenz (Florentiner), Genua und Venedig (Dukaten) Goldmünzen geprägt. Sie ermöglichten einen „internationalen Zahlungsver- kehr“ mit Konstantinopel und den Arabern, die mit Goldmünzen zahlten. Für den rasch wachsenden Han- del war Geld dennoch in viel zu geringer Menge vorhan- den. Dazu kam noch, dass eine chaotische Münzenviel- falt herrschte. Jeder Münzherr prägte sein eigenes Geld, das durch Verringerung des Edelmetallgehalts noch dazu häufig verschlechtert wurde. Daher entstand schon während der Kreuzzugszeit in Venedig der Beruf des Geldwechslers. Er kontrollierte auf einem Tisch (ital. banca) die verschiedenen Münzen auf Feingehalt und Gewicht und tauschte sie dann – selbstverständlich mit Gewinn – ein. Wegen des hohen Risikos, bare Münze in großen Mengen auf Handelsrei- sen mit sich führen zu müssen, ging man bald auf schrift- liche Zahlungsanweisungen (= Wechselbriefe) über. Da- raus entwickelte sich schließlich der heute selbstver- ständliche bargeldlose Zahlungsverkehr. Schwieriger gestaltete sich die Ausbildung des Kredit- oder Darlehenswesens. Obwohl sich die Päpste selbst immer Geld ausborgten, verbot die Kirche ihren Gläubi- gen noch immer das Verborgen von Geld gegen – meist hohe – Zinsen. Im Mittelalter betrieben allein die Juden Anonym, Fugger mit seinem Buchhalter Matthäus Schwarz. Miniatur (nachträglich koloriert) aus: Trachtenbuch des Matthäus Schwarz, ca. 1519. Beschreibe dieses Bild und erläutere seine mögliche Aussage. das Geldgeschäft. Nun aber umgingen auch christliche Bankiers immer geschickter dieses Verbot: Sie ließen sich Grundstücke, Bergwerke oder Waren als Pfand für ein Darlehen (Kredit) übertragen. Seit Beginn der Neu- zeit aber verrechneten sie ganz offen Zinsen. Um all diese Geschäfte tätigen zu können, musste ein Kaufmann lesen, schreiben sowie vor allem rechnen und kalkulieren lernen. Eine wesentliche Erleichterung bot dabei das Rechnen mit arabischen Ziffern anstelle der komplizierten römischen. Dem Briefwechsel mit den Ge- schäftspartnern folgten schon im 14. Jh. Aufzeichnun- gen über die eigenen Geschäfte (Buchführung). Quentin Massys, Der Geldwechsler und seine Frau. Gemälde, Öl auf Holz. 1514. Zähle einige Fachbegriffe aus dem heutigen Bankgeschäft auf und erkläre sie. Große Gesellschaften lassen das Kapital „arbeiten“ Für die Ausbildung des frühen Kapitalismus war neben dem Ausbau des Geldwesens eine gut organisierte und auf große Mengen ausgerichtete Warenproduktion not- wendig. Dazu brauchte man aber auch einen neuen Un- ternehmertyp bzw. neue Unternehmensformen. Das Ge- schäftsleben entwickelte sich nämlich zum brutalen Wettbewerb, der Gewinn wurde zum Maß aller Dinge. Nur selten reichte das Kapital eines Einzelnen aus, um ein großes Geschäft aufzubauen. Deshalb verwendete man die Einlagen von Verwandten oder auch von Frem- den zum Aufbau von Kapitalgesellschaften. Im Gegen- satz zu früher machte ein „modernes“ Unternehmen Geschäfte jeder Art: Neben dem Verleih von Boden zo- gen die Kaufleute ihren Gewinn aus dem Geld- und Wa- renhandel. Sie vergaben Anleihen an Fürsten und Köni- ge und investierten auch in den Ausbau von Berg- 14 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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