Zeitbilder 6, Schulbuch
17. Neue Nationalstaaten entstehen Neben der Verfassungsentwicklung, der Industrialisie- rung und dem Imperialismus gehörten nationale Bewe- gungen und die Bildung von Nationalstaaten zu den grundlegenden Entwicklungen im 19. Jh. In Griechenland begann 1821 der Krieg um die Unab- hängigkeit von der osmanischen Vorherrschaft. Mit bri- tisch-französisch-russischer Unterstützung führte er 1829 zum Erfolg. In Polen brach 1830 ein Aufstand aus. Der polnische Frei- heitskampf unterlag jedoch der einrückenden russischen Armee. Viele der Aufständischen wurden verhaftet und nach Sibirien verbannt oder gingen ins Exil. Ein selbst- ständiger polnischer Staat entstand erst wieder 1918. „Italien den Italienern“ Italien war staatlich zersplittert. Im Norden gehörten die Lombardei und Venetien zum Herrschaftsbereich der Habsburger. Das Königreich beider Sizilien im Süden wurde von den Bourbonen regiert. Dazwischen lagen der große Kirchenstaat und einige Fürstentümer, die von Angehörigen des österreichischen Kaiserhauses regiert wurden. Nur im Königreich Piemont-Sardinien im Nord- westen war eine einheimische Dynastie an der Macht. Schon 1831 gründete der italienische Nationalist Guisep- pe Mazzini im Exil die Gruppe „Junges Italien“ mit dem Ziel, die Halbinsel politisch zu einigen. Im Jahr 1848 bra- chen regionale Aufstände aus, die ebenfalls einen ein- heitlichen Nationalstaat zum Ziel hatten. Die Aufstände scheiterten, die Idee der Einigung blieb jedoch bestehen. An die Spitze der nationalen Bewegung stellten sich Kö- nig Viktor Emanuel II. von Piemont-Sardinien und sein Ministerpräsident Camillo Cavour. Sie suchten für ihr Ziel der Einigung Italiens Rückhalt bei Großbritannien und Frankreich. Cavours Politik war vor allem gegen Ös- terreich gerichtet, das Ober- und Mittelitalien beherrsch- te. 1859 begann ein Krieg, der nach zwei Niederlagen für Österreich mit dem Verlust der Lombardei endete. In Italien nahm der Druck der nationalen Bewegung nun immer mehr zu. Aufstände und Volksentscheide erzwan- gen in Mittelitalien die Vereinigung mit Piemont-Sardi- nien. 1860 landete von Genua kommend Guiseppe Ga- ribaldi mit einer Schar von Freiwilligen auf Sizilien. Sein „Zug der Tausend“ durch Sizilien und Unteritalien führ- te zum Sturz der bourbonischen Monarchie. 1861 wurde der Norden und Süden zum Königreich Ita- lien vereinigt. In Etappen folgte dann die Eingliederung jener Gebiete, die noch fehlten. Als die zum Schutz des Papstes stationierten französischen Truppen 1870 aus Rom abrückten, zogen italienische Verbände dort ein. Vom Deutschen Bund zum Deutschen Reich Der 1815 gegründete Deutsche Bund entsprach nicht den Vorstellungen, die viele von einem geeinten Deutschen Reich hatten. So blieben trotz Unterdrückung in der Zeit der Restauration nationale Strömungen erhalten. Sie tra- ten 1832 auf dem Hambacher Volksfest deutlich zu Tage. M o d e n a Bozen Trient Udine Venedig Triest Fiume Mailand Genua Nizza Aosta Turin Bologna Florenz Ancona Rom Neapel Bari Tarent Reggio Messina Palermo Marsala Solferino Magenta 1860 franz. 1860 franz. 1860 1859 (1859) S c h w e i z Savoyen Lombardei Parma Fsm. Monaco Ve n e t i e n Toskana 1859 1859 1859 1866 1861 1860 Pontecorvo Benevent Korsika P i e m o n t Ungarn K s r. Ö s t e r r e i c h - Kgr. Sardinien Rep. San Marino Kgr. Sardinien Sizilien Königreich beider K i r c h e n s t a a t Lissa A d r i a t i s c h e s M e e r T y r r h e n i s c h e s M e e r T i b e r P o 0 250 300 350 km 200 150 100 50 Die im Reichsrat vertretenen Königreiche u. Länder Länder der ungarischen Krone bis 1859/66 habsburgisch 1861 zum Kgr. Italien 1866-71 zum Kgr. Italien Aufstand Schlachtort Die staatliche Zersplitterung Italiens und die Einigung. Während die nationale Bewegung politisch ihrem Ziel nicht näher kam, vollzogen sich im Bereich der Wirt- schaft Entwicklungen, die eine wichtige Vorstufe zur Einigung darstellen sollten. Unter Preußens Führung, der wirtschaftlich stärksten Macht im Deutschen Bund, wurde 1834 der „Deutsche Zollverein“ gegründet. Diese Vereinigung, der Öster- reich nicht angehörte, beseitigte die vielen Zölle, die zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten des Deutschen Bundes bestanden. Der deutsche Nationalökonom Friedrich List verband mit dem Zollverein aber auch noch andere Ziele. Er schrieb 1841: Q Der Zollverein und das Eisenbahnwesen sind sia- mesische Zwillinge; sie […] unterstützen sich wechselseitig, streben […] nach Vereinigung der deutschen Stämme zu einer großen und gebildeten, zu einer reichen, mächtigen und unantastbaren Nati- on. […] Das deutsche Eisenbahnsystem wirkt […] auch […] als Stärkungsmittel des Nationalgeistes; denn es vernich- tet die Übel […] des provinziellen Eigendünkels und Vorurteils. (List, Das nationale System der politischen Ökonomie, 1841, S. 42 f.) Von der Aufklärung bis zum Ersten Weltkrieg 135 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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