Zeitbilder 6, Schulbuch
15. Der Liberalismus – Forderungen und Umsetzung Die in diesem Kapitel präsentierten Materialien sowie die im Kapitel 14 „Politischer und wirtschaftlicher Liberalismus“ (S. 128–130) vorgestellten Text- und Bildquellen (Smith, S. 129 f.; Karikatur, S. 128) dienen dazu, die Historische Metho- denkompetenz weiterzuentwickeln. Es sollen die in den Origi- nalquellen zum Ausdruck gebrachten Vorstellungen und ver- wendeten Begriffe des Liberalismus mit späteren Darstellun- gen von Historikern und Politikwissenschaftern zu diesem Thema (M2, M3, M4) verglichen werden. Diese Arbeitsschritte fördern auch die Entwicklung von Teilkom- petenzen der Politischen Handlungskompetenz – z. B. sich eine eigene Meinung zu bilden, Werturteile und Interessen zu artiku- lieren und zu vertreten. M1 Der Liberale Benjamin Constant de Rebecque schrieb 1815 in „Über die individuelle Freiheit“: Diese Freiheit ist in der Tat das Ziel einer jeden menschlichen Gemeinschaft: Auf sie stützt sich die öffentliche und private Moral, auf ihr beruhen alle Berechnungen von Handel und Gewerbe; ohne sie gibt es für die Menschen keinen Frieden, keine per- sönliche Würde, kein Glück. (Zit. nach: Pelzer, Freiheit, aber für wen? In: Die Zeit. Welt- und Kultur- geschichte Bd. 10: Zeitalter der Revolutionen, 2006, S. 160) M2 Iring Fetscher, Politikwissenschafter: Liberalismus: Fassen wir zusammen: Der Liberalismus ist die Ideologie des aufsteigenden Bürgertums. Er drückt sich auf politischem Gebiet durch das Ideal des „minimal state“ aus, einer Staatsgewalt, die durch „checks and balances“, Beschränkungen und Gegengewichte, daran gehindert wird, stärker als un- bedingt nötig ins Leben der einzelnen einzugreifen. Der Staat wird im Übrigen auf religiösem, weltan- schaulichem und ethischem Gebiet zu strikter Neu- tralität verurteilt […]. Auf kulturpolitischem Gebiet tritt der Liberalismus für eine Trennung der Kirche vom Staat und vollstän- dige Gewissens- und Meinungsfreiheit ein. Religion ist für ihn „Privatsache“ (so auch später für die Arbei- terparteien). Auch auf kulturellem Gebiet soll „freier Wettbewerb“ stattfinden und jeder seine idealen Vor- stellungen und Entwürfe entwickeln können. (Fetscher, Politische Ideen in der jüngeren Geschichte. In: Fetscher, Münkler (Hgg.), Politikwissenschaft. Begriffe – Analysen – Theorien. Ein Grundkurs, 1985, S. 40–42) M3 Thomas Meyer, Politikwissenschafter: Wovon geht der wirtschaftliche Liberalismus aus? Nach liberaler Auffassung wird den Grundwer- ten der Gleichheit und Freiheit nur eine Wirt- schaftsverfassung gerecht, die die freie Verfügung des Individuums über sein privates Eigentum an Pro- duktionsmitteln mit einem allein durch Vertragsfrei- heit und Wettbewerb regulierten Markt verbindet […]. Der Staat hat lediglich das Eigentum und die Funktionsfähigkeit des Marktes zu garantieren, sich aber jeder Einmischung in das Wirtschaftsleben zu enthalten. (Meyer, Was ist Politik?, 2000, S. 138–139) M4 Der Historiker Christoph Nonn zu Höhepunkt und Niedergang des Liberalismus: Zwischen etwa 1850 und 1880 hatte sich [der Li- beralismus] auf dem Höhepunkt seines Einflusses befunden. Wo es in Europa während dieser Zeit schon eine öffentliche Meinung gab, die sich in Presse und Politik frei äußern konnte, wurde sie meist von den Liberalen gemacht. Liberale Parteien dominierten die europäischen Parlamente oder spielten in ihnen zu- mindest eine wichtige Rolle. Liberaler Druck hatte die absolute Monarchie ebenso wie adelige und kirchli- che Privilegien in West- und Mitteleuropa zurückge- drängt […]. Doch ab ungefähr 1880 verdichteten sich die Anzeichen für Verfall und Niedergang des Libera- lismus […]. […] Viele der seit Anfang des 19. Jahrhunderts vom Liberalismus vertretenen Ziele – Gleichheit vor dem Gesetz, Rechtsstaat, Verfassungen, individuelle Frei- heitsrechte – hatten am Ende des Jahrhunderts unter Europäern soviel an Attraktivität gewonnen, dass sie sich allgemeiner Akzeptanz erfreuten […]. (Nonn, Das 19. und 20. Jahrhundert. Orientierung Geschichte, 2007, S. 139–141) Fragen und Arbeitsaufträge 1. Arbeite grundsätzliche Begriffe und Vorstellungen des Li- beralismus aus den originalen Quellen von Smith (S. 129 f.) und M1 heraus und halte diese fest. 2. Beschreibe die Karikatur (S. 128) hinsichtlich zentraler Kri- tikpunkte des Liberalismus am Obrigkeitsstaat. Notiere die- se Kritikpunkte und ergänze damit die Notizen zu A1. Beur- teile die Aussagekraft und Wirkung einer Bildquelle im Ver- gleich zu Textquellen. 3. Arbeite die Verwendung und Beurteilung grundsätzlicher Begriffe und Vorstellungen des Liberalismus anhand der Darstellungen M2 und M3 heraus. Notiere die Ergebnisse. 4. Vergleiche die Ergebnisse von A1, A2 und A3 daraufhin, wie die grundsätzlichen Begriffe und Vorstellungen in M1, M2, M3 und M4 zum Ausdruck gebracht werden. Halte die Ergebnisse fest. Vergleicht diese in der Klasse und disku- tiert sie. 5. Beurteile ein Grundprinzip des Liberalismus: So wenig Staat wie nötig, so viel politische Mitwirkung (Partizipation) wie möglich. Diskutiert dessen Aktualität. 6. Diskutiert anhand von M4 Gründe für den Niedergang des politischen Liberalismus aus historischer Perspektive. 131 Kompetenztraining Historische Methodenkompetenz Die in Darstellungen der Vergangenheit verwendeten Quellenaussagen mit historischen Originalquellen vergleichen Nur zu Prüfzwecken – Eigentu des Verlags öbv
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