Zeitbilder 6, Schulbuch

In Großbritannien begannen sich die Arbeiterinnen und Arbeiter bereits gegen Ende des 18. Jh. zu organisieren. Sie wollten so ihre soziale Lage verbessern und ihre In- teressen gegenüber den Unternehmern besser durchset- zen. Anfangs richteten kleine Gruppen in ihren Betrie- ben Hilfsfonds für Bedürftige ein (z. B. für kranke oder verunglückte Kolleginnen und Kollegen). Bald aber schlossen sie sich zu größeren Vereinigungen zusam- men, um gemeinsam bessere Arbeitsbedingungen (z. B. höhere Löhne, Verkürzung der Arbeitszeit) zu erreichen. Das waren die Vorläufer unserer heutigen Gewerkschaf- ten. Sie waren durchaus kämpferisch und manchmal auch gewalttätig, wenn ihre Forderungen von den Un- ternehmern abgelehnt wurden: Als Kampfmittel dienten ihnen der Streik und andere spontane Protestaktionen sowie der Sturm auf die Maschinen. Gewerkschaften kämpfen um bessere Bedingungen Obwohl die Regierung solche Arbeitervereinigungen mit Strafandrohung untersagte (= Koalitionsverbot, 1799) und immer wieder Polizei mit brutaler Gewalt Arbeiter- demonstrationen zerschlug, nahm die Zahl dieser „Trade Unions“ zu. Bald nach Aufhebung des Koalitionsverbotes (1824) gab es in England die ersten Versuche zur Bildung von Gewerkschaften (z. B. Robert Owen, 1834). Trotz der gesetzlichen Anerkennung wurde ihre Arbeit immer wieder behindert: von Unternehmern (durch Aussper- rung ihrer Mitglieder aus den Betrieben), von der Staats- macht (durch einschränkende Bestimmungen) und von den Gerichten (deren Gesetzesauslegung meist gegen die Gewerkschaften gerichtet war). Dennoch konnten diese in der zweiten Hälfte des 19. Jh. ihre Hauptforde- rungen schrittweise durchsetzen: Verringerung der Ar- beitszeit, Einschränkung der Frauen- und Kinderarbeit, bessere Löhne sowie das Recht auf Streik. Doch erst seit Beginn des 20. Jh. konnten sich die Gewerkschaften in ihrer Tätigkeit frei und ungehindert entfalten. Sie waren mittlerweile zu Massenorganisationen angewachsen. Arbeiterparteien wollen politische Mitbestimmung Neben der Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedin- gungen strebte die britische Arbeiterschaft aber auch eine politische Mitsprache und Vertretung an. 1838 wur- de die Bewegung der Chartisten (charter = Urkunde) gegründet. Sie forderten vor allem ein allgemeines, glei- ches und geheimes Wahlrecht für alle Männer. Die Gründung der „Labour Party“ erfolgte in Großbritan- nien jedoch relativ spät (1900). Da hatten sich in Deutsch- land (1869) und Österreich (1888/89) schon längst ein- heitliche Arbeiterparteien gebildet. Wichtig war den Arbeitervertretern aber auch die internationale Zusam- menarbeit, wie sie Karl Marx schon Jahrzehnte früher eingeleitet hatte. Wie Unternehmer die „Soziale Frage“ zu lösen versuchen Es gab nur wenige Unternehmer, welche die „Soziale Frage“ zu lösen versuchten. Diese einsichtigen und fort- Anonym, Der Streik. Kolorierter Holzstich, 1893. Beschreibe die Szene auf diesem Bild. Benenne die Hauptakteure und die Randfiguren und, woran man sie erkennen kann und was sie tun. Erörtere, welche Absicht der Maler mit diesem Bild verfolgt haben könnte. Schildere die Gefühle, die es in dir auslöst. Österreichische Arbeiterbewegung – Daten und Fakten 1848: Höhepunkt der Maschinenstürmerei in Österreich 1867: Vereins- und Versammlungsrecht für Arbeiter 1870: Arbeiter erhalten das Koalitions- und Streikrecht 1883: Einsatz von Gewerbeinspektoren zur Abschaffung von Missständen in Fabriken und Gewerbebetrie- ben 1885: Einführung des 11-Stunden-Tages; Verbot der Fab- riksarbeit für Kinder unter 14 Jahren 1888: 1. Krankenversicherungsgesetz 1889: 1. Unfallversicherungsgesetz 1896: 1. Kollektivvertrag (= Arbeits- und Lohnvertrag) für Arbeiter schrittlichen Arbeitgeber erkannten, dass Reformen zur Behebung der drückenden sozialen Missstände unbe- dingt notwendig waren. Dadurch erwarteten sie sich vor allem eine bessere Motivation und eine größere Betriebs- treue ihrer Arbeiterinnen und Arbeiter. Eine Änderung der Eigentumsverhältnisse, wie es die Vertreter der Ar- beiter verlangten, wollten sie aber keineswegs zulassen. Diese Unternehmer hatten ihr Vorbild im alten Feudal- system: Dort herrschte der Patriarch absolut über Haus oder Betrieb, kümmerte sich aber auch um das soziale Wohl seiner Untergebenen. Auch in der großen Be- triebsfamilie sollten anstelle der Entfremdung und An- onymität die persönlichen Beziehungen zwischen Fa- briksherren und den vielen Untergebenen wiederherge- stellt werden. Keine politische Beteiligung für Arbeiterschaft Die Arbeitgeber betrachteten die Gewerkschaftsfunk- tionäre und Arbeitervertreter als „Aufwiegler von drau- ßen“. Diese würden die Belegschaft zu unbedachten oder gar kriminellen Handlungen verführen. Politische Betätigung der Arbeiterinnen und Arbeiter wurde von den Unternehmern durchwegs abgelehnt. Der Großin- dustrielle und Eisenproduzent Alfred Krupp riet deshalb seiner Belegschaft: 122 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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