Zeitbilder 6, Schulbuch

9.2 Die „Zweite Industrielle Revolution“ Die Nutzung der Dampfkraft war der wesentlichste An- trieb zur „Ersten Industriellen Revolution“. Die Nutzung der elektrischen Energie in der zweiten Hälfte des 19. Jh. sorgte für den zweiten bedeutenden Wachstums- schub in den jungen Industrieländern. Dazu kamen noch bedeutende Erfindungen in der chemischen und opti- schen Industrie – und am Ende des Jahrhunderts der Verbrennungsmotor. Neben Kohle und Eisen wurde ein neuer Rohstoff wichtig: das Erdöl. Die Erfindungen die- ser „Zweiten Industriellen Revolution“ wurden in einem viel höheren Tempo wirtschaftlich verwertet und führten zur Bildung neuer Großindustrien. England war in der ersten Industrialisierungswelle die führende Nation der Welt. Ab 1880 nahmen die USA und das Deutsche Reich die Spitzenpositionen ein. Die „Revolution“ im Nachrichtenwesen Schon im 18. Jh. war der elektrische Strom entdeckt worden, wurde aber technisch nicht genutzt. Bedeutend wurde seine Verwendung zuerst im Nachrichtenwesen: Der Amerikaner Samuel Morse erfand 1837 einen elek- tromagnetisch gesteuerten Schreib-Telegrafen, mit dem Nachrichten per Draht sekundenschnell über größte Entfernungen „transportiert“ werden konnten. Graham Bell konstruierte 1872 das erste Telefon, dem bald die drahtlose Telegrafie folgte. Geschäftsleute, Politiker und Journalisten profitierten von diesen revolutionären Er- findungen. Diese beschleunigten die Kommunikation zwischen den Großstädten der damaligen Welt in einem bis dahin unvorstellbaren Maß. Vom elektrischen Licht zur modernen Elektrotechnik Offenes Gaslicht in den Straßen und Petroleumlampen in den Wohnungen prägten das Bild der Städte im 19. Jh. Erst 1881, auf der „Elektrischen Ausstellung“ in Paris, führte der Amerikaner Thomas Edison sein neues, zwei Jahre lang erprobtes, sensationelles Produkt vor: Q Das allergrößte Aufsehen erregte eine Glühlam- pe von Edison, die man mit einem Schalter an- zünden und auslöschen konnte, an welcher die Men- schen zu Hunderten anstanden, um selbst diesen Schalter einmal bedienen zu können […]. (Ausstellungsbericht; in: Christmann, Technikgeschichte in der Schule, 1976 , S. 126) Schon ein Vierteljahrhundert früher hatte der New Yor- ker Kaufmann Heinrich Göbel eine Glühlampe aus Bam- busfasern zum Eigengebrauch erfunden. Doch Edison war der Erste, der mit einem Forscherteam in einem ei- genen modernen Labor arbeitete: Dort wurde nicht nur die Glühlampe, sondern auch das Zubehör (Fassungen, Sicherungen, Stromleitungen, Hausanschlüsse etc.) in Serienreife produziert. So konnte ein Stadtteil in New York schon 1882 im Lichte von 400 Glühlampen „er- strahlen“. Mit seinem Team entwickelte er auch eine Vielzahl anderer Erfindungen: z. B. Batterie, Grammo- fon, Filmkamera, eine elektrische Spielzeugeisenbahn und vieles andere. „Ich stelle fest, was die Welt braucht, und dann mache ich mich daran und versuche, es zu erfinden“, war Edisons Grundsatz. Ähnlich wie Edison dachte auch der Deutsche Werner Siemens bei jeder seiner Erfindungen sofort daran, wie er sie wirtschaftlich am besten verwerten könnte. Der „große Wurf“ gelang ihm mit der Entwicklung des Dy- namos – damit war die Starkstromtechnik erfunden. 1881 fuhr in Berlin bereits die erste elektrische Straßenbahn. Zur Jahrhundertwende begann sich die Nutzung der Elektroenergie im Verkehrswesen und zur Beleuchtung in allen größeren Städten allmählich durchzusetzen. Erörtere mögliche Gründe dafür, warum fast alle techni- schen Neuerungen heutzutage nicht von „einsamen“ Erfinderinnen und Erfindern, sondern in den Forschungs- abteilungen großer Firmen entwickelt werden. Informiere dich im Physikunterricht über weitere techni- sche Erneuerungen des 19. Jh. im Bereich Elektrotechnik und Optik. Der Beginn des Automobil-Zeitalters Ein „Dampfmobil“ für die Straße herzustellen, war wirt- schaftlich unrentabel: Es verbrauchte zu viel Brennstoff und der große Dampfkessel machte es zu einem für die Straße unbrauchbaren Ungetüm. Die Lösung brachte der Verbrennungsmotor. 1860 lief bereits der erste pri- mitive Gasmotor des Franzosen Etienne Lenoir. Die Deutschen August Otto und Gottfried Daimler konstru- ierten bald darauf den ersten Viertakt-Gasmotor (1876), dessen Arbeitsprinzip bis heute Gültigkeit hat. Etwa zur gleichen Zeit baute der Österreicher Siegfried Marcus den ersten Kraftwagen mit Benzinmotor. Zehn Jahre später liefen bereits die ersten „Benziner“ von Daimler und Carl Benz. Noch vor der Jahrhundertwende begann Benz mit der Serienproduktion des „Velo“, der ersten Automarke der Welt (1898: schon 434 Stück). Daimler startete ab 1901 mit der Produktion des „Mercedes“. Diese rasante Entwicklung war erst möglich geworden, weil man eine neue Energiequelle zu nutzen begann: das Erdöl. 1859 machte Edwin Drake die erste erfolgrei- che Ölbohrung in Pennsylvania, da die Ölfunde an der Erdoberfläche für den steigenden Petroleumbedarf nicht mehr ausreichten. Seinen ersten Höhenflug erlebte das Automobil zur Zeit des Ersten Weltkrieges in den USA: Mit einer neuen Pro- duktionsmethode, dem Fließband, wurde das Auto zum billigen Massenkonsumartikel. Henry Ford berichtet: Q Ein Fordwagen besteht aus rund 5 000 Teilchen – Schrauben, Muttern usw. mit eingerechnet. Unge- fähr am 1. April 1913 machten wir unseren ersten Ver- such mit einer Montagebahn […]. Im Prinzip ähnelt sie den Schwebebahnen, deren sich die Chikagoer Fleischpacker bei der Zerlegung der Rinder bedienen. Früher, als der ganze Herstellungsprozess bei uns noch in den Händen eines einzigen Arbeiters ruhte, war der betreffende im Stande, 35 bis 40 Magnete in 116 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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