Zeitbilder 6, Schulbuch

Wie die Industrialisierung England veränderte, be- schrieb der deutsche Fabrikantensohn Friedrich Engels, gemeinsam mit Karl Marx Begründer des Kommunis- mus, 1845 in seinem Buch „Die Lage der arbeitenden Klassen in England“: Q Vor 60, 80 Jahren ein Land wie alle anderen, mit kleinen Städten, wenig und einfacher Industrie und einer dünnen, aber verhältnismäßig großen Acker- baubevölkerung; und jetzt ein Land wie kein anderes, mit einer Hauptstadt von dreieinhalb Millionen Ein- wohnern, mit kolossalen Fabrikstädten, mit einer In- dustrie, die die ganze Welt versorgt und die fast alles mit kompliziertesten Maschinen macht, mit einer flei- ßigen, intelligenten, dicht gesäten Bevölkerung, von der zwei Drittel von der Industrie in Anspruch genom- men werden und die aus ganz anderen Klassen be- steht, ja, die eine ganz andere Nation mit anderen Sitten und anderen Bedürfnissen bildet als damals. (Zit. nach: Christmann, Technikgeschichte in der Schule, 1976, S. 63 f.) Agrarrevolution und Bevölkerungswachstum Bis ins 18. Jh. wuchs in Europa die Bevölkerung nur mä- ßig. Die Sterberate war fast ebenso hoch wie die Gebur- tenrate. In England vollzog sich seit der Mitte des 18. Jh. allerdings ein radikaler Wandel: Fortschritte in Medizin und Hygiene sorgten für einen spürbaren Rückgang der Kindersterblichkeit und der Epidemien (die letzte große Pest wütete um 1710). Dies führte im Zusammenwirken mit einer besseren Nahrungsmittelversorgung zu einem deutlichen Sinken der Sterberate. Die Folge war ein sehr rascher Bevölkerungsanstieg. Bevölkerungsentwicklung 1750–1910 1750 1800 1850 1880 1910 Deutschland 21,0 25,0 34,0 45,0 65,0 Österr./Ungarn 20,0 24,0 31,0 38,0 51,0 Österr. in den heutigen Grenzen 2,7 3,1 3,9 5,0 6,7 Frankreich 21,0 27,0 36,0 38,0 40,0 Großbritannien 8,0 11,0 21,0 30,0 41,0 Italien 16,0 17,0 24,0 29,0 35,0 Russland 28,0 40,0 69,0 98,0 161,0 USA [1775: 2,5] 5,5 23,0 50,0 92,0 Nach: Armengaud, Klein, Mitchell u. Mickel. Ermittle, welche Länder in welchen Zeiträumen die höchs- ten Zuwachsraten hatten. Schon seit dem 16. Jh. vergrößerten in England die Großgrundbesitzer ihre Ländereien auf Kosten der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern. Diese verkauften meist ihren bescheidenen Besitz. Sie ließen sich dann entweder als Landarbeiterinnen und Landarbeiter an- Anonym, Das Pflügen mit dem Fowler'schen Dampfrajolpflug (Aus- schnitt). Holzstich, aus: Das Buch für Alle, Heft 16, 1890. Die Erfindung der Dampfmaschine wurde nicht nur in der Industrie, son- dern bald auch in der Landwirtschaft genutzt. Dieses so genannte Loko- mobile wurde sowohl zum Pflügen als auch zum Dreschen eingesetzt. stellen oder wanderten in die Städte ab, um dort als Lohnarbeiterinnen und Lohnarbeiter eine neue Beschäf- tigung zu finden. In den vergrößerten Besitzungen aber wurde die land- wirtschaftliche Produktion durch verschiedene Neue- rungen erheblich gesteigert: – Die Fruchtwechsel-Wirtschaft ersetzte die Dreifel- der-Wirtschaft: Die Brache wurde seither mit Klee, Erbsen, Linsen, Rüben oder Kartoffeln bebaut. – Die Düngung mit Stallmist (auf Grund der ganzjähri- gen Stallfütterung mit Heu und Klee) brachte viel hö- here Erträge. – Ausländische Rinder wurden importiert, es wurden durch Kreuzungen neue fleischreiche Tiere gezüchtet. – Landwirtschaftliche Geräte (Dresch- und Sämaschi- nen) wurden ständig weiterentwickelt, 1785 wurde der erste gusseiserne Pflug patentiert. Noch um 1800 waren drei Viertel aller Arbeitskräfte in der Landwirtschaft beschäftigt. Die ständigen Neuerun- gen machten es jedoch möglich, auch die explosionsar- tig angestiegene Stadtbevölkerung ausreichend mit Le- bensmitteln zu versorgen. Fragen und Arbeitsaufträge 1. Recherchiert, – wie viel Prozent der Arbeitskräfte heute in den Sektoren Landwirtschaft, (Industrie-)Produktion und Dienstleistung beschäftigt sind; – wie viel Prozent der Menschen derzeit in Österreich in den Städten bzw. am Land leben. Von der Aufklärung bis zum Ersten Weltkrieg 111 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=