Zeitbilder 6, Schulbuch

Biedermeier – Kultur des Bürgertums Die Lebensform des Bürgertums im Zeitalter der Restau- ration war geistig von den Ideen der Romantik und sti- listisch vom Klassizismus, der Wiedererweckung grie- chisch-römisch antiker Formen, bestimmt. Von öffentli- cher Tätigkeit ausgeschlossen, wandte sich das Bürger- tum unpolitischen Bereichen zu. Es zog sich in die Häus- lichkeit zurück. Das Leben spielte sich nun im kleinen Kreis, in der Familie und unter Freunden ab. Die Gesel- ligkeit wurde besonders gepflegt. Es war eine Blütezeit des Singens und der Hausmusik. Das idyllische Verhält- nis zur Natur fand seinen Ausdruck in Ausflügen ins Grüne. Der Rückzug des Bürgertums in die Häuslichkeit ließ die Wohnkultur zu einem wichtigen Anliegen werden. L Die kleinen, oft sehr begabten Baumeister, die Bürger- und Landhäuser entwarfen, gestalteten anmutige, trefflich proportionierte Intimsphären mit bescheidenen, fröhlichen Fassaden. Die Wohnkultur, die ureigenste Form des Biedermeier, war von Spar- samkeit und Zweckmäßigkeit geprägt, die Zimmer hatte man nicht voll geräumt, Möbel und Hausrat wie- sen keine überflüssigen Dekorationen auf, ihre einfa- che Schönheit entsprang der natürlichen Harmonie von Material, Form und Funktion. […] Schloss man die Tür der Wohnung hinter sich und setzte sich mit Ver- wandten und Freunden zu Kaffee und Kuchen, war das Idyll vollkommen. Dann tuschelte und nörgelte der Untertan zwar über den unmündigen Kaiser Fer- dinand I., über den vergreisten Fürsten Metternich, über Polizei und Zensur und über die „Zustän- de“ im Allgemeinen, aber eine Veränderung von Grund auf, einen radikalen Umsturz oder gar das Ende des Hau- ses Habsburg wünsch- te er, ob Bauer, Bürger, Handwerker oder Be- amter, nicht. (Vajda, Felix Austria, 1980, S. 480) „Gefühl und Stimmung“ beherrschen die Kunst Neu am Biedermeier war nicht nur die realistische Darstellung. Die Künstler wollten mit ihren Bildern Gefühle und Stimmun- gen festhalten, die sich manchmal mit Gesell- schaftskritik verbanden. In der Musik ergab die starke Wechselwirkung von Volksmusik und Kunstmusik eine Reihe von nationalen Sonderformen. In Deutschland erneuerte Carl Maria von Weber, in Ita- lien Gioacchino Rossini und in Frankreich Daniel François Auber die Oper. Die Librettisten bezogen ihre Stoffe aus der Vergangenheit, der Märchenwelt oder aus exotischen Ländern. In Österreich kam Franz Schu- bert mit seinen Liedkompositionen den Bedürfnissen seiner Zeit entgegen. Wohl lebte damals auch Ludwig van Beethoven in Wien, sein Leben und Werk muss aber eher als ein Protest gegen das Biedermeier angesehen werden. Im Wien der Biedermeierzeit entwickelte sich die musikalische Form des Walzers, der als Tanz und als Musikstück für die nächsten Jahrzehnte in der Unter- haltungsmusik dominierte. Josef Lanner und Johann Strauß Vater waren die Schöpfer und Interpreten der Wiener Walzermusik. Definiere den Begriff „Romantik“ in der Musik, in der Malerei und in der Dichtung. Fragen und Arbeitsaufträge 1. Beschreibe die Merkmale der Epoche der Restauration bzw. des Vormärz. 2. Nenne Staaten von heute, in denen Meinungs- und Presse- freiheit eingeschränkt sind. Erläutere, worin die Gründe dafür liegen. 3. Beschreibe und interpretiere die Bilder auf dieser Doppel- seite im Hinblick auf Bildkomposition, Figuren, Kleidung, Farben etc. Analysiere die dargestellten Themen und erör- tere, inwiefern diese typisch für die Epoche des Biedermeier sind. Peter Fendi (1796–1842), Die Pfändung. Gemälde, 1840. Von der Aufklärung bis zum Ersten Weltkrieg 107 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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