Zeitbilder 5/6, Schulbuch

10.2 Der Investiturstreit  Die Investitur eines Bischofs: Otto II. setzt Bischof Adalbert von Prag mit Ring und Stab in sein Amt ein. (Domtür von Gnesen, 12. Jh.) Der Verfall des Papsttums und das Reichskirchensys- tem mit seiner Laieninvestitur führten zu einem Macht- gewinn des Kaisers und oftmals zum Niedergang des kirchlichen Lebens. Doch dort bemühte man sich zu- nehmend um Reformen. Papst Gregor VII. (1073–1085), vormals Mönch Hildebrand in Cluny, war einer der Hauptvertreter der kirchlichen Reformpartei. Kampf um die Macht zwischen Kaiser und Papst 1075 wandte sich Papst Gregor VII. gegen die Einmi- schung des deutschen Königs – nun Heinrich IV. (1056– 1106) – in Angelegenheiten der Kirche. Dazu formulierte er Leitsätze, den so genannten dictatus papae: Q Allein der römische Papst ist berechtigt, den Ti- tel Papst in der Weltkirche zu führen. Der Papst darf Bischöfe absetzen und einsetzen. [...] Ihm ist es erlaubt den Kaiser abzusetzen. Was der Papst sagt, darf nicht in Frage gestellt wer- den, er aber darf das Urteil der anderen verwerfen. Niemand darf den Papst richten. [...] Der Papst kann Untertanen vom Treueeid gegen un- gerechte Herrscher lösen. (Mirbt/Aland, Quellen zur Geschichte des Papsttums, Bd. 1, 1967, Nr. 547; gekürzt) Mit den 27 Leitsätzen dieses Dekrets wollte er dem Kai- ser die Vorrangstellung nehmen. Heinrich IV. wiederum befürchtete den Zusammenbruch seiner Macht, sollte er „seine“ Bischöfe und Äbte, „seinen Klerus“ an den Papst verlieren. Er ging zum Gegenangriff über. Mit Zustimmung von 24 deutschen und zwei italienischen Bischöfen erklärte er den Papst für abgesetzt: Q Heinrich, durch Gottes Willen König, an den fal- schen Mönch Hildebrand, der nicht mehr Papst ist. Du hast gedroht, uns die Krone zu entreißen; durch Geld und Gewalt hast du den Papststuhl erlistet, nun werden von dir noch die Untergebenen gegen ihre Herren aufgehetzt. Sei verflucht und verdammt für alle Zeiten. Ich heiße dich vom römischen Bischofs- stuhl herabsteigen, damit ein anderer ihn besteige. (Aus einem Brief König Heinrichs IV. an Papst Gregor VII., 24. 1. 1076; zit. nach: Mirbt/Aland, a. a. O., Nr. 547; gekürzt) Papst Gregor VII. reagierte in einemBrief vom15. 2. 1076 mit einem Bann: Q Heiliger Petrus, Apostelfürst, höre deinen Knecht: König Heinrich hat sich in ungeheu- rem Hochmut gegen deine Kirche erhoben und den christlichen Gehorsam verweigert. Deshalb spreche ich in deinem Namen den Bann über ihn aus. Ich er- kläre ihn als Herrscher über das ganze deutsche und über das italienische Reich für abgesetzt. (Mirbt/Aland, a. a. O., S. 548; gekürzt)  Kaiser Heinrich IV. bittet Mathilde von Tuszien und seinen Taufpaten, Abt Hugo von Cluny, um Fürsprache bei Papst Gregor VII. (Miniatur in der Vita Mathildis, 1115) Damit war der Investiturstreit zwischen König und Papst voll entbrannt. Der Bann zeigte Wirkung. Fürsten und Bischöfe fielen vom König ab. Nach mehreren Verhandlungen nahm der Papst den König nach drei Tagen Buße vor der Burg von Canossa (1077) wieder in die Kirche auf. Doch der Kampf zwi- schen Königtum und Papsttum war damit nicht zu Ende. Mörderische Kriege im Reich, von Fürsten gegen Fürs- ten, Bischöfen gegen Bischöfe, quer durch die Famili- en, sowie Kriegszüge gegen die Päpste kennzeichneten den Investiturstreit. Die Kämpfe wurden auch nach dem Tod der beiden Hauptgegner, Papst Gregor VII. (1085) und Kaiser Heinrich IV. (1106), mit wechselndem Erfolg weitergeführt. Erst mit dem Wormser Konkordat von 1122 gelang ein Ausgleich: Die Wahl der Bischöfe sollte in Gegenwart des Königs oder seines Stellvertreters erfolgen. Der führt den Bischof anschließend – bevor ihm die geistli- chen Weihen erteilt werden – in sein weltliches Amt ein. Mit dem Ende des Investiturstreits war der Kampf um die Vorherrschaft zwischen Papsttum und Königtum im Mittelalter noch nicht beendet. Doch nun war einerseits im Zusammenhang mit den inneren Reformen der Kirche die Grundlage für ihren Aufstieg geschaffen. Andererseits begann damals die langwierige Trennung von Kirche und Staat. Diese wur- de etwa in Österreich erst im Verlauf des 20. Jh. voll- ständig durchgesetzt. 83 Das Mittelalter – eine 1000-jährige Epoche Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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