Zeitbilder 5/6, Schulbuch

8. Die Diener Gottes beten Die Menschen im Mittelalter fühlten sich in ihrem Le- ben ständig bedroht, hilflos ausgesetzt den Gewalten der Natur, dem Hunger durch Missernten und den Krankheiten. Immer wieder waren sie auch räuberi- schen Überfällen Waffen tragender Plünderer ausge- liefert. Einzig die Religion bot Tröstungen und Hilfen. Doch auch sie flößte Angst ein und verbreitete Furcht: Der Tod war allgegenwärtig und mit ihm die Schrecken vor dem Jüngsten Gericht. In der Ausmalung der Höl- lenstrafen kannte die Fantasie keine Grenzen. Die Be- drängnisse, denen man sich ausgeliefert fühlte, waren so stark, dass man eigenes Beten nicht mehr für ausrei- chend hielt. L Das 11. Jh. hat die Mönche verehrt. Sein ganzes Hoffen auf Seelenheil liegt in den Klöstern. Es hat sie umhegt. Es hat diese Zufluchtsstätten mit Geschen- ken überhäuft. Denn die Mönche beschützen die Men- schen draußen in der Welt durch ihre Gebete vor den schlimmsten Gefahren, jenen der Verdammnis. (Duby, Europa im Mittelalter, 1986, S. 37) Erörtert die Bedeutung des „Gebetes“ für die Menschen im Mittelalter. Diskutiert in der Klasse darüber, wie Men- schen in der Gegenwart mit ihren Ängsten umgehen. Die vita apostolica – Ideal mönchischen Lebens Wie Christus und die Apostel zu leben, also Demut, Ent- haltsamkeit und Askese zu üben, das waren Kraftquel- len der christlichen Kirche seit der Spätantike. Religiöse Menschen, welche der Welt mit ihren Vergnügungen und Ausschweifungen entsagen wollten, schlossen sich ab dem 5. Jh. immer öfter zu klösterlichen Gemein- schaften zusammen. Die Ordensregel des heiligen Benedikt (529) wurde zur formgebenden Kraft für das Klosterleben in Mittel- und Westeuropa bis in die Gegenwart. Gebet, Arbeit und Lesungen („ora et labora“) sollten das Leben im Kloster bestimmen. Q Kutte und geschorener Kopf fördern nicht son- derlich: Aber Sittenänderung und die Leiden- schaften völlig einzudämmen, das macht den Mönch. Zum Dienen bist du gekommen, nicht zum Herr- schen. Zum Beten und Arbeiten wisse dich berufen, nicht zum Müßiggang und Schwätzen. (Thomas von Kempen, Über die Nachfolge Christi, um 1400) Es war die Überzeugung, der Welt zu entsagen und ganz Christ zu werden, welche viele Männer und Frau- en ohne Ansehen ihrer Person zum Leben im Kloster bewogen hat. Doch die Leitung eines Klosters als Abt bzw. Äbtissin hatten Personen inne, die in der Regel aus Adelsgeschlechtern stammten. Auch auf diese Weise wurde die Verbindung von Kirche und Adel, von Kirche und Reich gestärkt.  Die Hölle als abschreckende Drohung für ein sündhaftes Leben: In der Mitte liegt Luzifer auf einem glühenden Rost, Menschenpaare mit den Händen erdrückend. Teufel martern Verworfene – auch einen Geist- lichen – und fachen das Feuer an, um die Verdammten zu quälen. (Aus dem Stundenbuch des Herzogs von Berry, 15. Jh.) Das Kloster und die Arbeit Die Abgeschiedenheit mönchischen Lebens im Kloster war nur die eine Seite. Daneben waren die Beziehungen zur außerklösterlichen Welt vielfältig. Die Klöster waren nämlich in der Regel als Grundherrschaften Musterbe- triebe für die gesamte Umgebung. Sie waren bestrebt, zunächst den Eigenbedarf an Nahrungsmitteln etc. zu decken. Überschüsse wurden auf den Markt gebracht und verkauft. Hinter diesen wirtschaftlichen Erfolgen stand eine neue Einstellung zur Arbeit. Diese wurde von den Nonnen und Mönchen nicht mehr nur als Mühsal aufgefasst. Vielmehr sahen sie auch die Arbeit als besonderes Kennzeichen apostolischen Lebens. Dementsprechend gehörte neben der Weltentsagung L auch der gewissenhafte Umgang mit der Zeit, das Mühen um die Einhaltung einer strengen Arbeits- disziplin sowie das Bestreben, mit haushälterischer Ver- nunft Wirtschaftsabläufe zu planen und zu kontrollieren. (Lutterbach, Die Mönche zwischen Weltverneinung und Weltgestal- tung, 2011, S. 443) 78 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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