Zeitbilder 5/6, Schulbuch

ten 4. Jh. v. Chr. abgeschafft. Wie streng gegen solche Schuldner vorgegangen wurde, beweist das Zwölf-Tafelgesetz: Q Nach dem Recht der (gericht- lich) anerkannten Geldschuld [...] sollen 30 Tage (Erfüllungsfrist) zu Recht bestehen. Danach soll die Ergreifung (des Schuldners) statthaft sein. Er (der Gläubiger) soll ihn vor Gericht führen. Erfüllt er seine Urteilsverpflichtung nicht oder übernimmt niemand für ihn vor Gericht Bürgschaft, soll ihn der Gläubiger mit sich führen, fes- seln, entweder mit einem Strick oder mit Fußfesseln im Gewicht von 15 Pfund, nicht mit stärkeren, wenn er aber will, mit leichteren. (Zwölf-Tafelgesetz; in: Arend, S. 395) Gelang es dem Schuldner nicht, binnen 60 Tagen seinen Kredit zu- rückzuzahlen, konnte er entweder getötet oder ins „Ausland“ (das war damals jenseits des Tiber) verkauft werden. Diese Schuldner wurden aber auch als Sklaven auf den Gü- tern ihrer Gläubiger eingesetzt. War die Schuld damit noch nicht abge- deckt, verkauften sie oftmals auch ihre Kinder in die Sklaverei. In Not- zeiten scheuten sich arme Familien nicht, ihre Kinder, hauptsächlich die als weniger wertvoll angesehenen Mädchen, einfach auszusetzen. Zumeist aber stammten Sklavinnen und Sklaven nicht aus dem eigenen Volk. Es war üblich, die im Krieg besiegten Gegner ebenso wie deren Frauen und Kinder als „Eigentum“ heimzuführen. Daneben entstand bald ein gut organisierter Men- schenhandel: Bekannter Sklaven- umschlagplatz der späten römischen Republik war die griechische Insel Delos. Dort sollen 1 000 Menschen täglich ihren Besitzer gewechselt haben. Diese Sklavinnen und Skla- ven waren Kriegsgefangene, häufig aber auch Opfer von Piraterie und gezielten Raubzügen in fremde Ge- biete. Händler brachten sie von dort nach Italien, wo sie auf den Märkten an die Bestbieter verkauft wurden. Eine weitere Bezugsquelle für Sklavinnen und Sklaven bildeten ihre eigenen Nachkommen. Auch Kinder, die aus Beziehungen mit den Sklavenhaltern entsprangen, blieben unfrei. Die Anzahl der Skla- vinnen und Sklaven wird für die attische Polis zur Zeit des Perikles auf 100 000 bis 300 000 geschätzt. Aus Rom weiß man, dass allein aus den Kriegszügen zwischen 210 und 150 v. Chr. zumindest eine Viertel- million Kriegsgefangene das Skla- venschicksal ereilte. Neuere For- schungen rechnen mit etwa 3 Mio. Sklavinnen und Sklaven in Italien. Einer muss dienen, einer muss herrschen ... Der Besitz und Gebrauch von Skla- vinnen und Sklaven erschien den herrschenden Schichten der antiken Gesellschaft immer als selbstver- ständlich. Sklavinnen und Sklaven galten als Sache, als „sprechendes“ Werkzeug, als „beseelter Besitz“, die sich nur durch die Stimme vom Tier unterschieden. Obwohl die Griechen ihre eigene Freiheit für sehr wichtig hielten, war auch der Philosoph Aristoteles überzeugt von der naturgegebenen Verschiedenheit des Menschen: Männer und Frauen unterschieden sich der Nachkommenschaft wegen, Herr und Sklave wegen der De- ckung des Lebensbedarfes. Aristoteles begründet seine Theorie so: Q Von Natur aus ist also jener ein Sklave, der einem anderen zu gehören vermag und ihm darum auch gehört, und der soweit an der Vernunft teilhat, dass er sie annimmt, aber nicht selbststän- dig besitzt. Die anderen Lebewe- sen dienen so, dass sie nicht die Vernunft annehmen, sondern nur Empfindungen gehorchen. Doch ihre Verwendung ist nur wenig verschieden: Denn beide helfen dazu, mit ihrer körperlichen Ar- beit das Notwendige zu beschaf- fen, die Sklaven wie die zahmen Tiere. [...] Es ist also klar, dass es von Natur aus Freie und Sklaven gibt und dass das Dienen für diese zuträglich und gerecht ist. (Aristoteles, Politik, I, 5) Sklavinnen und Sklaven gäbe es auch vom Gesetz her, welches be- sagt, dass im Krieg Besiegte Eigen- tum des Siegers seien. Diese Skla- verei unterscheide sich manchmal von der „natürlichen“: Q Denn der Ausgangspunkt von Kriegen kann ungerecht sein, und wer, ohne es zu verdienen, in Sklaverei gerät, den kann man in keiner Weise einen Sklaven nennen. Andernfalls könnten die anerkannt Adeligsten zu Sklaven werden. (Aristoteles, Politik, I, 6) Analysiere die beiden Textquellen: Arbeite heraus, welchen Menschen nach Aristoteles die Sklaverei „na- turgegeben“ ist und welchen nicht. Bewerte seine Meinung und beurtei- le seine Haltung. Sklavinnen und Sklaven – ein wichtiger Wirtschaftsfaktor Die Sklavenarbeit war eine Haupt- säule der antiken Wirtschaft, so- wohl in der Produktion als auch im Dienstleistungssektor. Am erträg- lichsten war wohl das Schicksal der Sklavinnen und Sklaven im Haus. Sie versahen als Dienerinnen und Diener, aber auch als Lehrer und Ärzte ihren Dienst. Ein Großteil der Sklavenmassen, die seit dem Zwei- ten Punischen Krieg Italien über- schwemmten, war für die schwe- re Arbeit in der Landwirtschaft bestimmt. Ein besonders schweres Los hat- ten die Bergwerkssklavinnen und -sklaven. In den Silbergruben des attischen Lauriongebirges arbeite- ten bis zu 35 000 Menschen. Ein Teil von ihnen waren Mietsklaven, für die ihre Herren täglich eine Obole pro Person kassierten. Dazu soll es noch Sklavinnen und Sklaven gegeben haben, die auf eigene Rechnung arbeiteten und ihren Herren eine monatlich fest- gesetzte Summe bezahlten. In der attischen Polis gab es zahlreiche Staatssklaven: Sie wurden vor allem im Straßen- und Tempelbau, aber auch als Polizisten eingesetzt und erhielten dafür dieselbe Bezahlung wie Bürger oder Metöken. Im Römischen Reich spielten die Unfreien im Handwerk und in der Industrie eine bedeutende Rolle: In den Töpfermanufakturen arbeiteten Großkapitel Kolumnentitel 53 Sklaverei – Unmenschlichkeit seit Jahrtaus den Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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