Zeitbilder 5/6, Schulbuch
Die „Via Stabiana“ in Pompeji. Die Stadt war durch den Ausbruch des Vesuvs am 24. August des Jahres 79 n. Chr. total von Asche bedeckt worden. (Foto, 1980) Unterschichten in der Stadt und auf dem Land Weder in der Republik noch zur Kaiserzeit herrschte all- gemeiner Wohlstand. Nur die zahlenmäßig kleine Ober- schicht lebte in wirklichem Wohlstand, ja Luxus. Sie machte vielleicht 1% des 50 bis 80 Millionen Einwoh- nerinnen und Einwohner zählenden Römischen Reiches aus. Die reichen Familien lebten in luxuriösen städti- schen Palästen oder prächtigen Villen auf dem Land. Dagegen wissen wir aus Ägypten, dass häufig zehn Familien in einem primitiven Haus zusammengepfercht waren. Aber auch die 700 000 bis 800 000 Menschen der stadtrömischen Plebs mussten in oft baufälligen Miets- kasernen wohnen. Die Mieten waren hoch, sodass oft zehn und mehr Personen in einem Raum leben mussten. Hygienische Einrichtungen waren eine Seltenheit. Der römische Satirendichter Juvenal (60–140 n. Chr.) bietet uns aus dem 1. Jh. n. Chr. ein anschauliches Bild: Q Bangt oder bangte vorm Einsturz des Hauses im kühlen Praeneste je ein (reicher) Bürger? [...] Wir aber hausen zumeist in Gebäuden mit Stützbalken leichter Art; nur solche zieht der Verwalter ein, wenn die Wand schwankt. Hat er die alten Risse verstopft, dann sagt er, wir sollten ruhig schlafen, obgleich die Gefahr des Einsturzes dauert. Wahrlich, leben sollte man dort, wo Brände nicht schrecken, dort, wo Alar- me nicht wecken! [...] Weil es an Schlaf fehlt, gehen in Rom viele Kranke zu Grunde, und die Krankheit kommt von der schlechten Verdauung der schweren, magenentzündenden Kost. Doch wen lässt die Miets- wohnung schlafen? Viel Geld kostet der Schlaf in der Hauptstadt, das ist des Übels Kern! [...] Nun erwäge noch andere Gefahren, die nachts uns bedrohen. Himmelhoch über der Straße sind Dächer, von denen – wie oft! – ein Ziegel herabkracht, uns auf den Schädel. (Juvenal, Satiren III, 190 ff.) Begründe, welche Textelemente eher in den Bereich der Satire gehören und welche der Lebenswirklichkeit im antiken Rom wahrscheinlich am nächsten kommen. Haus des Bäckers. (Römische Wandmalerei, 1. Jh., Pompeji) Während die Reichen bei geschickter Kapitalinvestition schnell reicher werden konnten, konnten sich die Armen nur selten verbessern. Höchstens 4 Sesterzen erhielt ein Tagelöhner als kärglichen Lohn, so viel wie ein Modius (ca. 8 Liter) Weizen kostete. Dies bedeutete ein Leben am Existenzminimum, d.h. Sparen beim Essen, Wohnen und bei der Kleidung. Folgten dann noch Missernten oder hiel- ten die Getreidehändler aus preispolitischen Gründen ihre Produkte zurück, dann kam es zur Krise. Schlechte Ernten führten oft zu einer katastrophalen Ernährungssituation, auch für die Menschen auf dem Land. Wie arm die Bevöl- kerung teilweise war, bestätigen auch Beispiele aus der Provinz Ägypten: Wenn 64 Bauernfamilien nur ein Joch Grund (5 700 m 2 ) zur Verfügung haben oder sechs Famili- en einen einzigen Olivenbaum gemeinsam besitzen, dann kann man verstehen, dass sich mancher Freigeborene freiwillig als Sklave an einen Herrn verkaufte. Damit er- sparte er sich die Kopfsteuer, die jeder Provinzbewohner auch ohne Grundbesitz leisten musste. Die römische Frau – politisch rechtlos Wie in Athen war auch die Frau in Rom politisch rechtlos und konnte kein Rechtsgeschäft ohne einen Mann durch- führen. Schon seit der römischen Frühzeit galt der pater familias, der Vater der Familie, als souveränes Oberhaupt des Hausverbandes. Ihm unterstanden alle Personen und Sachen (dazu zählten auch die Sklavinnen und Sklaven). Er besaß die unumschränkte väterliche Gewalt über alle Familienmitglieder, konnte also auch über Leben und Tod seiner Frau entscheiden. Dennoch unterschied sich die Stellung der Römerin aus der Oberschicht von jener der Frau eines attischen Bürgers: Das Haus war zwar ebenso Mittelpunkt ihres Lebensinteresses wie bei der Athenerin, doch sie war nicht in den Gynaikon verbannt. Sie „be- herrschte“ das Atrium, den zentralen Wohnraum des rö- mischen Hauses, erzog dort die Kinder und empfing an der Seite ihres Mannes die Gäste. Die begüterte römische Frau trat in der Öffentlichkeit auf, wenn ihr auch die Teilnah- me an der Politik gänzlich versagt blieb – sie durfte weder wählen noch ein Amt ausüben. Immerhin aber getrauten sich diese Frauen öffentlich gegen ein Gesetz zu protestie- ren, das ihren persönlichen Aufwand einschränkte. 47 Die antike Welt – Griechenland und Rom Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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