Zeitbilder 5/6, Schulbuch

12. Der Untergang der Republik Das Proletariat entsteht Der Wandel Roms zur Großmacht war verbunden mit weitreichenden politischen, wirtschaftlichen und so- zialen Veränderungen im Inneren des Reiches: Mit ei- nem Bauernheer hatte Rom sein Weltreich erobert. Sein Bauernstand ist aber durch die Eroberungen zu Grunde gegangen. Ein Teil der eroberten Provinzen wurde als Kriegsbeute an die reichen patrizischen Familien ver- teilt. So schufen sie sich große Landgüter (= Latifundi- en), die sie von Sklavinnen und Sklaven bewirtschaften ließen. Die Kleinbauern aber konnten sich wegen der zahlreichen Feldzüge um ihren eigenen Besitz kaum kümmern. Viele Anwesen verfielen dadurch oder wur- den von den Großgrundbesitzern aufgekauft. Viele be- sitzlos gewordene Bauern zogen nach Rom, wo sie nur noch ihre Stimme bei Wahlen verkaufen konnten. Man nannte diese Bürger Proletarier, weil sie außer Nach- kommen (= proles) nichts besaßen. Damit verminderte sich aber die Anzahl der römischen Soldaten: Denn nur Bürger mit (Grund-)Besitz waren wehrfähig. Keine Reformen – Bürger kämpfen gegen Bürger Diese für den sozialen Frieden gefährliche Lage er- kannten auch Vertreter der Nobilität. Die beiden Brü- der Tiberius und Gaius Gracchus wollten mit einer um- fassenden Bodenreform dem verarmten Bauernstand helfen. Zwar brachte Tiberius in der Volksversammlung ein Gesetz durch, mit dem das Staatsland neu aufgeteilt wurde; Gaius eines, das dem Proletariat stark verbillig- tes Getreide garantierte. Doch beide Male leistete die Senatspartei Widerstand. Erstmals kam es in Rom zum Bürgerkrieg: 133 v. Chr. wurden Tiberius und seine An- hänger getötet, zehn Jahre später ereilte den jüngeren Gracchus dasselbe Schicksal. 80 000 neue Bauernstellen waren geschaffen worden. Doch nun wurde die Agrarreform gestoppt. Die Klein- bauern mussten wieder Kriegsdienst leisten und began- nen erneut, ihre Höfe zu verkaufen. Die Reform war ge- scheitert. Die Senatspartei hatte sich durchgesetzt. Kampf um die Macht – Optimaten gegen Populare Seit den Reformversuchen der Gracchen gab es in Rom zwei politische Lager: Die Optimaten (optimi = die Besten) und die Popularen (populus = Volk). Mit Parteien im heuti- gen Sinn lassen sie sich nicht vergleichen. Sie entwickelten sich nämlich als Gruppen rund um einflussreiche Männer, die vorwiegend ihre eigenen, machtpolitischen Ziele ent- weder mit Hilfe des Senats oder der Volksversammlung durchsetzen wollten. Die Vertreter der Optimaten kamen hauptsächlich aus den Senatorenfamilien. Hinter den Po- pularen stand vor allem der neue Ritterstand. Dieser war während der römischen Expansion entstanden. Da es seit dem Zweiten Punischen Krieg Senatoren verboten war, Geldgeschäfte abzuwickeln, übernahmen reiche Plebejer diese Arbeit. Als Steuerpächter, Großkaufleute und Ban- kiers bildeten sie den neuen „Geldadel“ und sicherten sich zunehmend politischen Einfluss. Proletarier zum Heer Zwei germanische Stämme, die Kimbern und Teutonen, zeigten am Ende des 2. Jh. v. Chr. die Schwächen des rö- mischen Heeres auf: Bei Noreia (im Königreich Norikum) und in Südfrankreich schlugen sie die Römer vernich- tend. Fast gleichzeitig führten unfähige und bestechliche Befehlshaber einen jahrelangen Krieg gegen den Numi- dierkönig Jugurtha in Afrika. Nun wurde der Ritter Gai- us Marius zum Konsul gewählt. Er nahm erstmals auch Proletarier in sein neues Heer auf. Binnen kurzer Zeit be- siegte er Jugurtha, wenige Jahre später auch die Kimbern und Teutonen. Insgesamt siebenmal (davon viermal hin- tereinander) wurde er zum Konsul gewählt. Das neue Heer des Marius hatte sich im Kampf bewährt. Seine Reform wurde zum Vorbild: Neben den Besitzen- den, die weiterhin Militärdienst leisten mussten, traten immer mehr Proletarier ins Heer ein. Aus einem Miliz- heer wurde eine Berufsarmee. Die Soldaten wurden vom Staat ausgerüstet und hatten eine 20-jährige Dienstzeit. Neben Sold und Beute sollten sie nach der Entlassung Bauernland als Altersvorsorge erhalten. Ähnlich den Klienten im zivilen Leben fühlten sich diese Proletarier deshalb stärker an ihren Feldherrn als an den Staat ge- bunden. Damit entwickelten sich diese Truppen immer mehr zu Privatarmeen ihrer Befehlshaber. Sullas Militärdiktatur 88 v. Chr. ging der Kampf zwischen Popularen und Op- timaten in die nächste Runde: Auslöser war ein Auf- stand in der Provinz Asia, bei dem tausende Römer ge- tötet wurden. Ein Heer musste sofort entsandt werden. Der Senat übertrug dem Konsul Cornelius Sulla, die Volksversammlung aber dem alten Marius den Ober- befehl. Der Streit darüber endete in einem jahrelangen, brutal geführten Bürgerkrieg. Gegenseitig erklärten sich die Parteien zu Staatsfeinden, ein Blutbad folgte dem andern. Nach zwei Jahren hatte der Optimat Sul- la die Anhänger des inzwischen verstorbenen Marius besiegt. Eine Schreckensherrschaft folgte. Antike Au- toren schreiben darüber, dass wahllos Menschen getö- tet wurden, aus Rache, Hass, Besitzgier oder Eifersucht. Niemand konnte sich seines Lebens sicher sein. Sulla wurde Diktator ohne zeitliche Begrenzung, „zur Neu- ordnung des Staates und der Gesetze“. Er schränkte die Rechte der Volksversammlung und der Volkstribunen ein. Völlig überraschend legte er aber nach drei Jahren das Diktatorenamt freiwillig zurück (79 v. Chr.). „Die Republik ist nichts, nur ein Name ...“ Dies soll Julius Caesar gesagt haben, der dreißig Jahre nach Sullas Tod mit seiner Herrschaft die letzten Vor- aussetzungen für eine Jahrhunderte dauernde Monar- chie schuf. Sulla sei ein Analphabet gewesen, da er die Diktatur wieder ablegte, soll Caesar geurteilt haben. Der Unter- gang der Republik hatte sich aber schon seit vielen Jah- ren angekündigt. 36 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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