Zeitbilder 5/6, Schulbuch

–– Die Deutschen mussten nach dem Ausgleich erken- nen, dass sie im eigenen Staat gegenüber den Slawen eine Minderheit darstellten. Nationalistische Kräfte, die z. T. sogar für einen Anschluss an das Deutsche Reich eintraten, waren beim Mittelstand und beson- ders in den gemischtsprachigen Ländern sehr populär. –– Die Ungarn betrieben gegenüber den anderen Völ- kern im Königreich Ungarn eine Politik der Magya- risierung. Ein System von Zwangsmaßnahmen und Begünstigungen beraubte die Minderheiten ihrer Intelligenzschicht. Viele ungarische Intellektuelle forderten außerdem immer lauter die völlige Unab- hängigkeit von Österreich. –– Die Tschechen fühlten sich trotz einiger Ansätze Franz Josephs, ihnen gewisse Freiheiten zu verschaf- fen, den Deutschen und Ungarn gegenüber zurück- gesetzt. Andauernde Krisen und Streitigkeiten waren die Folge. –– Die Serben, Kroaten und Slowenen lehnten die ma- gyarische Vormachtpolitik ab. Ihr Ziel war zunächst ein eigener Ausgleich. Manche wünschten auch die Gleichstellung mit Österreich und Ungarn im Zuge einer „trialistischen Lösung“ anstelle des Dualismus. Vereinzelt wurde auch hier schon ein eigener Staat gefordert. –– Die Polen hofften auf die Wiedererstehung eines ei- genen Staates. Die Ruthenen wollten sich mit den üb- rigen Ukrainern, welche in Südrussland lebten, verei- nigen. Die Rumänen strebten nach einem Anschluss an das Fürstentum Rumänien. Die Italiener wünsch- ten den Anschluss an das Königreich Italien. Es gab innerhalb der Monarchie aber auch Menschen, die sich um die Lösung des Nationalitätenproblems be- mühten. Der Brünner Parteitag der Sozialdemokraten machte 1899 den Vorschlag, Österreich in einen demo- kratischen Nationalitäten-Bundesstaat umzuwandeln. Der Rumäne Aurel Popovici schlug in seinem Buch „Die Vereinigten Staaten von Großösterreich“ die Umgestal- tung Österreichs in sechzehn nationale Bundesstaaten vor. Die Vertreter einer föderalistischen Umbildung Öster- reichs setzten ihre Hoffnungen auf den Thronfolger Franz Ferdinand. Dieser wollte vorerst den Dualismus zu einem Trialismus umgestalten: Die südslawischen Länder sollten ihre Selbstständigkeit nach dem Vorbild Ungarns erhalten. Seine Pläne erschienen den Vertretern eines Großserbi- schen Reiches besonders gefährlich – sie fielen 1914 mit dem Thronfolger unter den Schüssen serbischer Natio- nalisten in Sarajewo. Fragen und Arbeitsaufträge 1. Erkläre anhand des Schaubildes „Die Österreichisch-Unga- rische Monarchie von 1867“ die wichtigsten Bestimmun- gen des so genannten „Ausgleichs“. Erläutere, worin die Folgen für die Monarchie bestanden. 2. Erörtere die Problematik des Nationalitätenkonflikts, die auch anhand der Karte erklärbar wird. 3. Beurteile, welche Lösungsansätze deiner Meinung nach zur Entschärfung des Nationalitätenstreites beigetragen hätten. Begründe deine Meinung. Deutsches Reich Russisches Reich Rumänien Serbien Italien A d r i a t i s c h e s M e e r D o n au D r au Mu r I n n P l a tt e n s ee 35,6 Bevölkerungsanteile in % Österreich Ungarn 23,0 17,8 12,6 4,5 2,8 2,7 1,0 48,1 14,1 14,1 9,8 9,4 2,3 K g r . K g r . B ö h m e n Ö s t e r r e i c h U n g a r n K g r . K r o a t i e n K g r . S l a w o n i e n Bosnien Herze- gowina K g r . D a l m a t i e n Gfsm. Siebenbürgen Hzm. Bukowina Kgr. Galizien Mgft. Mähren Ehzm.- Ober- Ehzm.- Nieder- und Lodomerien H z m . S c h l e s i e n Hzm. Krain S t e i e r m a r k H z m . Hzm. Gft. Tirol Hzm. Kärnten Vor- arlberg Salzburg Slowenen Kroaten Rumänen Italiener, Ladiner Serben Bosnier (muslimisch) Deutsche Ungarn Tschechen Polen Slowaken Ukrainer 0 100 km Grenze der österreichischen Reichshälfte Grenze der ungarischen Reichshälfte Grenze von Bosnien-Herzegowina gemischtsprachige Gebiete Wien Pressburg Neutra Karlsbad Prag Pilsen Budweis Iglau Olmütz Troppau Krakau Jaroslav Lemberg Tarnopol Stanislau Przemysl Czernowitz Brünn Trentschin Käsmark Kaschau Großwardein Klausenburg Hermannstadt Kronstadt Arad Esseg Fünfkirchen Banjaluka Zara Spalato Fiume Pola Triest Gottschee Marburg Graz Sarajewo Mostar Kattaro Ragusa Agram Stuhlweißenburg Belgrad Temesvár Bistritz Munkács Budapest Bregenz Innsbruck Trient Bozen Lienz Salzburg Krems Linz Skizziere anhand der Karte die Zu- sammensetzung der Nationalitäten in der Österrei- chisch-Ungarischen Monarchie.  Die Österreichisch-Unga- rische Monarchie bis 1918 und ihre Nationalitäten. 271 Österreich von der Römerzeit bis zum Ende der Monarchie Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=