Zeitbilder 5/6, Schulbuch

Maria Theresia schrieb in ihrem politischen Testament: Q In diesen Umständen fand ich mich ohne Geld, ohne Credit, ohne Armee, ohne eigene Experi- enz [= Erfahrung] und Wissenschaft und endlich auch ohne allen Rat. In dieser Situation befand ich mich, da von dem König von Preußen feindlich angegrif- fen wurde. Dieses Königs süße Worte und kräftigs- te Versprechungen machten sogar meine Ministres irre, maßen man nicht glauben konnte noch wollte, dass der König in Preußen feindlich agieren würde. Dieses von den Ministris, besonders Sintzendorf he- gende Vertrauen, dann meine Unerfahrenheit und guter Glauben waren Ursach, dass die Defensions- veranstaltungen in Schlesien größten Teils negligie- ret, andurch aber den König in Preußen freie Hand gelassen wurde, das Herzogtum Schlesien sich bin- nen sechs Wochen zu bemächtigen. (Zit. nach: Kallbrunner, Maria Theresias politisches Testament, 1952, S. 29) Bewerte das Vorgehen Friedrichs II. aus heutiger Sicht. Beschreibe ähnliche Fälle in der Geschichte des 20. Jh. Mit dem Angriff Friedrichs II. starteten auch die ande- ren Gegner Österreichs mit ihren Kampfhandlungen. Der bayrische Kurfürst Karl Albrecht, der die „Prag- matische Sanktion“ nie anerkannt hatte, marschierte in Oberösterreich ein. Er drang bis St. Pölten vor und wandte sich dann nach Prag. Dort ließ er sich zum böh- mischen König krönen. Wenig später erfolgte seine Krönung zum römischen Kaiser in Frankfurt (Karl VII. 1742–1745). Damit unterbrach ein Herrscher aus dem Hause Wittelsbach die über Jahrhunderte währende Reihe der habsburgischen Kaiser. Maria Theresia in Pressburg – ungarische Hilfe In dieser gefährlichen Situation flüchtete Maria The- resia nach Pressburg, der ungarischen Krönungsstadt. Dort sicherte ihr der ungarische Adel gegen politische Zugeständnisse militärische Hilfe zu: die volle Achtung der Verfassung, die Senkung der Zölle und die Nicht- einmischung in die inneren Angelegenheiten der unga- rischen Grundherrschaften. Um alle Armeen gegen Kaiser Karl VII. einsetzen zu können, schloss Maria Theresia mit Preußen den Son- derfrieden von Breslau (1742). Sie überließ damit Fried- rich II. den größten und wertvollsten Teil Schlesiens. England war inzwischen an die Seite Österreichs getre- ten, die anderen Gegner konnten besiegt werden. Der Sohn Karls VII. schloss Frieden und verzichtete gegen die Rückgabe Bayerns auf alle Ansprüche auf Öster- reich. 1745 wurde Franz von Lothringen, der Gemahl Maria Theresias, zum römischen Kaiser gewählt. Bündnis mit Russland – Friede von Aachen Als es Österreich gelang, mit Russland ein Bündnis zu schließen, kam es zum Frieden von Aachen (1748) mit Frankreich und seinen Verbündeten. Österreich musste nur zwei kleine italienische Fürstentümer abtreten. Alle beteiligten Mächte anerkannten nun die „Pragmatische Sanktion“. Österreich hatte seine Stellung als Groß- macht behauptet. Maria Theresia wollte sich jedoch mit dem Verlust des industriereichen Schlesien nicht abfinden. In den fol- genden Jahren kam es deshalb zur Reform des Heeres- und Finanzwesens. Sie wollte damit Österreich stärken, um Schlesien zurückerobern zu können. Der Siebenjährige Krieg Österreichs „Erzfeind“ Frankreich konnte schließlich als neuer Bündnispartner gewonnen werden. Auch Sachsen, Schweden und Russland traten auf die Seite Österreichs. England hatte inzwischen mit Friedrich II. einen Vertrag abgeschlossen. Um dem feindlichen Bündnis zuvorzukommen, eröffnete Friedrich II. den Siebenjährigen Krieg (1756). Dieser bis zur Erschöpfung geführte Krieg wurde durch das Aus- scheiden Russlands aus der Koalition entschieden. 1763 musste Österreich endgültig auf Schlesien verzichten. Der Hauptgewinner war England: Frankreich musste Kanada, alle Gebiete östlich des Mississippi und seine Besitzungen in Vorderindien abtreten. Fragen und Arbeitsaufträge 1. Betrachte die Karte auf S. 262. Ermittle mit Hilfe der Kar- tenlegende und dem Text die Eroberungen Österreichs in Südosteuropa. 2. Erkläre die Bedeutung der „Pragmatischen Sanktion“: Er- läutere, wer sie erließ und warum und welche wichtigen Bestimmungen sie enthielt. 3. Erörtere, in welcher Situation sich Maria Theresia bei An- tritt ihrer Herrschaft befand und wie es ihr gelang, sich zu behaupten (vgl. auch die Quelle auf S. 262).  Martin van Meytens (1695–1770), Die kaiserliche Familie. Gemälde (Ausschnitt), um 1750. Maria Theresia und Franz Stephan im Kreise ihrer Familie auf der Schön- brunner Schlossterrasse. 263 Österreich von der Römerzeit bis zum Ende der Monarchie Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=