Zeitbilder 5/6, Schulbuch
Über den politischen Stil in Österreich: Was dürfen PolitikerInnen? Meinungsfreiheit ist absolut, solange sie nicht im Interesse höherer Rechtsgüter – um etwa jemand vor Verleumdung oder uns alle vor Volksverhetzung zu schützen – ge- setzlich beschränkt wird. Eine politische Debatte, welche Aussagen PolitikerInnen tätigen dürfen, ist trotzdem notwendig [...]. In einer Zusammenschau von Zitaten [...] österreichi- scher PolitikerInnen über andere PolitikerInnen des Landes werden [...] als Bezeichnungen u. a. aufgelis- tet: Würschtel [...] Vernaderer, Blutsauger, geistige Terroristen, Nazis, mieselsüchtige Koffer, Lumpen, Wahnsinnige, Mörder, Schweine und Trottel [...]. In vielen Leserbriefen der Boulevardblätter heißt es seitens der SchreiberInnen, alle VolksvertreterInnen wären verlogen, korrupt und/oder unintelligent. Un- ter anderem ist mangelnder politischer Stil eine Ur- sache von vielen für die im Steigen begriffene Poli- tik-, Parteien- und PolitikerInnenverdrossenheit. Das Image des Berufs PolitikerIn rangiert unter ferner lie- fen [...]. Acht Prozent vertrauen PolitikerInnen. Das ist die Hälfte der Vertrauenswerte für Autoverkäufe- rInnen [...]. Ein Lösungsansatz wäre ein sensiblerer [= empfindsamerer, Anm. d. A.] Sprachgebrauch [...]. (Filzmaier, Politische Kultur im Kontext medialer Kommunikation; in: Informationen zur Politischen Bildung, Bd. 30, 2009, S. 12, 14) Über Meinungsfreiheit und Demokratie: Die Herrschaft durch das Volk und das Recht auf freie Meinungsäußerung sind untrennbar miteinander verbunden. Wie [...] schon erwähnt war der größte Mangel der ersten Demokratien im alten Griechenland, dass nicht das Volk, sondern nur Tei- le davon entschieden. Frauen, Sklaven und Zuwan- derer waren keine vollwertigen Bürger und hatten daher keine Möglichkeit, ihrer Meinung Gehör zu verschaffen. Auch heute gilt noch: Wer nicht gehört wird, dessen Anliegen werden auch nicht beachtet [...]. Dafür sind bestimmte Hilfsmittel nötig, die da- bei helfen, [...] viele Menschen gleichzeitig zu errei- chen: Die Medien [...]. Die Medien nehmen für die Meinungsfreiheit und damit für die Demokratie eine entscheidende Rolle ein. Es ist kein Zufall, dass auto- ritäre Regime immer versuchen, die Medien in ihrem Land zu kontrollieren [...]. Wer die Medien kontrol- liert, kontrolliert die Meinung [...]. Die über 8000 Unterschriften, die im Einleitungs- verfahren für Volksbegehren verlangt werden, sind sicherlich extrem schwierig durch Mundpropagan- da auf der Straße aufzutreiben. Schafft man es aber, auch nur den kleinsten Bericht in einem halbwegs reichweitenstarken Medium unterzubringen, wird die Sache schon wesentlich einfacher: Interessier- te und engagierte Menschen werden von sich aus kommen und nachfragen, wo sie unterschreiben können [...]. (Weiß, Die direkte Demokratie, 2010, S. 82 f.) Der amerikanische Politikwissenschafter und Politikberater Benjamin R. Barber (* 1939) über die Zukunft der Demokratie: Die Zukunft der Demokratie liegt in der starken Demokratie [...]. Starke Demokratie ist durch eine Politik der Bürgerbeteiligung definiert: sie ist buchstäblich die Selbstregierung der Bürger, keine stellvertretende Regierung, die im Namen der Bürger handelt. Tätige Bürger regieren sich und jederzeit, aber ausreichend häufig und insbesondere dann, wenn über grundlegende Maßnahmen entschieden und bedeutende Macht entfaltet wird [...]. Ein stark demokratisches Programm zur Wiederbele- bung der Bürgerschaft: 1. Ein landesweites System von Nachbarschaftsver- sammlungen, die aus jeweils eintausend bis fünftau- send Bürgern bestehen [...]. 3. Ein Videotext-Dienst und eine Postverordnung zur staatsbürgerlichen Erziehung, um den Zugang zu In- formationen für alle zu gewährleisten und die staats- bürgerliche Erziehung aller Bürger zu fördern. 6. Versuche mit elektronischer Abstimmung [...]. 7. Besetzung kommunaler Ämter in ausgewählten Be- reichen durch Losentscheid, mit finanziellen Anreizen. (Barber, Starke Demokratie. Eine Politik der Bürgerbeteiligung; in: Stüwe/Weber (Hg.), Antike und moderne Demokratie, 2004, S. 250 ff.) Fragen und Arbeitsaufträge 1. Fasse die unterschiedlichen Beschreibungen bzw. Bewer- tungen der „attischen Demokratie“ zusammen: Beginne mit den Darstellungen der Historiker auf S. 18 (Bengtson, Rüstow) und jenen von M1 und M7. Setze fort mit den an- tiken Quellen auf S. 17 (Thukydides) sowie M2 und M4. 2. Analysiere und vergleiche die in Aufgabe 1 genannten Dar- stellungen und Quellen: Welche bewerten die „attische Demokratie“ positiv, welche negativ? Welche Argumente werden für die jeweilige Beurteilung herangezogen? 3. Erörtere und bewerte mit Hilfe der Quellen und Darstellun- gen die „attische Demokratie“. 4. Formuliere Fragen zur „attischen Demokratie“, auf welche du in diesen Texten keine (ausreichende) Antwort bekom- men hast. 5. Beschreibe mit Hilfe von M3, M5 und M7 die wesentlichen Merkmale direkter und repräsentativer Demokratie. Ar- beite heraus, wie sie von den einzelnen Autoren bewertet werden. 6. Analysiere und beurteile anschließend, für welche Art von „Staaten“ (z. B. kleine, große) sich die direkte bzw. reprä- sentative Demokratie jeweils besser eignet und welche Vor- bzw. Nachteile diese beiden Herrschaftsformen haben. 7. Analysiere die Aussagen in M5 und M6 zum Wahlverhalten und politischen Stil in Österreich und nimm dazu Stellung. 8. Analysiere die Aussage des amerikanischen Politikwissen- schafters (M8) über die „starke Demokratie“. 9. Nimm zu diesen Vorschlägen persönlich Stellung, vor allem im Hinblick auf die Zukunft der Demokratie in Österreich. 10. Entwickelt in Kleingruppen ein „5-Punkte-Kurzprogramm“ mit dem Titel „Wir verbessern die Demokratie in Öster- reich!“ und präsentiert eure Ergebnisse in der Klasse. M6 M7 M8 25 Die antike Welt – Griechenland und Rom Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=