Zeitbilder 5/6, Schulbuch

15. Der Liberalismus – Forderungen und Umsetzung Die in diesem Kapitel präsentierten Textquellen sowie die im Kapitel 8 „Der Wirtschaftsliberalismus“ (S. 208 f.) vorgestellten Text- und Bildquellen (Smith, S. 208 f.; Karikatur, S. 209) dienen dazu, die Historische Methodenkompetenz weiterzuentwickeln. Es sollen die in den Originalquellen zum Ausdruck gebrachten Vorstellungen und verwendeten Begriffe des Liberalismus mit späteren Darstellungen von Historikern und Politikwissenschaf- tern zu diesem Thema (M2, M3, M4) verglichen werden. Diese Arbeitsschritte fördern auch die Entwicklung von Teil- kompetenzen der Politischen Handlungskompetenz – z. B. sich eine eigene Meinung zu bilden, Werturteile und Interessen zu artikulieren und zu vertreten. M1 Der Liberale Benjamin Constant de Rebecque schrieb 1815 in „Über die individuelle Freiheit“: Diese Freiheit ist in der Tat das Ziel einer jeden menschlichen Gemeinschaft: Auf sie stützt sich die öffentliche und private Moral, auf ihr beruhen alle Berechnungen von Handel und Gewerbe; ohne sie gibt es für die Menschen keinen Frieden, keine persönliche Würde, kein Glück. (Zit. nach: Pelzer, Freiheit, aber für wen? In: Die Zeit. Welt- und Kultur- geschichte Bd. 10: Zeitalter der Revolutionen, 2006, S. 160) M2 Iring Fetscher, Politikwissenschafter: Liberalismus: Fassen wir zusammen: Der Liberalismus ist die Ideologie des aufsteigenden Bürgertums. Er drückt sich auf politischem Gebiet durch das Ide- al des „minimal state“ aus, einer Staatsgewalt, die durch „checks and balances“, Beschränkungen und Gegengewichte, daran gehindert wird, stärker als unbedingt nötig ins Leben der einzelnen einzugrei- fen. Der Staat wird im Übrigen auf religiösem, welt- anschaulichem und ethischem Gebiet zu strikter Neutralität verurteilt [...]. Auf kulturpolitischem Gebiet tritt der Liberalismus für eine Trennung der Kirche vom Staat und voll- ständige Gewissens- und Meinungsfreiheit ein. Re- ligion ist für ihn „Privatsache“ (so auch später für die Arbeiterparteien). Auch auf kulturellem Gebiet soll „freier Wettbewerb“ stattfinden und jeder sei- ne idealen Vorstellungen und Entwürfe entwickeln können. (Fetscher, Politische Ideen in der jüngeren Geschichte. In: Fetscher, Münkler (Hgg.), Politikwissenschaft. Begriffe – Analysen – Theorien. Ein Grundkurs, 1985, S. 40–42) M3 Thomas Meyer, Politikwissenschafter: Wovon geht der wirtschaftliche Liberalismus aus? Nach liberaler Auffassung wird den Grundwerten der Gleichheit und Freiheit nur eine Wirtschafts- verfassung gerecht, die die freie Verfügung des Indi- viduums über sein privates Eigentum an Produktions- mitteln mit einem allein durch Vertragsfreiheit und Wettbewerb regulierten Markt verbindet [...]. Der- Staat hat lediglich das Eigentum und die Funktions- fähigkeit des Marktes zu garantieren, sich aber jeder Einmischung in das Wirtschaftsleben zu enthalten. (Meyer, Was ist Politik?, 2000, S. 138–139) M4   Der Historiker Christoph Nonn zu Höhepunkt und Niedergang des Liberalismus: Zwischen etwa 1850 und 1880 hatte sich [der Li- beralismus] auf dem Höhepunkt seines Einflus- ses befunden. Wo es in Europa während dieser Zeit schon eine öffentliche Meinung gab, die sich in Pres- se und Politik frei äußern konnte, wurde sie meist von den Liberalen gemacht. Liberale Parteien dominier- ten die europäischen Parlamente oder spielten in ih- nen zumindest eine wichtige Rolle. Liberaler Druck hatte die absolute Monarchie ebenso wie adelige und kirchliche Privilegien in West- und Mitteleuropa zurückgedrängt [...]. Doch ab ungefähr 1880 verdich- teten sich die Anzeichen für Verfall und Niedergang des Liberalismus [...]. [...] Viele der seit Anfang des 19. Jahrhunderts vom Liberalismus vertretenen Ziele – Gleichheit vor dem Gesetz, Rechtsstaat, Verfassungen, individuelle Frei- heitsrechte – hatten am Ende des Jahrhunderts unter Europäern soviel an Attraktivität gewonnen, dass sie sich allgemeiner Akzeptanz erfreuten [...]. (Nonn, Das 19. und 20. Jahrhundert. Orientierung Geschichte, 2007, S. 139–141) Fragen und Arbeitsaufträge 1. Arbeite grundsätzliche Begriffe und Vorstellungen des Libe- ralismus aus den originalen Quellen von Smith (S. 208 f.) und M1 heraus und halte diese fest. 2. Beschreibe die Karikatur (S. 226) hinsichtlich zentraler Kritikpunkte des Liberalismus am Obrigkeitsstaat. Notiere diese Kritikpunkte und ergänze damit die Notizen zu A1. Beurteile die Aussagekraft und Wirkung einer Bildquelle im Vergleich zu Textquellen. 3. Arbeite die Verwendung und Beurteilung grundsätzlicher Begriffe und Vorstellungen des Liberalismus anhand der Darstellungen M2 und M3 heraus. Notiere die Ergebnisse. 4. Vergleiche die Ergebnisse von A1, A2 und A3 daraufhin, wie die grundsätzlichen Begriffe und Vorstellungen in M1, M2, M3 und M4 zum Ausdruck gebracht werden. Halte die Er- gebnisse fest. Vergleicht diese in der Klasse und diskutiert sie. 5. Beurteile ein Grundprinzip des Liberalismus: So wenig Staat wie nötig, so viel politische Mitwirkung (Partizipation) wie möglich. Diskutiert dessen Aktualität. 6. Diskutiert anhand von M4 Gründe für den Niedergang des politischen Liberalismus aus historischer Perspektive. 227 Kompetenztraining  Historische Methodenkompetenz Die in Darstellungen der Vergangenheit verwendeten Quellenaussagen mit historischen Originalquellen vergleichen Nur zu Prüfzwecken – Eigentu des V rlags öb

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=