Zeitbilder 5/6, Schulbuch

deutend erhöhen kann, wenn nicht vorher das Kapital oder die Geldmittel, die zu ihrem Unterhalt bestimmt sind, vermehrt werden. Die Produktivität der gleichen Anzahl von Arbeitskräften kann nur auf zweierlei Weise gesteigert werden: entweder durch verstärkten Einsatz verbesserter Maschinen [...] oder durch eine geeignetere Arbeitsteilung [...]. In jedem Fall ist fast immer ein zusätzlicher Kapitaleinsatz notwendig. (Smith, a. a. O.; in: Hartwell, Die Ursachen der industriellen Revolution, 1972, S. 44) Das nötige Kapital für modernere, größere oder gänz- lich neue Industrieanlagen kam von verschiedenen Sei- ten. Adelige investierten ihre Einnahmen aus Grund- pacht und Landwirtschaft, Großkaufleute ihr Vermögen aus dem (Kolonial-)Handel, Handwerker ihren Produk- tionsgewinn. Unternehmungswillige Freunde grün- deten Partnerschaften, Familien legten ihr erspartes Geld zusammen, um es in zukunftsträchtige Betriebe, risikoreiche Unternehmen oder auch in reine Spekula- tionsgeschäfte zu investieren. Nordenglische Gruben- besitzer verbanden sich mit Londoner Kohlenhändlern, Brauereibesitzer mit den Malzlieferanten und Erfinder mit Kapitalgebern. Aber auch wenig vermögende Leute wie Maschinenbauer und Spinner schlossen sich zusam- men, um kleine Fabriken zu gründen. Im 18. Jh. war der Kapitalbedarf noch relativ gering, sodass auch einzelne Arbeiter und Angestellte mit eigenem und geborgtem Geld den Aufstieg zum Unternehmer schafften. Jede technische Erfindung wurde genutzt und verbessert, die Arbeitsteilung vorangetrieben, die Betriebe vergrößert. Die Pro-Kopf-Erzeugung nahm in der englischen Indus- trie ständig zu. Der Absatz für die Massengüter war ge- sichert: In England selbst, in den Kolonien, besonders aber in Kontinentaleuropa, wo die englischen Produkte noch im 19. Jh. für lange Zeit den Markt beherrschten.  Bernhard Canacan, Der Kapitalismus. Comic aus Bernhard Canacan: Ricardo, Marx, Keynes & Co., 1990, S. 15. Hochkapitalismus und Weltwirtschaft Diese neue Wirtschaftsform des industriellen Kapita- lismus hatte die ständige Steigerung des Kapitals und möglichst hohe Gewinne zum Ziel. Voraussetzung dafür waren ausgebaute Verkehrswege (zwischen Rohstoff- basen, Produktionsstätten und Verbrauchermärkten)  Franz Alt (1821–1914), Rotunde und Ausstellungsgelände. Aquarell, wiedergegeben in einem Farbdruck, 1873. Weltausstellung Wien 1873: Wenige Tage nach der Eröffnung der Welt- ausstellung im neu geschaffenen Industriepalast in Wien am 1. Mai 1873 kam es zum „Schwarzen Freitag“ an der Wiener Börse. sowie der Abbau der vielen Zollgrenzen, um die Mas- sengüter möglichst vielen Konsumenten billig anbieten zu können. Mit dem Übergang zur Großproduktion wurde jedoch immer mehr Kapital benötigt, was selbst von großen Unternehmern nicht mehr allein aufgebracht werden konnte. Zum Bau der großen Industrieanlagen, für die Erschließung neuer Bergwerke, besonders aber für den Ausbau des Eisenbahnnetzes schlossen sich Unterneh- mungen zu Gesellschaften zusammen. Diese gingen mit Aktien an die Börse oder zogen Banken als Financiers heran. So entstanden seit der Mitte des 19. Jh. in den jungen Industrieländern innerhalb weniger Jahre vie- le Aktiengesellschaften sowie große Bankinstitute. Das starke Wirtschaftswachstum zwang die großen Indust- riebetriebe bald zum internationalen Güteraustausch. Der von England ausgehende Freihandel förderte den Ausbau eines weltumspannenden Wirtschafts- und Handelsraumes. Die Einführung der Goldwährung führte erstmals zu einem wirksamen Weltwährungssys- tem, das die Freiheit des internationalen Zahlungsver- kehrs garantierte. Der Aufschwung der Weltwirtschaft konnte auch durch eine große europäische Wirtschaftskrise nicht gestoppt werden, die 1873 durch den „Krach“ an der Wiener Börse ausgelöst wurde: Zahlreiche kleine und große Firmen gingen bankrott, kleine und große Aktionäre verloren ihr Geld, hunderttausende Arbeiterinnen und Arbeiter verloren ihren Arbeitsplatz. Die Krise hatte mehrere Ursachen: Überproduktion und damit verbun- dene Absatzschwierigkeiten, mit Krediten finanzierte Spekulationsgeschäfte von Banken und Gesellschaften sowie ein beinharter Konkurrenzkampf der in- und aus- ländischen Unternehmer. Nach Jahrzehnten außeror- dentlichen Produktionswachstums folgten nun bis zum Ende des 19. Jh. Jahrzehnte der Stockung, d. h. ganz geringer Wachstumsraten. Fragen und Arbeitsaufträge 1. Fasse die Merkmale des Wirtschaftsliberalismus zusam- men und vergleiche sie mit jenen des Merkantilismus. 2. Arbeite die Ursachen der Krise von 1873 genau heraus. 209 Von der Aufklärung bis zum Ersten Weltkrieg Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des V rlags öbv

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