Zeitbilder 5/6, Schulbuch

Die Republik entledigt sich des Königs Die Bedrohung von außen und die schwierige Wirt- schaftslage mobilisierten dieMassen von Paris. Die Sans- culotten – Kleinhändler, Handwerksgesellen, Dienstbo- ten, Tagelöhner, Wäscherinnen – radikalisierten sich zunehmend. Sie hofften, dass die Revolution ihnen zu einem menschenwürdigen Leben verhelfen würde. Ra- dikale Agitation ließ den Hass offen ausbrechen: Der kö- nigliche Palast (die Tuilerien) wurde gestürmt. Ludwig XVI. flüchtete in den Schutz der Nationalversammlung. Diese stand unter dem Druck der Jakobiner, die sich v. a. auf die Sansculotten stützten. Der König wurde von der Nationalversammlung für abgesetzt erklärt und gefan- gen genommen. Ohne den König war die Verfassung nicht mehr intakt. Deshalb löste sich die Nationalversammlung auf. Der neu gewählte Nationalkonvent beschloss gleich in seiner ersten Sitzung am 21. September 1792 die Ab- setzung des Königs und die Ausrufung der Republik. Im Jänner 1793 verurteilte er den Bürger „Louis Capet“ zum Tod. Wenige Tage später fiel dessen Kopf unter der Guillotine.  Anonym (Dänische Schule). Gemälde, 1793. Die öffentliche Hinrichtung Ludwigs XVI. am 21. Jänner 1793. Das revolutionäre Frankreich kämpft gegen Europa Die Hinrichtung des Königs war ein schwerer Schlag für das Ansehen des Königtums. Nun verschärften die absoluten Monarchen den Krieg gegen Frankreich. Um gegen die Gegner bestehen zu können, wurde in Frankreich die Kriegsführung revolutioniert. Die Ein- führung der allgemeinen Wehrpflicht band die gesamte Bevölkerung in das Kriegsgeschehen ein: Q Vom heutigen Tag an bis zu dem Tage, an dem die Feinde vom Boden der Französischen Re- publik vertrieben sein werden, sind alle Franzosen dauernd zum Wehrdienst verpflichtet. Die jungen Männer ziehen in den Kampf; die Verheirateten schmieden Waffen und tragen Lebensmittel herbei; die Frauen fertigen Zelte und Kleider und dienen in den Lazaretten. Die Kinder zupfen altes Leinen zu Fäden; die Greise lassen sich auf öffentliche Plätze tragen, um den Mut der Krieger anzuspornen, sie mit Hass gegen die Könige und Liebe zur Einheit der Re- publik zu erfüllen. Bürger, die nicht verheiratet sind, sowie kinderlose Witwer im Alter von 18 bis 25 Jah- ren werden zuerst marschieren. (Dekret des Konvents über die „Levée en masse“ vom 23. August 1793; zit. nach: Hartig, Die Französische Revolution, 1984, S. 94 f.) Erkläre den Eindruck, den dieses Dekret auf dich macht. Erläutere, ob heute ein Volk leichter (schwerer) mobilisiert werden könnte. Begründe deine Meinung. Terror als Regierungsmittel Den Jakobinern gelang es schließlich, die Macht an sich zu reißen. Diese radikale Minderheit hatte sich – vorerst in Paris – durchgesetzt. Die Provinzen begannen sich aber gegen die zentralistische Diktatur der Jakobiner zu erheben. Diese Aufstände wurden mit aller Grau- samkeit (Massenerschießungen und Massenertränkun- gen) niedergeschlagen. Auch in der Kulturpolitik kam es zu radikalen Neue- rungen. Die Kirchen- und Religionsfeindlichkeit erlebte einen Höhepunkt. Das Christentum wurde abgeschafft und ein „Kult der Vernunft“ eingeführt. An die Stelle des christlichen Kalenders trat ein „vernünftiger“: Die Monate wurden in drei Dekaden geteilt, Tage und Mo- nate erhielten neue Namen. Die Politik der Pariser Regierung geriet in dieser Zeit un- ter den Druck der radikalisierten Bevölkerung von Paris. Drei Gesetze begründeten die nun folgende „Schre- ckensherrschaft“ der Gruppe um Robespierre (Septem- ber 1793 bis Juli 1794): –– Der Schrecken (la terreur) wurde offiziell als Regie- rungsmittel anerkannt. –– Das Gesetz gegen die Verdächtigen ermöglichte es dem Regime, sich aller Personen zu entledigen, die es für gefährlich hielt. –– Es wurden Lebensmittelhöchstpreise festgesetzt. Alle, die gegen diese und andere Gesetze verstießen, wurden verhaftet und vor ein Revolutionstribunal ge- stellt. Entweder konnte man von ihm freigesprochen werden oder man kam unter die Guillotine, das „Ra- siermesser der Nation“. Ein ordentlicher Prozess oder eine Verteidigungsmöglichkeit war nicht vorgesehen. Insgesamt werden die Opfer der Schreckensherrschaft auf ca. 15 000 allein in Paris geschätzt; dazu kamen noch mehr als 100 000 im übrigen Frankreich. Die meisten Opfer entstammten den Unterschichten. Sie hatten sich durch Verstöße gegen das Höchstpreis-Ge- setz ein besseres Leben schaffen wollten. Aber selbst die Regierungskollegen waren vor Robespierres Dik- tatur nicht sicher. Um seine Macht zu sichern, brachte er alle seine Rivalen vor das Revolutionstribunal, das ganz unter seinem Einfluss stand. Dieses schickte sie dann weiter zur Guillotine: „Die Revolution fraß ihre Väter.“ Schließlich schlossen sich die Bedrohten zu- sammen und verhafteten den Diktator. Robespierre en- dete wie die Opfer seiner Schreckensherrschaft unter dem Fallbeil. 194 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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