Zeitbilder 5/6, Schulbuch

3. Die Französische Revolution Vorrechte für die beiden ersten Stände Die Bevölkerung Frankreichs betrug vor Beginn der Re- volution ca. 25 Millionen Menschen. Zur Zeit des Ancien régime (absolute Monarchie vor 1789) war die Gesell- schaft in drei voneinander getrennte Stände gegliedert. Dabei entfielen etwa 120 000 Menschen (0,5%) auf die Geistlichkeit (Erster Stand) und etwa 350 000 (1,5%) auf den Adel (Zweiter Stand). Die übrigen 98% der Bevöl- kerung – vom Tagelöhner bis zum Bankier – waren im „Dritten Stand“ zusammengefasst. Die beiden ersten Stände besaßen Vorrechte (Privilegien), der Dritte Stand nicht. Die Mitglieder des Dritten Standes mussten auch fast allein die Steuern bezahlen. Klerus und Adel waren nämlich von Steuerzahlungen befreit. Die hohe Geist- lichkeit (Bischöfe, Äbte) setzte sich ausschließlich aus Adeligen zusammen. Sie verfügte über den Grundbe- sitz der Kirche (etwa 10% der Landesfläche) und somit über ein sehr hohes Einkommen. Die weit über 100 000 Pfarrer, Ordensbrüder und Nonnen waren hingegen von niedriger Herkunft. Sie teilten die Armut der unteren Bevölkerungsschichten. Der Adel verfügte über etwa 20% der Ländereien des Königreiches und besaß darü- ber hinaus zahlreiche Privilegien: Nur sie konnten hohe Offiziere werden, wichtige Posten in der Verwaltung und bedeutende Ämter in der Kirche besetzen. Dritter Stand: Benachteiligte Bürger und Frauen Zum Dritten Stand gehörte sowohl die bürgerliche Be- völkerung in den Städten (ca. 14%) als auch die bäuer- liche Bevölkerung auf dem Lande (ca. 84%). Das Groß- bürgertum (Bourgeoisie) war die entscheidende Grup- pe des Dritten Standes: Durch Handel, Bankgeschäfte und als Besitzer von Manufakturen und Bergwerken gelangten sie zu großem Reichtum. Bei ihnen und bei den Ärzten, Juristen und Beamten stießen die Ideen der Aufklärung auf große Zustimmung. Sie kritisierten die Missstände im Königreich und forderten eine politische Mitsprache. Auf der untersten Stufe der Stadtbevöl- kerung standen Tagelöhnerinnen und Tagelöhner so- wie Dienstboten ohne feste Anstellung. Sie schufteten bis zu 16 Stunden täglich, mussten fast den gesamten Lohn nur für Brot ausgeben und in elenden Quartieren hausen. Die bäuerliche Bevölkerung machte mit über zwanzig Millionen Menschen den größten Teil des Drit- ten Standes aus. Die überwiegende Zahl der Landbe- völkerung war frei. Etwa eine Million Bäuerinnen und Bauern befanden sich noch in Leibeigenschaft. 35% der Bodenfläche war in bäuerlichem Besitz. Der Anteil, der jeder/jedem Ein- zelnen zukam, war jedoch winzig. Die stärkste Gruppe der Landbevölkerung bildeten die landlosen Bäuerin- nen und Bauern. Sie fristeten als Landarbeiterinnen und Landarbeiter sowie Tagelöhnerinnen und Tagelöhner ein miserables Leben. Sie waren stets von Wirtschaftskrisen und Missernten bedroht. In manchen Gegenden war die Not so groß, dass die Zahl der bettelnden und räuberi- schen Menschen bis zu 20% der Bevölkerung betrug. Die bäuerliche Bevölkerung war durch das Steuer- system besonders benachteiligt. Obwohl sie keinerlei Einfluss auf das öffentliche Leben hatten, mussten sie dreifache Abgaben – an den Staat, an die Kirche und an den Feudalherrn – leisten. Sie forderten daher die Aufhebung aller grundherrlichen Rechte und eine ge- rechte Besteuerung.  Anonym, Das Erwachen des Dritten Standes. Karikatur, 1789. Der Dritte Stand sprengt seine Ketten und greift zu den Waffen; im Hinter- grund wird die Bastille abgerissen.  Anonym, Sturm auf die Bastille, nach Angaben des an der Erstürmung beteiligten Leutnants Cholat. Aquarell, zeitgenössisch. Die Erstürmung der Bastille (Staatsgefängnis) durch die Pariser Bevölkerung am 14. Juli 1789 gilt als der Beginn der Französischen Revolution. 190 Nur zu Prüfzwecken – Eige tum des Verlags öbv

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