Zeitbilder 5/6, Schulbuch

Expansion – vom Kolonialismus zum Imperialismus 171 Der Journalist und Historiker Kim Song Hoang über die „Mission Atalanta“ zur Bekämpfung der Piraterie vor Somalia (2015): [...] Sie wurde im Dezember 2008 gestartet, nachdem Piraten vor dem Horn von Afrika allein in jenem Jahr 42 Schiffe entführt hatten. Gemeinsam mit dem Golf von Aden gilt diese Region als ausge- sprochen wichtiger Handelsweg, unter anderem für Öllieferungen aus dem Nahen Osten. Europäische Seestreitkräfte wurden beauftragt, Schiffe mit Hilfs- lieferungen für den Krisenstaat Somalia sowie Han- delsschiffe zu schützen. Mittlerweile dürfen EU-Trup- pen auch Stützpunkte der Piraten an der somalischen Küste angreifen. Die Mission gilt als großer Erfolg, laut International Maritime Bureau (IMB) gab es vor Somalia im vergangenen Jahr gerade einmal drei Versuche von Piraten, Schiffe zu kapern – alle schei- terten. Die völkerrechtliche Legitimation der Mission Atalanta basiert unter anderem auf UN-Resolution 1816, mit der alle Staaten, die mit der somalischen Übergangsregierung kooperieren, ermächtigt wer- den, ins Hoheitsgebiet Somalias einzudringen und alle Maßnahmen gegen Piraterie zu ergreifen. Das betreffende Land, Somalia, hat den Einsatz der EU also von Anfang an unterstützt [...]. Atalanta als rein humanitäre Mission zu betrachten, kann man guten Gewissens als sehr naiv bezeichnen. Zwar konnten dadurch hunderte Schiffe des Welter- nährungsprogramms (WFP) ungehindert in Somalia anlegen und mehr als eine Million Tonnen Lebens- mittel in das hungerkrisengeplagte Land bringen. Doch hätten nicht alle – auch Russland und Chi- na – hier an einem Strang gezogen, wenn nicht Han- delsinteressen vieler Länder betroffen gewesen wä- ren; schließlich führen alle Schifffahrtsrouten von Eu- ropa zum Indischen Ozean über den Golf von Aden. Dass die ökonomischen Interessen im Vordergrund standen, merkt man unter anderem daran, dass sich die internationalen Bemühungen, Somalia selbst zu stabilisieren, in überschaubaren Grenzen halten. Das ostafrikanische Land galt jahrelang als schwächster Staat – ein sogenannter fragile state – der Welt, nur aufgrund der labilen Zustände im Südsudan ist Mo- gadischu seit dem vergangenen Jahr diese Bezeich- nung los. [...] Die 1.400 Mann starke Mission Atalan- ta war der erste gemeinsame maritime EU-Militärein- satz. Doch unterstützen diverse andere Länder und auch die Nato die europäischen Streitkräfte; außer- dem hatten Nato und die USA bereits Anti-Piraterie- Einsätze im Indischen Ozean durchgeführt und ihren Erfahrungsschatz bereitwillig weitergegeben. [...] Zumindest in dieser Hinsicht wird bei Mission Ata- lanta und beim geplanten Anti-Schlepper-Einsatz [der EU im Mittelmeer, A. d. A.] auf die gleiche Stra- tegie gesetzt: Sie bekämpfen nicht die Ursache, in- dem sie die Zustände in Afrika [...] beziehungsweise in Somalia nachhaltig verändern, sondern die daraus resultierenden Konsequenzen: Piraterie. [...] (derstandard.at/2000016025814/EU-Militaereinsaetze-Piraten-sind- keine-Schlepper, abgerufen am 17. 4. 2016) Fragen und Arbeitsaufträge 1. Beschreibe die Gründe, die laut dem Autor (M1) Matrosen im 16. und 17. Jh. hatten, um Piraten zu werden. 2. Schildere die Faktoren, die den Seeraub begünstigten, und nenne Maßnahmen, welche die Piraterie schließlich ein- dämmten (M1). 3. Erläutere, inwieweit du mit diesen Informationen beurteilen kannst, ob die Aussagen des Autors zum Thema „Piraterie im 16. und 17. Jh.“ stichhaltig und nachvollziehbar sind. 4. Erkläre, ob der Text deine Meinung über die Piraten im 16. und 17. Jh. beeinflussen konnte. 5. Beschreibe die Gründe, die der Autor (M2) für Piraterie in Somalia anführt und welche Rolle seiner Ansicht nach die westlichen Industrienationen dabei spielen. Recherchiere dazu und versuche festzustellen, auf welchen Tatsachen seine Aussagen beruhen. 6. Benenne die Vorschläge, die der Autor zur Lösung des Prob- lems macht (M2). Beruft er sich dabei auf andere Personen? 7. Beurteile, welche Konsequenzen die Umsetzung dieser Vorschläge für die Bevölkerung von Somalias Küste hätte. Nimm dazu Stellung. 8. Untersuche mit Hilfe von M1 und M2 Parallelen und Un- terschiede bezüglich der dort angeführten Ursachen für Piraterie. 9. Analysiere alle drei Texte in Bezug auf Autoren und Medien, in denen die Texte erschienen. Erörtere, ob du irgendwel- che persönlichen oder politischen Interessen der Autoren in Hinblick auf das Thema erkennen kannst. 10. Skizziere, wie der Journalist Kim Song Hoang die „Mission Atalanta“ zur Bekämpfung der Piraterie beschreibt (M3). Erläutere, wie er das Projekt bewertet. 11. Erörtere, welche Informationen du (noch zusätzlich) haben müsstest, um ein eigenes Urteil über die Wirksamkeit der „Mission Atalanta“ fällen zu können. 12. Erörtere, wer wohl die Adressaten der Autoren von M1, M2, M3 sind. Erläutere, welche Absichten und Wirkungen die Autoren mit ihren Beiträgen zum Thema „Piraterie“ vermut- lich verfolgten. 13. Diskutiert, inwiefern die Auseinandersetzung mit dem The- ma „Piraterie – einst und heute“ eure Ansichten dazu ver- ändert haben.  Die deutsche Fregatte „Rheinland-Pfalz“ vereitelt im März 2009 den Piratenangriff auf das Handelsschiff „MV Courier“ der deutschen Reede- rei Gebruder Winter im Golf von Aden. (Foto, 2009) M3 Nur zu Prüfzw cken – Eigentum des Verlags öbv

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