Zeitbilder 5/6, Schulbuch

dem andern künftig irgendwelche Feindseligkeit [...] antun soll, vielmehr sollen alle [...] Beleidigungen, Gewalttaten, Feindseligkeiten, Schäden und Unkos­ ten [...] dergestalt gänzlich abgetan sein, dass alles, was deshalb der eine vom andern fordern könnte, in immerwährendem Vergessen begraben sein soll. Art. 3, §1. Gemäß diesem Grundsatz [...] sollen alle und jede Kurfürsten, Fürsten und Stände des hl. Rö­ mischen Reiches [...] vollständig wieder in den Stand eingesetzt werden, denen sie sich vor ihrer Entset­ zung erfreut haben. [...] Art. 5, §1. Der [...] im Jahr 1555 darauf erfolgte Re­ ligionsfriede soll in all seinen Artikeln für gültig ge­ halten [...] werden [...]. (Aus dem Friedensvertrag von Osnabrück; in: Lautemann/Schlenke (Hg.), Geschichte in Quellen, 1982, S. 346 f.) Geheimprotestantismus in den österreichischen Ländern: Nachdem die sozialen Träger des Protestantis­ mus des 16. Jahrhunderts, die Bürger und der Adel, entweder das Land verlassen hatten oder wieder katholisch geworden waren, war nun die ländliche, bäuerliche Bevölkerung – wohl im Untergrund – der soziale Träger des evangelischen Glaubensgutes. Rechtlich gehörte jeder evangelische Untertan zur ka­ tholischen Pfarre vor Ort, die für alle zuständig war. Ge­ heimprotestanten wurden also vom katholischen Pfar­ rer getauft, von ihm getraut und auf dem (katholischen) Dorffriedhof beerdigt. Hin und wieder findet man [...] Indizien für Hausbegräbnisse oder Begräbnisse außer­ halb der Friedhofsmauern. Manchmal wurde nämlich Personen, die als Anhänger Luthers bekannt waren, ein Begräbnis in der „geweihten Erde“ verweigert. Die religiöse, geistliche Nahrung der Geheimprotes­ tanten bildeten die evangelischen Bücher (Gebets-, Lieder- und Andachtsbücher, Bibeln). [...] Der Besitz von „ketzerischen“ Büchern war allerdings verboten; es drohten Geldstrafen und im schlimmsten Fall die zwangsweise Umsiedlung nach Ungarn oder Sieben­ bürgen. Daher waren die Bauern im Erfinden von Bü­ cherverstecken ideenreich: z. B. in hohlen Bäumen, in Mauernischen, Doppelwänden oder -böden oder unter der Futterkrippe einer störrischen Kuh. Neue Bücher konnten von berufsmäßigen Bücherträgern („Kraxen­ trägern“) erworben werden, die für Büchernachschub aus Deutschland sorgten. [...] Geheimprotestanten nahmen als katholische Christinnen und Christen amgottesdienstlichen Leben ihrer Pfarrgemeinde teil. [...] Daneben versammelten sich die Evangelischen zu eigenen gottesdienstlichen Zusammenkünften [...]. Neben den Zusammenkünf­ ten in Bauernhäusern gab es auch Treffen im Freien [...]. Laienprediger sorgten für die Abhaltung von Konventikeln [= Gottesdienste, Anm. d. A.]. [...] Die weltliche und geistliche Obrigkeit wusste vom Vorhandensein von Geheimprotestanten. Die ver­ dächtigen, „infizierten“ Gebiete waren bekannt, doch die tatsächliche Verbreitung kannte man nicht. Staat und Kirche versuchten gemeinsam, durch Hausdurch- suchungen nach versteckten evangelischen Büchern, durch Verhöre, durch die Einweisung von Evangeli­ schen in Missionsstationen etc. den Geheimprotestan­ tismus zu bekämpfen [...]. Das Vorgehen gegen die Geheimprotestanten wurde durch die zwiespältige Haltung der katholischen Pfarrer erschwert. Einerseits sollten sie die Evangelischen in den Schoß der katholi­ schen Kirche zurückführen, andererseits waren sie auf die Einkünfte derselben angewiesen. Der eine oder an­ dere Pfarrer ging aus Rücksicht auf sein Einkommen gegenüber den Evangelischen zurückhaltender vor. (Hochmeir, Geheimprotestantismus; in: Vocelka u. a. (Hg.), Renais- sance und Reformation, 2010, S. 359–369) Fragen und Arbeitsaufträge M1 und M2 sind zwei historische Quellen: Es sind aus Holz- schnitten gefertigte Flugblätter aus der Anfangszeit der Refor- mation. Dabei handelt es sich um zwei Karikaturen. Darunter versteht man in diesem Fall die komisch-bösartig überzeichnete Darstellungen von Menschen (Luther, Papst). Karikaturen thematisieren häufig aktuelle Ereignisse, Missstän- de und Probleme oder wollen Eigenheiten, Fehler oder Schwä- chen einer Person humoristisch aufdecken oder sogar der Lä- cherlichkeit preisgeben. 1. Benenne das Thema der Karikaturen M1 und M2 und be- schreibe sie: Wer, was, wie wird dargestellt (körperliche Merkmale, Gestik, Attribute, symbolische Gegenstände, Hintergrund etc.) und welches Stilmittel wurde verwendet? 2. Recherchiere Informationen über die beiden Künstler (u. a. ihre konfessionelle Zugehörigkeit). 3. Benenne den Adressatenkreis, der jeweils angesprochen werden sollte. 4. Arbeite die (unterschiedlichen) Aussagen der Karikaturen heraus und erörtere ihre mögliche Wirkung. M3 und M4 sind so genannte normative Quellen. Diese enthal- ten Aussagen, wie etwas sein oder gemacht werden soll. Dazu zählen z. B. Gesetzes-, Vertragstexte oder (politische) Grundsatz- erklärungen. Für deren Bearbeitung gelten dieselben Richtlinien wie bei allen anderen schriftlichen Quellen. 5. Benenne Thema, Textsorte, Verfasser, möglicherweise Zeit- punkt und Ort des Erscheinens der beiden Quellen. 6. Gib in eigenen Worten die Inhalte von M3 wieder. Verglei- che sie mit den Forderungen aus den „12 Artikeln“ (vgl. S. 126): Stelle Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede fest. 7. Benenne die wichtigsten Punkte von M4. 8. Analysiere und beurteile diese Punkte: Welche dieser Be- stimmungen hältst du für die Aufrechterhaltung des Frie- dens für besonders wichtig? M5 ist eine Darstellung, auch Sekundärquelle genannt (s. S. 7–9). Sie wurde von einem Historiker verfasst und als Fachaufsatz ver- öffentlicht. Auch an sie werden ähnliche Fragen wie an eine hi- storische Quelle gestellt. 9. Beschreibe anhand von M5 die Merkmale des Geheim- protestantismus in den österreichischen Ländern, wie er ausgeübt wurde und welche Maßnahmen Kirche und Staat dagegensetzten. 10. Erörtere, ob der Autor in seiner Darstellung Partei ergreift, glaubwürdig ist oder eine bestimmte Absicht verfolgt. 11. Formuliere Fragen zum Thema, auf die dir diese Darstel- lung keine Antwort(en) gegeben hat. M5 Die frühe Neuzeit – Europa im Wandel 135 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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