Zeitbilder 5/6, Schulbuch

planung über Finanzierung, Verkehrsplanung bis hin zu Partizipationsprojekten. (Verfasst unter Einbeziehung von O. Frey: Die Stadt von morgen. In: Spektrum der Wissenschaft Spezial 1/2016, S. 86–89.) Ungeordnetes Wachstum von Städten: Heute beobachten wir zum Beispiel das maßlose und ungeordnete Wachsen vieler Städte, die für das Leben ungesund geworden sind, nicht nur auf- grund der Verschmutzung durch toxische [= giftige] Emissionen, sondern auch aufgrund des städtischen Chaos, der Verkehrsprobleme und der visuellen und akustischen Belästigung. Viele Städte sind große un- wirtschaftliche Gefüge, die übermäßig viel Energie und Wasser verbrauchen. Es gibt Stadtviertel, die, ob- wohl sie erst vor Kurzem erbaut wurden, verstopft und ungeordnet sind, ohne ausreichende Grünflächen. [...] Eine schöne Stadt voller gut gepflegter Grünflä- chen findet man gewöhnlich in einigen „sicheren“ Gebieten, jedoch kaum in weniger sichtbaren Zonen, wo die von der Gesellschaft Ausgeschlossenen leben. [...] Für die Bewohner von sehr problematischen Wohnquartieren kann der tägliche Gang vom Ge- dränge zur sozialen Anonymität, den man in den großen Städten erfährt, ein Gefühl der Entwurzelung hervorrufen, das asoziale und gewaltbereite Verhal- tensweisen fördert. [...] [...] Es genügt nicht, die Schönheit in der Gestaltung anzustreben, weil es noch wertvoller ist, einer ande- ren Art von Schönheit zu dienen: der Lebensqualität der Menschen, ihrer Anpassung an die Umwelt, der Begegnung und der gegenseitigen Hilfe. Auch aus diesem Grund ist es so wichtig, dass die Ansichten der betroffenen Bevölkerung immer die Analysen der Städteplanung ergänzen. (Papst Franziskus, Laudato si. Die Umwelt-Enzyklika des Papstes, 2015, Kap. 44, 45, 149 u. 150; gek.) Selbstverwaltung als politisches Vorbild: „Die hoch- und spätmittelalterliche Stadt zeich- net sich durch folgende Merkmale aus: die frei- en Stadtbürger bildeten eine Bürgergemeinde; jeden Tag herrschte Marktbetrieb; das Stadtgebiet bildete einen eigenen Gerichtsbezirk. [...] Die Selbstverwal- tung der Städte verfestigte sich durch die Einführung des Stadtrats, der in manchen Städten schon am Be- ginn des 13. Jhs. gegenüber den Bürgern als Obrig- keit auftrat. [...] Die mittelalterliche Stadt spielte für die politische Theorie eine große Rolle, als die Auf- klärer im 18. Jh. die Forderung nach Gleichberechti- gung des Bürgertums historisch begründen wollten.“ (Märtl, Die 101 wichtigsten Fragen – Mittelalter, 2006, S. 100 f.) Bürgerrechte als Vorbild für Menschenrechte: Ein Großteil der seit dem 18. Jh. als Grund- und Menschenrechte bekannten Rechte wurden wäh- rend des Mittelalters in Stadtprivilegien zuerst for- muiert. Die zu Geld und Macht gelangten Stadtbürger formulierten aus täglichem Bedarf viele jener Frei- heitsrechte, die Jahrhunderte später als allgemeine Menschenrechte geltend gemacht wurden und nah- men sie in Anspruch. Die Wirkung lässt sich kaum überschätzen. Sie zeitigte eine langfristige rechtliche, wirtschaftliche, politische und geistige Emanzipation (= Befreiung) des Bürgertums aus den Verhältnissen feudaler Herrschaft. (Fried, Das Mittelalter, 2008, S. 194 f. u. S. 554 f.) Mittelalterliche Universitäten fördern Europa: Noch vor der Mitte des 12. Jhs. wurde Bologna durch seine (neben und mit Paris älteste) Uni- versität attraktiv für Tausende Studenten aus ganz Europa. Diese Begegnungen dort führten dazu, dass sich nun die intellektuellen Eliten an den Universi- täten persönlich begegneten und austauschten. Es entstand ein zuvor unbekannter „Ideenmarkt“. Er bewirkte weit über die Universitäten hinaus einen Informationsfluss und internationalen Wissensaus- tausch. Die Universitätsbesucher wirkten alsbald als bevorzugte Prediger und Beichtväter. Auf diese Wei- se nahm auch das breite Kirchenvolk an den geisti- gen Neuerungen teil. So wuchs Europa durch diese Stadtkultur intellektuell zusammen. (Fried, Das Mittelalter, 2008, S. 196; vereinf. u. gek.) Fragen und Arbeitsaufträge 1. Arbeite anhand von M1 die geschichtliche Wurzel des Wortes „Bürger“ heraus und erkläre, wofür dieses Wort steht. Ermittelt in Gruppen Näheres zum Begriff „Bürger/ Bürgerin“ auf www.politik-lexikon.at. Vergleicht die Gruppenergebnisse. 2. Erläutere anhand von M2 Bedeutung und Einfluss von Re- ligion und Kirche auf die mittelalterliche Stadtentwicklung. 3. Vergleiche die Fotos von Rattenberg und Frankfurt am Main (M 3). Stütze dich dabei zunächst auf deine Erkennt- nisse aus Aufgabe 2. Setze dich damit auseinander, inwie- fern Weltanschauungen und Lebenseinstellungen von Ge- sellschaften zu einer bestimmten Zeit (z. B. Mittelalter und Gegenwart) auch die jeweilige Stadtplanung und Stadtge- staltung beeinflussen. Verfasse dazu eine Stellungnahme und diskutiert diese in der Klasse. 4. Arbeite in M2 jene Informationen heraus, die über mittelal- terliche Stadtentwicklung informieren. 5. Fasse die in Aufgabe 3 und 4 erarbeiteten Erkenntnisse zusammen. Benütze sie als Grundlage für einen Vergleich von M4 mit M5 im Hinblick auf Leitideen und Ziele einer modernen Stadtentwicklung. Notiere die Entsprechungen und beurteile deren Bedeutung für die Lebensqualität der Menschen, die in den (zukünftigen) Städten leben. 6. Nimm zu der in M6 und M7 aufgestellten Behauptung Stel- lung, dass die Stadt- und Bürgerrechte des Mittelalters für die Entwicklung des modernen Rechtsverständnisses eine große Bedeutung aufweisen. 7. Diskutiert die in M8 geäußerte Ansicht, die Universitäten des Mittelalters hätten das Zusammenwachsen Europas gefördert. Zieht dazu auch den Abschnitt über Universitä- ten in Kapitel 18 (S. 105) heran. M5 M6 M7 M8 Das Mittelalter – eine 1000-jährige Epoche 107 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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