Zeitbilder 5/6, Schulbuch

17.3 Bauern kämpfen um Besserstellung In den Alpenländern sind sie erfolgreich Schon seit dem 13. Jh. schlossen sich die Bauern in eini- gen Teilen West- und Mitteleuropas in genossenschaft- lichen Bündnissen zusammen. Damit wollten sie ihre Rechte und Freiheiten gegen Nachbarn und Fürsten sichern und manchmal auch eigene Staatswesen ohne „hohe Herren“ gründen. Dauerhaft gelang dies nur den drei Urkantonen Uri, Schwyz und Unterwalden. Deren bäuerliche Bewohnerinnen und Bewohner schlossen sich 1291 zum „Ewigen Bund“ zusammen. Aus die- sem Bund entwickelte sich nach etlichen erfolgreichen Kämpfen gegen die habsburgischen Landesherren der einzige europäische Staat auf bäuerlich-genossen- schaftlicher Grundlage – die Schweiz. Einzigartig im spätmittelalterlichen Europa war die recht- liche Stellung der Bauern in Tirol und Vorarlberg, weil sie an der Landesverteidigung mitwirkten: Sie waren nicht nur persönlich frei; ihre gewählten Vertreter bildeten neben den geistlichen und weltlichen Herren bzw. den Bürgern der Städte einen eigenen Stand in den Landta- gen. Sie konnten an der Landespolitik aktiv teilnehmen (Steuerbewilligungsrecht, Mitsprache bei Gesetzen etc.). In Westeuropa kämpfen sie vergebens Der größte Bauernaufstand in Frankreich ereignete sich mitten im „Hundertjährigen Krieg“ gegen England (1358): Der König und die Grundherren erhöhten trotz der durch den Krieg verwüsteten Ernten die Abgaben und Steuern. Da griffen die Bauern zu den Waffen. Sie zerstörten Adelssitze und erschlugen ihre Herren. Ge- meinsam mit den sonst verfeindeten englischen Rittern besiegten die französischen Adeligen die Aufständi- schen. Fürchterliche Strafgerichte folgten. Ähnlich war es in England im Jahr 1381: König Richard II. hatte binnen vier Jahren zum dritten Mal die Steuern zur Finanzierung des Krieges erhöht und die Grundher- ren wollten die bäuerliche Bevölkerung noch stärker unterdrücken. Der Hass gegen die Obrigkeit verbreite- te sich aber nicht nur unter der bäuerlichen Bevölke- rung. Die Aufständischen wurden auch vom niederen Klerus unterstützt. Sie stellten immer lauter die Frage: „Als Adam grub und Eva spann, wo war denn da der Edelmann?“ Volle Zustimmung erhielt der Prediger John Ball für sein Argument: Q [...] dass Hörigkeit und Leibeigenschaft durch die Unterdrückung gegen den Willen Gottes ein- geführt worden seien. Denn hätte es Gott gefallen, Hörige zu schaffen, so hätte er zu Anfang der Welt bestimmt, wer Sklave und wer Herr sein sollte. (Zit. nach: Töpfer, Allgemeine Geschichte des Mittelalters, 1985, S. 354) Drei gut organisierte Bauernheere marschierten schon nach zwei Wochen in London ein. Hier bekamen sie auch Unterstützung durch die städtische Unterschicht. Zunächst waren die Verhandlungen zwischen dem König und dem Führer der Aufständischen, Wat Tyler, erfolgversprechend. Doch Wat Tyler wurde nach Strei- tigkeiten im eigenen Lager von den königlichen Beglei- tern getötet. Mit einem Blutbad schlugen daraufhin die Ritter den Aufstand nieder. 17.4 Städte überwinden die Katastrophe Mangel an Arbeitskräften hebt Löhne und Preise Die Städte erholten sich von den Katastrophen der Ag- rarkrise und der Pest relativ schnell. Zwar hatte die Pest ein Massensterben bewirkt, doch bei den Überlebenden verblieben Geld und Güter. Damit stieg die Nachfrage nicht nur nach Produkten des täglichen Bedarfs, son- dern auch nach Luxusgütern. Der Mangel an Arbeits- kräften führte aber zu einer viel geringeren Produktion an handwerklichen Gütern. Infolgedessen stiegen die Preise und auch die Löhne. Diese Wirtschaftssituation lockte besonders Zuwanderinnen und Zuwanderer vom Lande an: Sie schlossen jene Lücken, die die Seuche in die Stadtbevölkerung gerissen hatte. War die Stadt bisher vor allem Zentrum der Kaufleute, so erlebte nun auch das Handwerk einen gewaltigen Aufschwung. Der Wunsch nach besserer Qualität führte zu einer größeren Spezialisierung der einzelnen Gewerbe. Kaufleute und Zunfthandwerker setzen sich durch Am Aufblühen der Städte war auch der Handel entschei- dend mitbeteiligt: Die schon bestehenden regionalen Handelsbeziehungen wurden ausgebaut und es kam jetzt auch zu einem weiteren Ausbau des Fernhandelsnetzes. Dabei ging es nicht mehr nur um den Import von exoti- schen Luxusgütern. Vielmehr sollten auch der Export und Import von Massenwaren für den täglichen Bedarf durch bessere Handelsverbindungen gefördert werden. Die großen Städte schlossen miteinander Verträge und erkauften sich kaiserliche Privilegien, um die vielen Handelsbeschränkungen, wie z. B. die (Weg-)Zölle, ab- zubauen. Der Aufschwung von Handel und Gewerbe hatte auch politische Folgen: In vielen Städten Europas setzten sich nun – oftmals erst nach harten Kämpfen – die reich und selbstbewusst gewordenen Kaufleute und Zunfthandwerker gegen die alten Patrizier durch: Sie wurden endlich in die Stadtregierungen aufgenommen. Fragen und Arbeitsaufträge 1. Analysiere die Aussagen von John Ball auf dieser Seite und die dazugehörige Textpassage hinsichtlich der Stellung der Bauern in der Gesellschaft im 14. Jh. Fasse dieses Er- gebnis zusammen und vergleiche es mit der Auffassung zum Bauernstand, welche um das Jahr 1000 und noch im 13. Jh. vorherrschte, wie es in den Quellen und den Text- passagen auf S. 74 und S. 81 zum Ausdruck gebracht wird. 2. Informiere dich in den Medien über die aktuellen wirtschaft- lichen Probleme der Bäuerinnen und Bauern in Österreich. 3. Erörtere die Bedeutung des Abbaus von Privilegien und Handelsschranken für die Wirtschaft. Ermittle Beispiele aus der Gegenwart. 101 Das Mittelalter – eine 1000-jährige Epoche Nur zu Prüfzwecken – Eigentum d s Verlags öbv

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