Zeitbilder 5, Schulbuch

8. Die Adeligen – die Herren der Gesellschaft Den bestimmenden Kern des mittelalterlichen Personen- verbandsstaates bildeten einige hundert hochadelige Familien. Dieser kleine Personenkreis war der fürstliche Adel. Er stand in der Rangfolge direkt unter dem König. Ihm folgte der niedere Adel, an unterster Stelle standen die Ministerialen. Der hohe Adel stammte zum Teil noch aus karolingischer Zeit. In den niederen Adel stiegen diejenigen Freien auf, die sich in den Kriegen des 9. und 10. Jh. behaupten konnten. Sie waren es, denen sich andere freie Bauern als Hörige unterstellten, während sie selbst mit einem Aufgebot in den Krieg zogen, sich dort bewährten und Beute machten. Die Ministerialen schließlich hatten sich im Laufe des 11. und 12. Jh. aus unfreien Knechten und Dienstmannen herausgebildet. Durch Hilfen im Kampf und durch die Übernahme von Verwaltungsaufgaben für ihre Herren (Burgverwalter, Aufseher über abhängige Bäuerinnen und Bauern sowie Handwerkerinnen und Handwerker, Verwalter des Eigenbesitzes u. a.) waren sie in die Schicht der Adeligen aufgestiegen. Im 13. Jh. bestand der Adel etwa zu 80% aus Ministerialen. Auch die Kirche war vom Adel geprägt. Die Bischöfe entstammten dem Adel, unversorgte adelige Söhne und Töchter wurden Äbte und Äbtissinnen, Mönche und Nonnen. Der ärmste Adelige stand in der sozialen Rangfolge hö- her als der reichste Bauer. Überdies bestimmte nach mittelalterlicher Weltauffas- sung der Stand eines Menschen seinen Charakter. Somit galt der Adelige als „besser“ und „würdiger“ als der Nichtadelige, der „gemein“ und „niedrig“ eingestuft blieb. Die Adeligen waren weitgehend frei von landwirtschaft- licher Arbeit. Sie lebten von den Erzeugnissen ihrer Bäu- erinnen und Bauern. Somit setzte das Herrenleben der Adeligen die bäuerliche Arbeit im Rahmen der Grund- herrschaft voraus. Ihr Geschäft war der Krieg Seit dem ausgehenden 12. Jh. wurde das Wort „Ritter“ für die Benennung von weltlichen Adeligen verwendet. Ritter sein hieß zunächst, zu Pferde zu kämpfen. Die Be- waffnung eines Reiters war aufwändig und teuer. Das Pferd hatte einen Gegenwert von fünf bis zehn Ochsen, ein Brustpanzer kostete den Jahresertrag eines mittleren Gutes. Das Schwert – mehr noch als das Pferd – unterschied den Ritter von den übrigen Menschen. Es war Ausdruck sei- ner Überlegenheit, Werkzeug der Unterdrückung, aber auch Symbol für die Verteidigung der Schwachen. Das wird immer wieder auch in den Ritterepen und in der höfischen Dichtung erzählt: Q Es ist ein besonders Merkmal des Adels und es erfordert die Gewalt unseres Schwertes, dass wir Witwen und Waisen verteidigen und beschützen, Recht sprechen und Gerechtigkeit üben an den Ar- men in ihrer Not. (Graf von Valentinois, 1183) Ritter sollten mãze (Maßhalten), zuht (Zucht), ere (Ehre), reht (Recht) und milte (Güte) walten lassen. Diese Tu- genden wurden in der ritterlichen Dichtung immer wie- der betont, um Aggressionen zu zähmen. Denn rohe, ungezügelte Gewalt dürfte die Regel gewesen sein. L Das Rittertum lebt auf Kosten der Bauern, der Hir- ten und der Jäger. Es lebt vom Volke, über das es roh seine Schreckensherrschaft ausübt – eine wahre Besatzungsarmee. (Duby, Europa im Mittelalter, 1986, S. 19) Beurteile die Sichtweise Dubys anhand deiner bisherigen Informationen.  Ein Ritter in voller Rüstung vor einer Kriegsfahrt. Seine Frau und seine Schwiegertochter nehmen Abschied von ihm. Damen des Hochadels übernahmen während der Abwesenheit des Herrn vielfach die Verwal- tung der Güter – waren doch sie es, die in der Regel lesen und schreiben konnten. (Aus dem Luttrell-Psalter, engl. Buchmalerei um 1340) Immer wieder bemühten sich Vertreter der Kirche, die streitsüchtigen Ritter zu mäßigen, ihre Raubzüge zu stoppen, ihre Fehden zu beenden und auf „unfallträch- tige“ Turniere zu verzichten. Ihre Missetaten sollten sie beenden. Diese wurden immer wieder in Bischofsver- sammlungen aufgelistet: Q Ich werde auf keine Weise den Frieden einer Kir- che verletzen, ich werde auch nicht in Speisekel- ler eindringen, die der Kirche gehören. Ich werde auch keinen Priester und keinen Mönch angreifen. Ich werde keinen Ochsen, keine Kuh, kein Schwein, keinen Hammel, kein Lamm und keine Ziege rauben, weder einen Esel noch das Reisigbündel, das er trägt. Ich werde weder den Bauern noch die Bäuerin, weder die Gerichtsdiener noch die Händler angreifen. Ich werde ihnen weder ihr Geld rauben noch sie zu Löse- geld zwingen. (Synode, 1023; zit. n.: Duby, Kunst des Mittelalters, Bd. 1, 1984, S. 61) Charakterisiere die damalige Lebenswirklichkeit anhand dieser Quellenstelle. 94 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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