Zeitbilder 5, Schulbuch

Das Lehenswesen bot jedem Adeligen – nicht nur dem König – die Möglichkeit, durch die Vergabe von Lehen eine eigene Gefolgschaft zu bilden. Diese Vasallen konnten ihrerseits wiederum nachgeordnete Untervasal- len halten. An der Spitze dieser Ordnung jedoch stand der König als oberster Lehensherr. Auf ihn liefen letztlich alle lehens- rechtlichen Bindungen zu. In diese Lehenspyramide war der Adel vollständig eingebunden. Dadurch sollte ver- hindert werden, dass Adelige gegenüber dem König zu mächtig wurden. Diese Form des Staatsaufbaus gründet auf einer Verbin- dung der führenden Personen untereinander (Personen- verband). Das wird auch als Personenverbandsstaat be- zeichnet. Die Geistlichkeit im Dienste des Reiches Anfangs zog der König (Lehensherr) das Lehen nach dem Tod des Vasallen wieder ein, um es an einen neuen Lehensmann seiner Wahl zu vergeben. Die regionalen Machthaber setzten jedoch recht bald die Erblichkeit ihrer Dienstgüter und Ämter durch. Somit wurde die Macht des Königs empfindlich geschwächt. Schon Kaiser Otto I. stützte sich daher auf die Kirche und ihre Würdenträger. Er verlieh den Bistümern und Klös- tern Königsschutz und den Bischöfen und Äbten Le- hensgüter. Da diese keine erbberechtigten Kinder hat- ten, fiel das Lehen nach deren Tod wieder an die Krone zurück. Solcherart banden die deutschen Könige die Kirche in die Verwaltung des Reiches ein und machten sie zu einer wichtigen Stütze des Königs gegenüber dem weltlichen Adel. Daher waren die Könige sehr darauf bedacht, Bischöfe und Äbte einzusetzen, die ihren Vor- stellungen und Wünschen entsprachen (Reichskirchen- system). „Das Haus Gottes ist dreigeteilt“ Die Einteilung der mittelalterlichen Gesellschaft in die klassischen drei Stände – Lehr-, Wehr-, Nährstand: Geistlichkeit, Ritterschaft und Bauern – gehört, wie die Quellenstellen belegen, zum Selbstverständnis der da- maligen Menschen. Q Das Haus Gottes, das man eines wähnt, ist drei- geteilt. Hier auf Erden beten (orant) die einen, andere kämpfen (pugnant), und noch andere arbeiten (laborant); diese drei gehören zusammen und ertra- gen nicht, entzweit zu sein. Auf der Arbeit des einen beruhen die Werke der beiden anderen, und alle las- sen jeweils allen ihre Hilfe zuteil werden. (Bischof Adalbero von Laon, um 1030; nach: Duby, Die drei Ordnungen, 1986, S. 16) Fragen und Arbeitsaufträge 1. Beschreibe unter Einbeziehung des Schaubildes und des Bildes über den „Handgang“ den Aufbau der feudalen mit- telalterlichen Gesellschaft. 2. Arbeite anhand der Bilddarstellungen und der Texte die wechselseitigen Abhängigkeiten heraus und erläutere diese im Hinblick darauf, wen sie mittels der Herrschaftsaus- übung begünstigen und wen sie benachteiligen. 3. Diskutiert darüber, was es für die Lebensgestaltung der (einzelnen) Menschen bedeutet, wenn die gesellschaftliche Ordnung als „von Gott gegeben“ (vgl. Adalbero v. Laon) ver- standen wird. 4. Erörtere die Gründe, warum sich die feudale Herrschafts- form als „Adelsherrschaft mit monarchischer Spitze“ be- zeichnen lässt. 5. Nimm Stellung dazu, inwieweit das Schaubild eine zu fest- gefügte Gesellschaftsordnung zum Ausdruck bringt. Unfreie: Ritter Herzöge König oberster Lehnsherr Bischöfe Grafen Reichsäbte Kronvasallen Dienstmannen (= Ministeriale) Untervasallen Äbte Unfrei Frei Frei Grundherren Frei Hörige Mögliche Schwächung der Macht des Königs: Erblichkeit von Lehen (Dienstgüter, Ämter) Wichtige Stütze des Königs gegenüber der Macht des weltlichen Adels: Bischhöfe und Äbte als Vasallen (Reichskirchensystem)  vergeben Land  leisten Frondienste und Naturalabgaben  leisten Verwaltungs- und Kriegsdienste  leisten Hilfe (Rat und Tat)  leisten Hof-, Verwaltungs- und Kriegsdienste  leisten Hilfe (Rat und Tat)  gewähren Schutz  vergeben Lehen (Land, Amter)  gewähren Schutz  vergeben Lehen (Land, Amter)  gewähren Schutz gegenseitige Treue gegenseitige Treue Leibeigene Bauern und Knechte  Idealtypische mittelalterliche Lehenspyramide. Erstellt durch den Autor. Das Mittelalter – eine 1000-jährige Epoche 91 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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