Zeitbilder 5, Schulbuch

Kaum hatte Pippin diese Antwort erhalten, ließ er dem letzten merowingischen Herrscher Childerich III. die Haare scheren und ihn in ein Kloster einweisen. Er selbst wurde 751 von den Franken zum König gewählt. Das Bündnis mit der Kirche Mit der Königskrönung Pippins wurden die Kontakte zum Papst noch enger. Das führte schließlich zu einem Bündnis zwischen dem Papst und dem Frankenkönig. Darin sicherte der König dem Papst und der Kirche Hil- fe und Unterstützung gegen Feinde von außen zu. Das war für den Papst wichtig geworden, denn Rom wurde durch die Langobarden bedroht. Da wegen des ausge- brochenen Bilderstreites in der Ostkirche Hilfe aus dem kaiserlichen Byzanz nicht zu erhoffen war, blieb dem Papst nur die politische Umorientierung an das im Wes- ten erstarkende Frankenreich. Der König löste sein Ver- sprechen ein. In einemFeldzug besiegte er die Langobar- den und übergab dem Nachfolger Petri Rom und Raven- na sowie die Gebiete in Mittelitalien, welche diese Städ- te verbanden („Pippinische Schenkung“). Damit war der „Kirchenstaat“ gegründet, der bis 1870 Bestand haben sollte. Karl erobert und lässt missionieren Mit Karl, dem Sohn König Pippins, bestieg eine der ein- drucksvollsten Herrschergestalten des europäischen Mittelalters den fränkischen Thron (768–814). Seine Herrschaft war – ähnlich wie die Chlodwigs – gekenn- zeichnet durch eine machtvolle Ausweitung des Reiches und durch politisch bedeutsame Beziehungen zur Kir- che. Karls Eroberungspolitik umfasste ca. 60 teils grau- same Feldzüge und führte zur Unterwerfung der Langobarden, Bayern, Sachsen und Awaren. Im Zuge der siegreich bestandenen Awarenkriege erfolgte eine weiträumige Ausdehnung über die Enns nach Osten. Die Ausweitung nach Südosten brachte eine Reihe sla- wischer Fürstentümer von Karantanien bis Pannonien und bis zur Adria unter fränkische Herrschaft. In gefähr- deten Grenzgebieten sicherte Karl die Grenzen durch Marken. Der politischen Eingliederung der eroberten Völker folgte die Missionierung. In teilweise erzwunge- nen Massentaufen wurde den unterworfenen Stämmen, z. B. den Sachsen, das Leben nach christlichen Regeln vorgeschrieben – z. B. Verbot von Menschenopfern etc. In Karantanien und ostwärts der Enns konnte sich das Christentum mittels der fränkischen Eroberungspolitik (von Salzburg und Passau aus) erneut durchsetzen, nachdem es durch die Langobarden- und Slaweneinfäl- le ca. 200 Jahre vorher in diesen Gebieten weitgehend vernichtet worden war. Von der Königswürde zur Kaiserkrönung Somit hatte sich die fränkische Herrschaft, die von den Bedingungen einer spätantiken Randkultur im nördli- chen Gallien ausgegangen war, zu einem frühmittelal- terlichen Großreich entwickelt. Die Vormachtstellung in Europa drängte nach universaler Geltung und Anerken- nung. Solche kam bisher allein dem Kaiser des Byzanti- nischen Reiches zu. Der war aber innenpolitisch durch Krisen in Konstantinopel und außenpolitisch durch die Auseinandersetzung mit den Langobarden in Italien entscheidend geschwächt. Es lag also für den Frankenkönig Karl nahe, den univer- salen Anspruch der Kirche, die politische Tradition Roms und die Schwäche von Byzanz für die eigene Rangerhö- hung zu nutzen. Mit einem fränkischen Heer unterstütz- te Karl den Papst gegen einen Aufstand in Rom. Der würdigte nun seinerseits die Verdienste Karls. AmWeih- nachtstag des Jahres 800 krönte er den fränkischen Kö- nig zum Kaiser: Q Am hochheiligen Geburtstag des Herrn, als der König bei der Messe vor dem Altar über dem Grab des Apostels Petrus sich vom Gebet erhob, setz- te ihm Papst Leo eigenhändig eine kostbare Krone aufs Haupt und übertrug ihm das Imperium Roman- orum. [...] Karl wurde fortan Imperator und Augustus genannt. (Zit. nach: Einhard, Vita Caroli, um 830; gekürzt) Reichsteilung – Weichen für die Zukunft Unter den Enkeln Karls wurde das Reich 843 im Vertrag von Verdun geteilt. Das westfränkische Reich erhielt Karl der Kahle. Aus ihm entwickelte sich Frankreich. Dort setzte sich das romanische Französisch durch. Das ostfränkische Reich wurde Ludwig dem Deutschen zu- gesprochen. Daraus entstand Deutschland. Dort ent- wickelte sich die dem Germanischen entspringende deutsche Sprache. Das Mittelreich, das von der Nordsee bis nach Italien reichte, beherrschte Lothar. In einem späteren Vertrag wurde das mittelfränkische Reich zwi- schen dem ost- und westfränkischen Reich aufgeteilt. So war das Reich Karls in seine kulturell und volksmäßig verschiedenen Teile auseinandergebrochen. Die Karolingische Renaissance – Erneuerung der antiken Kultur, Sprache und Schrift Karl bewirkte einen ungeheuren „Modernisierungs- schub“ im Frankenreich: Er machte den fränkischen Kö- nigshof zum Zentrum der geistigen Erneuerung. Er re- formierte das Münzsystem, setzte ein einheitliches Maß- und Gewichtssystem durch und förderte Märkte und Handel. Damit einher ging eine bedeutende Förderung der Kultur. Erste Reformen betrafen Sprache und Schrift. Dies war deshalb bedeutsam, weil das Christentum als Buchreligion auf der Schrift beruht und der sprachlich genauen Interpretation der Texte bedarf. Fragen und Arbeitsaufträge 1. Analysiere die drei Textquellen und beurteile deren Aussa- gen daraufhin, welche Stellung der Autor zum jeweiligen König eingenommen hat. 2. Vergleiche die Darstellung der politischen und kulturellen Situation im Frankenreich mit der Situation im Oströmi- schen Reich und bei den Arabern. Das Mittelalter – eine 1000-jährige Epoche 87 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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