Zeitbilder 5, Schulbuch

sischen Formen der Leibeigenschaft und wirtschaftli- chen Ausbeutung. Der renommierte amerikanische Sklaverei-Forscher Kevin Bales unter scheidet die alte Sklaverei früherer Zeiten von den Erscheinungs- formen der modernen Sklaverei, die sich heute jeder juristischen Legalität entziehen: „In der Vergangenheit bedeutete Sklavenhaltung, dass eine Person eine andere rechtmäßig besaß; in der modernen Sklaverei ist dies nicht der Fall. Heute ist Sklaverei weltweit verboten, daher ist es nicht mehr möglich, Menschen legal zu besitzen. Kauft je- mand heutzutage Sklaven, verlangt er keine Quittung oder Eigentumsurkunde, sondern erwirbt die Verfü- gungsmacht über einen anderen und setzt Gewalt ein, um diese aufrechtzuerhalten. Sklavenhalter ge- nießen alle Vorteile der Inhaberschaft, ohne gesetz- lich dazu berechtigt zu sein. In Wirklichkeit ist es für Sklavenhalter sogar von Vorteil, nicht rechtmäßige Besitzer zu sein, da sie so die Sklaven völlig ihrer Kontrolle unterwerfen können, ohne eine wie auch immer geartete Verantwortung für sie zu überneh- men. Daher ziehe ich die Bezeichnung Sklavenhalter dem Begriff Sklavenbesitzer vor.“ Nach Bales‘ Einschätzung wirkt sich die fehlende Rechtmäßigkeit bei modernen Formen der Sklaverei also sogar zum Nachteil der versklavten Menschen und zum Vorteil der Sklavenhalter aus. Bales schätzt, dass heute mindestens 27 Millionen Menschen in sklavereiähnlichen Verhältnissen leben. Die Dunkel- ziffer ist wohl erheblich höher. (Gregor Delvaux de Fenffe, http://www.planetwissen.de/politik_ge­ schichte/menschenrechte/sklaverei/index.jsp; 26. 1. 2012) M8 Die Konjunktur der neuen Sklaverei: Er ist eine Form von Ausbeutung und zugleich eine der ertragreichsten des informellen Sektors [= Folge des Beschäftigungsproblems der Entwick- lungsländer; Anm. d. A.] – Menschenhandel. Aktuelle Schätzungen der International Labour Organisation (ILO) gehen davon aus, dass weltweit bereits 2,4 Mil- lionen Menschen jährlich Opfer „moderner“ Sklaverei werden. Die uralte „Geschäftsidee“ von Zwangsar- beit und Schuldknechtschaft ist allerdings erst durch den endgültigen Fall des Eisernen Vorhangs endgül- tig professionalisiert worden: Gleich nach dem illega- len Drogen- und Waffenhandel liegen die aus der „Ware Mensch“ erzielten Gewinne an dritter Stelle. Kriminelle Netzwerke verdienen daran laut ILO jähr- lich 25 Milliarden Euro [...]. Alarmierend ist für Biffl [Leiterin des Departments für Migration und Globalisierung, Anm. d. A.] zudem der Umstand, dass Zwangsarbeit in Europa nicht nur eine Angelegenheit ist, die im Verborgenen passiert: „Wir kennen sogar Fälle industrieller Ausbeutung von Chi- nesen und Vietnamesen, die wie Sklaven in Sweat­ shops [Ausbeutungsbetriebe; Anm. d. A.] im Pariser Großraum schufteten.“ Bedeutsam sei es deshalb, die Strukturen des Men- schenhandels [...] zu analysieren. So gilt etwa für Ös- terreich, dass Zwangsarbeit hier noch immer vorwie- gend mit weiblicher Sexarbeit gleichzusetzen ist [...]. Spricht der „Schlepperbericht“ des Innenministeri- ums von fünf- bis zehntausend Opfern von Men- schenhandel, die in Österreich leben, hält Biffl nun bis zu 20 000 Fälle für möglich. (Aumüller, Der Standard, 1. 2. 2012) M9 Zwei kambodschanische Mädchen sammeln recycelbare Flaschen und Dosen in Phnom Penh (Fotografie, 12. Juni 2011)  Die ILO (International Labour Organisation) schätzt, dass über 300 Millionen Mädchen und Buben zwischen 5 und 17 arbeiten und ihre Rechte (z. B. Schulbildung, Gesundheit, Freizeit) verletzt werden. Mehr als die Hälfte dieser Kinder sind betroffen von Sklaverei oder andere Formen von Zwangsarbeit, Drogenhandel, Prostitution. Fragen und Arbeitsaufträge 1. Fasse ausgehend vom Autorentext und der darin angeführ- ten Quellen (S. 66–71) sowie der Quelle M1 die Ursachen und Erscheinungsformen antiker Sklaverei zusammen. 2. Fasse ausgehend vom Autorentext und den Quellen auf S. 66 sowie der Darstellung M7 bzw. der Quellen M8 und M9 auch die Ursachen und Erscheinungsformen der neu- zeitlichen und modernen Sklaverei zusammen. 3. Vergleiche nun die Unterschiede und Gemeinsamkeiten an- tiker und moderner Sklaverei. 4. Erörtere anschließend die gesellschaftliche Beurteilung von Sklaverei in der Antike und heute. 5. Betrachte die Bildquelle M2 und beschreibe ihre Inhalte und (möglichen) Botschaften. Welche Einstellung zur Skla- verei kann man darin erkennen? Welche Gedanken, welche Gefühle löst dieses Bild in dir aus? 6. Vergleiche die Quelle M2 und die Darstellung M3 mit den Quellen M4, M5, M6: Erläutere, wie sich die Einstellung zur Sklaverei seit Ende des 18. Jh. entwickelt hat und auf wel- che gesellschaftspolitischen Ideen dies zurückzuführen ist. 7. Vergleiche die Quellen M4 und M5: Wo ist laut amerikani- scher Verfassung die Sklaverei verboten, wo laut öster- reichischem Strafgesetz von 1852? Versuche, das unter- schiedliche Strafausmaß im österreichischen Strafgesetz zu erklären. 8. Diskutiert über die gegenwärtigen Formen von Sklaverei. Entwickelt Vorschläge, wie man persönlich bzw. durch ge- setzliche Maßnahmen die weltweite Sklaverei eindämmen könnte. 9 Die antike Welt – Griechenland und Rom 73 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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