Zeitbilder 5, Schulbuch

Q „Ihr, Kaiser der Kaiser, größter der Kaiser [wird achtmal wiederholt]; Gott gab Euch uns, Gott er- halte Euch uns [wird 27-mal wiederholt]; Ihr Kaiser der Römer sollt glücklich und gottesfürchtig viele Jahre herrschen [22-mal wiederholt]; zum Wohl des Menschengeschlechtes, zum Wohl des Senats, zum Wohl des Staates, zum Wohl aller [24-mal wiederholt]; unsere Hoffnung, unser Heil seid Ihr [26-mal wieder- holt]; [...].“ [Insgesamt verzeichnet das Protokoll 43 solcher Rufe, die 778-mal wiederholt wurden.] (Codex Theodosianus, Gesta Senatus) Analysiere und interpretiere dieses Sitzungsprotokoll hin- sichtlich des Verhaltens der Senatoren gegenüber dem Kaiser.  Kaiser Theodosius überreicht den Siegeskranz, dicht gedrängt be­ geistern sich die Massen an den Wagenrennen. (Relief in Istanbul) Staatliche Zwangsherrschaft in der Stadt ... Die Kaiser der Spätantike verschärften zunehmend den Druck auf ihre Untertanen. Um die Versorgung des Hee- res, der Beamten und der Zivilbevölkerung zu garantie- ren, wurden die Menschen in immer mehr Berufssparten zwangsweise an ihre Tätigkeit gebunden. Unternehmer/ innen, Handwerker/innen und Arbeiter/innen wurden als Zwangsmitglieder ihrer Berufsgenossenschaften (= Kolle- gien) zu gemeinsamen Leistungen für den Staat ver- pflichtet. Gesetze verboten jedoch nicht nur den Berufs-, sondern auch den Ortswechsel. Schließlich wurden auch die Kinder gezwungen, den Beruf ihrer Eltern anzuneh- men. Die Räte der Städte und Dörfer wurden nun gemein- sam für die Aufbringung der Steuern haftbar gemacht. Sie mussten die Steuern aus eigenem Vermögen im Vor- aus bezahlen und sich anschließend um deren Eintrei- bung kümmern. Im Gegensatz zur Steuerpacht früherer Zeiten brachte diese Tätigkeit jetzt selten Gewinn ein, sonst gäbe es wohl nicht jenes Gesetz aus dem 4. Jh.: Q Wenn irgendeiner die Pflichten seines Amtes als Stadtrat zu fliehen […] versuchen sollte, wird er zu einer Geldstrafe von 30 Pfund Silber verurteilt werden. (Codex Theodosianus 6, 22, 2) Erörtere mögliche Gründe für dieses Gesetz. ... und auf dem Land Viele Städterinnen und Städter flüchteten vor den drückenden Pflichten und Zwängen auf das Land. Dort hatte sich der Zwangsstaat aber mittlerweile ebenso durchgesetzt: Aus der ursprünglich freien bäuerlichen Bevölkerung, die häufig kleine Landparzellen gepachtet hatten, waren seit dem 3. Jh. „schollengebundene“ Landarbeiterinnen und Landarbeiter geworden. Mis- sernten und die geringe Entlohnung der bäuerlichen Arbeit machten es den Pächtern oft unmöglich, ihre Pacht zu bezahlen. Dazu kamen noch die hohen Steu- ern. Diese Menschen begaben sich daher in die Abhän- gigkeit eines privaten Großgrundbesitzers oder des Staates, denen sie für die Bewirtschaftung ihrer Güter Abgaben und Dienste leisteten. Sie behielten zwar ihre persönliche Freiheit, waren aber nun wie ein „Zubehör“ fest an den Boden gebunden (= Kolonen). Kaiser Kon- stantin verankerte das Kolonat gesetzlich (322): Durch den Rückgang an Sklavinnen und Sklaven war nämlich ein Mangel an Arbeitskräften entstanden. Außerdem hatten viele Bäuerinnen und Bauern in der Krise des 3. Jh. ihre Äcker verlassen. Erst die Zwangsbindung an die Scholle garantierte nun die Lebensmittelversorgung in den Städten. Dem Kaiser brachte sie Geld in die Steu- erkasse, den Großgrundbesitzern ein sicheres Einkom- men aus der ständigen Bewirtschaftung ihrer früher oft brachliegenden Ländereien. Die Kolonen fristeten meist ein klägliches Dasein. Ihre „Halbfreiheit“ vererbten sie an ihre Nachkommen. Trotz der Strafandrohung „Kolonen, die die Flucht versuchen, sind wie Sklaven in Ketten zu legen […]“ flüchteten vie- le von ihren Gütern. Oft vereinigten sie sich zu Räuber- banden oder versuchten als Bettlerinnen oder Bettler zu überleben. Selbst die Bettelei wurde durch ein Gesetz eingeschränkt: Der Kaiser erlaubte demjenigen, der ei- nen nicht invaliden Bettler entdeckte, diesen zu seinem neuen Kolonen zu machen. Nur wenige bleiben bevorrechtet Im spätantiken Römischen Reich blieben nur wenige Gruppen bevorrechtet: die Soldaten, die kaiserlichen Beamten und später auch die Kirche. Dazu kamen als freie Bevölkerungsschicht noch die Großgrundbesitzer. Ihnen gelang es, wirtschaftlich unabhängige Gutsherr- schaften zu errichten. Mit eigenen bewaffneten Mann- schaften übernahmen sie immer häufiger nicht nur die Schutzherrschaft über Sicherheit suchende einzelne Bürger, sondern über ganze Ortschaften. Selbst kaiser- liche Gesetze blieben gegen diese nach Selbstständig- keit strebenden mächtigen Grundherren wirkungslos. In dieser neuen Form der Beherrschung liegt auch die Wur- zel des mittelalterlichen Feudalsystems. Fragen und Arbeitsaufträge 1. Fasse die wesentlichen Merkmale des „Dominats“ in eige- nen Worten oder schriftlich zusammen. Die antike Welt – Griechenland und Rom 51 Nur zu Prüfzwecken – Eige tum des Verlags öbv

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