Zeitbilder 5, Schulbuch

Die Inhalte in diesem Abschnitt dienen dazu, Historische Sach- kompetenz zu entwickeln. Das heißt, es sollen Darstellungen der Vergangenheit sowie historische Quellen mit vorhandenem Sachwissen verbunden werden. Sachkompetent ist man dann, wenn man das erworbene Wissen einordnen, belegen, mit an- derem Wissen vergleichen und bei historischen Aufgabenstel- lungen anwenden kann. Erarbeiten sollst du dir diese Kompe- tenz mit dem Thema „Die ‚attische Demokratie‘ im Vergleich mit der Demokratie in Österreich heute“. Über die „attische Demokratie“: Nicht die beste Ansicht siegte im Volk, sondern die den Instinkten der Masse schmeichelnde. Die elementare Wahrheit, dass man nicht zugleich Hellas ausbeuten und die Bürgerzahl, die das System zu ver- teidigen hatte, niedrig halten konnte, durfte nicht ausgesprochen werden. Der Anteil des Kleinbürgers an seinem Staat war die Futterkrippe. Der Geschwore- ne wollte nicht objektives Recht finden, sondern seine Diäten sehen und die Freude haben, den gebildeten oder reichen Angeklagten zu schikanieren. Bei Rich- tern, die wegen ihrer Groschen amtierten, lag die Ge- fahr der Bestechung als Notwehr der Wohlhabenden in der Luft [...]. (Kahrstedt, Geschichte des griechischrömischen Altertums, 1948, S. 36 f.) Rede des Athener Politikers Aischines (um 390– um 314 v. Chr.) über verschiedene Staatsformen: Wie ihr wisst, Athener, gibt es drei Verfassungs- formen bei allen Menschen, nämlich Tyrannis, Oligarchie und Demokratie. Die Tyranneien und Oli- garchien werden nach dem Belieben der Herrschen- den regiert, die demokratisch organisierten Staaten nach den bestehenden Gesetzen. [...] Darum hat der Gesetzgeber im Richtereid folgende Worte an die ers- te Stelle gesetzt: „Ich werde nach den Gesetzen ur- teilen!“ [...] Wenn die Gesetze für den Staat befolgt werden, wird die Demokratie bewahrt. (Aischines, Rede gegen Ktesiphon, 6; in: Gehrke, Demokratie in Athen, Kurshefte Geschichte, 2002, S. 73) Über direkte und repräsentative Demokratie: Unter direkter Demokratie versteht man jene Bürgerrechte, die der Bevölkerung Möglichkei- ten geben, politisch mitzugestalten [...]. Auf der infor- mellen Ebene könnte man etwa Meinungsumfragen oder Demonstrationen als direktdemokratische Inst- rumente im weitesten Sinn bezeichnen, auf der for- mellen Ebene [...] die verschiedenen gesetzlich vor- gesehenen Möglichkeiten der politischen Mitbestim- mung. Je nachdem, wie ausgereift diese Möglichkei- M1 M2 M3 4. Die „attische Demokratie“ im Vergleich mit der Demokratie in Österreich heute ten sind, spricht man von unterschiedlichen Demo- kratiemodellen. Man kann sich diese Modelle anhand einer Skala vorstellen, an deren Enden auf der einen Seite die reine „Repräsentative Demokratie“ steht und auf der anderen die reine „Direkte Demokratie“. Im ersten Fall wählt das Volk seine Regierung auf be- stimmte Zeit [...]. Der zweite Fall [...] ist im modernen Staat nicht zu realisieren, weil sie dafür stünde, dass das Volk jede einzelne Entscheidung per Abstim- mung zu treffen hat, was aus praktischen Gründen nicht möglich ist. Die derzeit existierenden demokra- tischen Staatsformen sind alle repräsentativen [sic!] Demokratien mit mehr oder weniger stark ausgepräg- ten direktdemokratischen Elementen. (Weiß, Die direkte Demokratie, 2010, S. 10 f.) Pseudo-Xenophon (5. Jh. v. Chr.) zur Demokratie: Es gilt aber auch wirklich für jedes Land, dass das bessere Element [= die Reichen und Edlen] Geg- ner der Volksherrschaft ist; denn bei den Besseren ist Zuchtlosigkeit und Ungerechtigkeit am geringsten, gewissenhafter Eifer für das Gute und Edle am größ- ten, beim Volke aber Mangel an Bildung und Selbst- sucht am größten und Gemeinheit; denn sowohl die Armut verleitet sie viel eher zur Schlechtigkeit als auch der Mangel an Erziehung und Bildung – seiner- seits bedingt dadurch, dass es einigen der Leutchen an Mitteln gebricht. (PseudoXenophon, Staat der Athener, 1,4; Übers. Kalinka; in: Gehrke, Demokratie in Athen, Kurshefte Geschichte, 2002, S. 74) Über Wahlen und Wahlverhalten in Österreich: Wahlen sind allgemein, frei, geheim und gleich und wiederholen sich periodisch. Jeder und jede Wahlberechtigte kann in einer Wahlzelle wählen und sicher sein, dass niemand über die Schulter schaut und kontrolliert, ob und wen man wirklich gewählt hat. Der freie Wille der WählerInnen soll dadurch un- verfälscht zum Ausdruck kommen können. Aber gibt es überhaupt einen freien Willen? Wenn man von allen Gemeinden von 1918 bis 2006 Land- karten zeichnet, in denen jene rot gefärbt sind, wo immer die SPÖ eine Mehrheit hatte, und jene schwarz gefärbt sind, wo immer die ÖVP eine Mehrheit hatte – eine Art historischer Atlas des Wahlverhaltens – dann kann man erkennen, dass in sehr vielen Gemeinden die politische Mehrheit nie gewechselt hat. Wenn aber in vielen Gegenden seit Generationen immer die gleiche Partei gewählt wurde, dann wundert man sich über die Macht der Geschichte und kann am „indivi- duellen freien Willen“ zu zweifeln beginnen [...]. (Ogris, Ptaszynska, Der WählerInnenwille und wie man ihn erforscht; in: Informationen zur Politische Bildung, Bd. 17, 2007, S. 31) M4 M5 22 Kompetenztraining  Historische Sachkompetenz Aussagen und Interpretationen über Vergangenheit und Gegenwart anhand von Belegen aus Quellen und Darstellungen nachvollziehen (Belegbarkeit) Nur zu Prüfz ecken – Eigentum des V rlags öbv

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