Zeitbilder 5, Schulbuch

Die Griechen konnten sich aber nicht uneingeschränkt im Mittelmeer ausbreiten: Im Osten wurden sie durch Phönizier und Perser gestoppt, im Westen traten ihnen die Karthager und Etrusker entgegen. Die griechische Polis Seit dem 8. Jh. v. Chr. entwickelte sich in der griechi- schen Welt die Polis (= Gemeinde- oder Stadtstaat) zur charakteristischen politischen Organisationsform: Ihr Zentrum war immer eine dörfliche oder städtische Siedlung, um die sich ein verschieden großes Umland befand. Athen als eine der größten Poleis hatte eine Flä- che von etwa 2500 km 2 . Der griechische Historiker Thukydides berichtet im 5. Jh. v. Chr. über die Entste- hung seiner Heimatpolis Athen: Q Unter Kekrops und den ersten Königen bis zu Theseus lebte man in Attika in einzelnen Ort- schaften, die ihre eigenen Rathäuser und Beamten hatten. Als aber Theseus König geworden war, der nicht nur klug, sondern auch mächtig war, ordnete er das gesamte Land, hob Rat und Amtsgewalt in allen Ortschaften auf und vereinigte diese zu der jetzigen einen Stadt mit nur einem Rat für alle. Jeder blieb auf seinem Eigentum wohnen wie bisher; er zwang sie nur, ihren Staat in dieser einen Stadt zu sehen, der nun alle angehörten. (Thukydides, Geschichte des Peloponnesischen Krieges II, S. 15) Fasse in eigenen Worten die Maßnahmen zusammen, mit denen König Theseus die Verwaltung Athens neu ordnete. Wesentlich für die Entwicklung dieser Stadtstaaten war die geographische Eigenart Griechenlands. Die durch Gebirgslage und Meer getrennten Kleinlandschaften förderten die Ausbildung lokaler Herrschaften und ver- hinderten die Ausbildung größerer Flächenstaaten. Ent- scheidende Merkmale der Polis waren nach der Ideal- vorstellung des griechischen Philosophen Aristoteles: –– die Selbstverwaltung: Jede Polis hatte eine eigenstän- dige Verfassung mit unterschiedlichen Herrschaftsfor- men – der Aristokratie (Herrschaft des Adels), der Oli- garchie (Herrschaft von Wenigen), der Tyrannis (Al- leinherrschaft) oder der Demokratie (Volksherrschaft); –– die Unabhängigkeit nach außen, obwohl die Poleis untereinander oft Bündnisse eingingen; –– die wirtschaftliche Selbstständigkeit. Je nach ihrer Größe entwickelten sich diese Poleis auch zu religiösen, kulturellen und wirtschaftlichen Zentren. Es gab Hunderte solcher Gemeindestaaten, meistens mit ei- nigen hundert bis knapp mehr als tausend Einwohnerin- nen und Einwohnern. In den wenigsten Fällen kann man diese Gemeinden aber mit heutigen Städten vergleichen. Der Archäologe John Camp beschreibt Aussehen und Funktion des Zentrums einer Polis: L Die Stadt wurde im Prinzip in drei Räume aufge- teilt: einen öffentlichen, einen privaten und einen religiösen. Öffentlicher Raum stand stets in Form ei- ner Agora, des großen zentralen Platzes der Stadt, zur Verfügung. Der Platz selber konnte Raum für die un- terschiedlichsten Aktivitäten bieten: Versammlun- gen, Wahlen, Märkte, Feste, Sportwettkämpfe, Pro- zessionen, Theatervorstellungen, militärische Übun- gen und dergleichen. [...] Die Privathäuser umfassen ein breites Spektrum an Größen und Ausstattungsmerkmalen, und man hat vor allem in Olynthos und Priëne Hunderte von Häu- sern ausgegraben, die ein Bild häuslichen griechi- schen Lebens vermitteln. Religiöse Räume waren überall in der Stadt ebenso wie auf der Akropolis zu finden. Heiligtümer konnten in der Größe variieren, von Altären, die nicht mehr als ein bescheidenes Quadrat erforderten, bis hin zu gewaltigen Tempeln mit riesigen säulenbestandenen Einfriedungen, die mehrere Häuserblocks in Anspruch nahmen. (Camp u. Fisher: Götter, Helden, Philosophen, 2003, S. 78 f.) Vergleiche Funktion und Merkmale einer Polis (eines Polis­ zentrums) mit jenen einer heutigen Stadt. Untersuche und bewerte am Beispiel deines Heimatortes das ungefähre Aufteilungsverhältnis von öffentlichem, privatem und reli- giösem „Raum“. Die beiden größten Städte der klassischen griechischen Welt, Athen und Syrakus, zählten 40 000 bis 50 000 Ein- wohnerinnen und Einwohner. Die Ausbildung der helle- nistischen Großreiche (am Ende des 4. Jh. v. Chr.) be- deutete auch das Ende der für Aristoteles typischen Po- lis: Sie verlor die Unabhängigkeit nach außen. Bis ins 8. Jh. v. Chr.: Königsherrschaft (Monarchie) Monarch als höchste Autorität: Heerführer, Gesetzgeber, Richter, oberster Priester dazu: Ältestenrat – Heeresversammlung Seit dem 8. Jh. v. Chr.: Zurückdrängung der Monarchie durch Adelsherrschaft (Aristokratie) Ausschaltung der Heeresversammlung Macht beruht auf: Grundbesitz und berittenen Kriegern Seit dem 7. Jh. v. Chr.: Zurückdrängung des Adels durch freie (Groß-)Bauern und (Groß-)Händler Macht beruht auf: militärischer Leistung (schwer bewaffnete Fußkämpfer) und Geld Seit dem 6. Jh. v. Chr.: In einigen Poleis Tyrannenherrschaft Macht beruht auf: Militär und Masse des Volkes oder Herrschaft von wenigen Adeligen (Oligarchie) Macht beruht auf: Militär, Grundbesitz oder Entwicklung zur Volksherrschaft (Athen) Die Entwicklung von Herrschaft in Griechenland ➞ ➞ ➞ Die antike Welt – Griechenland und Rom 17 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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