Zeitbilder 5, Schulbuch

niederländischen „Arbeits-” oder „Zuchthäuser“. Die nächste große Strafrechtsreform erfolgte knapp 250 Jahre später (1768). Es war die „Peinliche Ge- richtsordnung” Maria Theresias („Constitutio Criminalis Theresiana”). Diese sah weiterhin den Inquisitions- prozess vor. Dabei war die Folter noch immer im Strafverfahren vorge- sehen, allerdings ausschließlich für Delikte, die mit der Todesstrafe be- droht waren. Auch Hexerei und Zau- berei zählten noch zu den Straftaten. Aufklärung und Vernunftrecht Eine wirklich große Änderung im Rechtswesen bewirkten erst die Ide- en der Aufklärung. Das „neue” Denken ging von der vernunftbe- die peinlichen gericht an manchen orten rechtsverstendigen erfarn vnd geübten personen nit besetzt werden moegen; Demnach haben wir […] etlichen gelehrten treffli- chen erfaren personen bevohlen, eyn begrieff, wie vnd welcher ge- stalt in peinlichen sachen vnd rechtfertigungen dem rechten vnd bilicheyt am gemessten gehandelt werden mag, zuo machen, in eyn form zuosammen zuo ziehen […]. (Constitutio Criminalis Carolina; Nach: Hoke / Reiter (Hg.), Quellensammlung zur österreichi­ schen und deutschen Rechtsgeschichte, 1993, S. 462) Erläutere, wie Kaiser Karl V. das Inkrafttreten des neuen Strafrechts begründet. Die Constitutio Criminalis Carolina war vor allem durch ihre Strafprozes- sordnung von großer Bedeutung. Das Verfahren war nicht mehr öffentlich und mündlich, sondern geheim und schriftlich. Es war ein Inquisitions- prozess. Das heißt, Richter und An- kläger waren eine Person. Mit der neuen Prozessordnung wurde das oftmals willkürliche und unkontrol- lierte Vorgehen der Richter vorerst eingeschränkt. Jetzt mussten be- stimmte Voraussetzungen erfüllt sein, um mit Hilfe der Folter zu einem Geständnis zu gelangen. Eine Verur- teilung war nur möglich, wenn es mindestens zwei Tatzeugen gab oder das Geständnis vom Angeklagten auch ohne Folter wiederholt wurde. Allerdings hat man schon wenige Jahrzehnte später die Folter teilweise wieder eingesetzt und zwar bei als abscheulich angesehenen Delikten, für welche die Todesstrafe vorgese- hen war. Das betraf vor allem die massenhaft durchgeführten Hexen- prozesse im 16. und 17. Jahrhundert. Wie auch im Mittelalter waren für die meisten Delikte (= Straftaten) entweder die Todesstrafe oder Ver- stümmelungsstrafen vorgesehen. Freiheitsstrafen gab es vorerst sel- ten, z. B. für leichten Diebstahl. Erst seit dem 17. Jh. kamen Gefängnis- strafen im Deutschen Reich in Mode. Der Aufenthalt im Gefängnis war verbunden mit dem Zwang zu schwerer körperlicher Arbeit. Vor- bild waren dabei die englischen und gabten Natur des Menschen aus. Der englische Aufklärer John Locke (1632–1704) verstand in seinem „Gesellschaftsvertrag” (1690) das Wesen des Menschen so: Q Da Menschen von Natur frei, gleich und unabhängig sind, kann niemand ohne seine Einwilli- gung aus diesem Zustand versetzt und der politischen Macht eines anderen unterworfen werden. Der einzige Weg, auf welchem sich je- mand dieser natürlichen Freiheit entkleidet und die Fesseln politi- scher Gesellschaft anlegt, besteht in der Übereinkunft mit anderen, sich zu einer Gesellschaft zu ver- binden und zu vereinigen zum Zwecke eines behaglichen, siche- ren, friedlichen Lebens miteinan-  Strafen und Hinrichtungsarten 1512. (Holzschnitt, spätere Kolorierung. Aus: Tengler, Laienspiegel, Augsburg 1512) Verschiedene Arten der Todes- und Verstümmelungsstrafen waren bis in die Neu- zeit vorherrschend. Benenne jene, die du auf diesem Holzschnitt erkennen kannst  Verbrennung einer Hexe im 16. Jahrhundert. Längsschnitt 152 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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