Zeitbilder 5, Schulbuch

Adel bis in die Neuzeit auf. Die Blu- trache wird manchmal, z. B. am Bal- kan, noch heute ausgeübt. Rechtsschutz gab es nur im eigenen Personen- bzw. Stammesverband. Damit musste man aber auch alle Pflichten innerhalb seiner Gemein- schaft erfüllen. Als Fremder war man schutzlos, außer man genoss anders- wo das Gastrecht. Aber das war meist befristet, ähnlich wie eine Auf- enthaltsgenehmigung heutzutage. Frauen verließen mit der Heirat ih- ren Familienverband und traten in den Rechts- und Schutzverband des Mannes ein. Starb der Mann oder wurde sie verstoßen, dann kehrte die Frau wieder in ihre ursprüngli- che Familie zurück. Da aber die Ehe als ein Rechtsgeschäft angesehen wurde, musste der zurückkehrenden Frau auch die Mitgift rückerstattet werden. Erste Gesetzesaufzeichnungen – der Codex Hammurabi  Die Stele des Hammurabi (Ausschnitt). 1901 wurde dieser mehr als zwei Meter hohe Diorit- block in Susa (im heutigen Irak) von franzö- sischen Archäologen gefunden. Es zeigt König Hammurabi, wie er den Gesetzeskodex von Son- nengott Schamasch erhält. Darunter sind die 282 Paragraphen in Keilschrift angeführt. (Lou- vre, Paris) Dass Recht eine göttliche Sache sei, die „von oben“ kommt, nutzten bald (Stammes-)Fürsten und Könige für den Ausbau ihrer Herrschaft und Autorität. Als von den Göttern Aus- erwählte betrachteten sie sich näm- lich als Mittler zwischen Gott und Mensch. Von da an folgte bald der nächste Schritt – sie begannen im Auftrag der Götter selber Recht zu „setzen“, also zu verordnen. Das sind die Anfänge „staatlichen Rechts“. Die älteste vollständig er- haltene Rechtsaufzeichnung ist uns vom babylonischen König Hammu- rabi aus dem 18. Jh. v. Chr. erhalten (s. Bild). Der „Codex Hammurabi“ enthält straf-, familien- und eigen- tumsrechtliche Bestimmungen, Vor- schriften für Gerichtsverhandlungen und setzt auch Preise und Löhne für die Wirtschaft fest. Die Hierarchie der Gesellschaft kommt auch in den Gesetzen zum Ausdruck: Es gibt keine Gleichheit vor dem Gesetz! Maßgebend für die Höhe der Strafe war der soziale Rang von Opfer und Täter. Grundlage des Strafrechts ist das Prinzip der Vergeltung: „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Dieses Prin- zip wurde auch in den meisten nachfolgenden Gesetzesaufzeich- nungen – wie z. B. in den jüdischen Gesetzen Mose (im 12. Jh. v. Chr.) – beibehalten. Q Hammurabi, der schützende König bin ich. […] Die großen Götter haben mich berufen […] Dass der Starke dem Schwachen nicht schade, um Witwen und Wai- sen zu sichern, um das Recht des Landes zu sprechen, die Streitfra- gen zu entscheiden, die Schäden zu heilen, darum habe ich meine kostbaren Worte auf meinen Denkstein geschrieben, vor mei- nem Bildnisse, als dem des Königs der Gerechtigkeit, aufgestellt. Wenn jemand Besitz von Gott oder König stiehlt, so soll er getötet wer- den; auch wer das Gestohlene von ihm angenommen hat, soll getötet werden. Wenn jemand ein Rind oder ein Schaf oder einen Esel oder ein Schwein oder ein Schiff stiehlt: Wenn es dem Gotte oder dem Kö- nig gehört, so soll er es dreißigfach ersetzen; wenn es einem Freigelas- senen gehört, so soll er es zehnfach geben; wenn der Dieb nichts zu ge- ben hat, so soll er getötet werden. Wenn jemand Raub begeht und er- griffen wird, so wird er getötet. Wenn jemand eine Ehefrau nimmt, aber keinen Vertrag mit ihr ab- schließt, so ist dieses Weib nicht seine Ehefrau. Wenn ein Sohn seinen Vater schlägt, soll man ihm die Hände abhauen. Wenn jemand einem andern das Auge zerstört, so soll man ihm sein Auge zerstören. […] Wenn jemand die Zähne eines an- dern von seinesgleichen aus- schlägt, soll man ihm seine Zähne ebenfalls ausschlagen. Wenn jemandes Sklave die Backe eines Freien schlägt, soll man ihm sein Ohr abschneiden. Wenn jemand einen andern im Streite schlägt und ihm eine Wun- de beibringt, so soll er schwören: „Mit Wissen habe ich ihn nicht ge- schlagen“, und den Arzt bezahlen. Wenn ein Arzt jemandem eine schwere Wunde mit dem Operati- onsmesser macht und ihn tötet […], so soll man ihm die Hände abhau- en. Wenn der Arzt einem Sklaven […] eine schwere Wunde beibringt und ihn tötet, soll er ihn durch ei- nen andern Sklaven ersetzen. Wenn der Baumeister für jeman- den ein Haus baut und es nicht fest ausführt und das Haus, das er ge- baut hat, einstürzt und den Eigen- tümer totschlägt, so soll jener Bau- meister getötet werden. (Codex Hammurabi, zit. nach Arend, 1975) Liste jene Gesetzesstellen auf, in denen das Prinzip „Auge um Auge …“ deutlich wird sowie jene, in denen das Prinzip der Ungleichheit deutlich wird. Bewerte die angedrohten Stra- fen aus heutiger Sicht. Das römische Recht Das römische Recht ist Ursprung fast aller europäischer und auch anderer Rechtsordnungen. Ursprünglich beeinflusst vom griechischen Recht, entwickelten die Römer jedoch bald ihre eigenen Rechtsvorstellungen. So nahmen sie eine Trennung zwi- schen göttlichem Recht (= fas) und dem Recht des Alltags mit all seinen Streitfällen (= ius) vor. Die Verlet- zung des ersteren (z. B. Missachtung der Göttinnen und Götter oder ihrer Verehrung) war Angelegenheit sakraler Gerichte. Streitigkeiten zwischen Bürgern wurden in öffent- lichen Gerichten ausgetragen. Etwa um 450 v. Chr. wurde eine Expertenkommission beauftragt, das Längsschnitt 148 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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