Zeitbilder 5, Schulbuch

Alles, was Recht ist! Merkmale eines modernen Rechtsstaates Mit dem Wort Recht verbinden die Menschen eine Vielzahl von Gedan- ken und Erfahrungen: Manche den- ken dabei an eine Streiterei in der Schule oder mit dem Nachbarn, manche an einen Strafzettel wegen falschen Parkens oder einen Prozess bei Gericht, andere wiederum an den Ersatz eines Schadens oder die Aufteilung des Vermögens nach einer Scheidung oder einem Todes- fall. Fast immer aber verbinden wir damit eine Fülle von Gesetzen und Vorschriften, häufig in Form von Geboten und Verboten. Wir leben heute in Österreich in einem demokratischen Rechtsstaat. Er zeichnet sich dadurch aus, dass das gesamte öffentliche und private Leben bestimmten Rechtsnormen (= Vorschriften) unterliegt. Das öf- fentliche Recht legt die Grundord- nung des Staates (= Verfassungs- recht) und seine ordnungsgemäße Verwaltung (= Verwaltungsrecht) fest. Es regelt aber auch das Zusam- menleben der Menschen in der staatlichen Gemeinschaft. Der Staat muss die Freiheit und das Eigentum der/des Einzelnen achten und vor Übergriffen durch Andere schützen. Er übt hier also eine Ordnungs- und Schutzfunktion aus, die im Strafrecht geregelt ist. Damit diese Leistungen vom Staat erbracht wer- den, muss sich der/die Einzelne dem Gemeinwohl unterordnen und ge- wisse Leistungen für den Staat er- füllen (z. B. Gerichts- und Verwal- tungsabgaben zahlen). Es gibt aber viele Bereiche, wo der Staat seine hoheitlichen Rechte nicht ausübt – da kommt das Priva- trecht zur Anwendung. Es begleitet uns von der Wiege bis zur Bahre: Es regelt Erbangelegenheiten, Ehe, Scheidung, Fragen des Schadener- satzes, der Schulden und des Eigen- tums. Alle diese Rechtsbereiche sind in umfangreiche Gesetzessammlun- gen geformt. In Streitfällen sorgt der Staat durch die Urteile seiner Rich- terinnen und Richter auch im Priva- trecht für Rechtssicherheit. Unser Rechtssystem hat sich nicht von gestern auf heute ausgebildet. Es hat viele Wurzeln, die Jahrtau- sende zurückreichen – bis in eine Zeit, in der man noch gar keine Schrift kannte. Alle Gemeinschaften leben nach bestimmten Regeln Das Zusammenleben in allen Ge- meinschaften erfolgt innerhalb einer festgelegten Ordnung nach be- stimmten Regeln. Diese Ordnung ist eine wichtige Voraussetzung für ihr dauerhaftes Bestehen. Dazu ist es notwendig, dass die Mitglieder einer Gemeinschaft bestimmte Verhal- tensweisen bzw. Verhaltensregeln einhalten. Solche Regeln, die das Verhalten von Menschen innerhalb einer Gruppe in bestimmten Situa- tionen bestimmen, nennt man „so- ziale Normen“. Diese Normen sind nicht naturgegeben und auch nicht zeitlos. Sie sind das Ergebnis einer Entwicklung der jeweiligen Ge- meinschaft (Gesellschaft). Im Laufe der Menschheitsgeschichte haben die verschiedenen Gesellschaften bis heute höchst unterschiedliche und vielfältige Verhaltensregeln hervorgebracht. L Menschliches Leben ist seiner Natur nach auf Gemeinschaft angelegt; die Menschen sind in ih- rem Dasein aufeinander angewie- sen und aufeinander eingestellt. In der ihn umgebenden Welt kann der Einzelne seine Lebensmöglich- keiten nur in der Beziehung zu an- deren verwirklichen. Diese Gemeinschaftsbezogenheit ist ein Merkmal aller menschlichen Existenz, so vielgestaltig und ver- schieden die Formen des mensch- lichen Lebens auch sind und gewe- sen sein mögen – angefangen von den einfachen, wenig gegliederten Gemeinschaften zu Beginn der Menschheitsgeschichte bis hin zu den großen Industriegesellschaf- ten unserer Zeit. (Informationen zur Politischen Bildung 216, Recht 1, 1991, S. 2) Zu diesen sozialen Normen zählt, wenn auch heute in immer geringe- rem Ausmaß, das Brauchtum. Dar- unter versteht man regelmäßig wie- derkehrende Verhaltensweisen in einer Gemeinschaft. Auch das Fei- ern des Geburtstages ist ein Brauch. Innerhalb einer Familie dem Ge- burtstagskind etwas zu schenken, ist ganz selbstverständlich und wird auch von allen erwartet – es ist eine soziale Norm! Ähnliches gilt auch für andere Le- bensgewohnheiten, die so genann- ten Sitten. Dazu gehören u. a. die Tisch- oder Kleidersitten (z. B. das Tragen von Trauerkleidung bei ei- nem Begräbnis). Strengere Normen schreiben die verschiedenen Religi- onsgemeinschaften vor – man denke an die Einhaltung der Zehn Gebote oder die Vorschriften des Korans. In unserer heutigen Gesellschaft sind wir in verschiedenste soziale Systeme einbezogen: am Arbeits- platz (Schule), im Freundeskreis, im Sportverein usw. Überall dort gibt es bestimmte Verhaltensnormen. Wer sich daran nicht hält (z. B. unkolle- giales Verhalten im Klassenver- band), wird in der jeweiligen Ge- meinschaft auf mehr oder weniger  Blick in den Gerichtssaal des Bezirks- und Kreisgerichts Wiener Neustadt. Längsschnitt 146 Nur zu Prüfzw cken – Eigentum des Verlags öbv

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