Zeitbilder 5, Schulbuch

Eheliche Geburt war damals wegen vieler Heiratsbeschränkungen keine Selbstverständlichkeit. Wer sie aber nachweisen konnte, nach der Lehr- zeit auch die Gesellenjahre hinter sich brachte und dann noch zusätz- lich auf der Wanderschaft seine beruf­lichen Kenntnisse vervollstän- digte, benötigte Glück oder (viel) Geld, um Meister zu werden: Im ersten Fall heiratete der Geselle die Tochter oder auch die oft wesentlich ältere Witwe des Meisters. Sie benö- tigte nämlich zur Fortführung des Betriebes unbedingt einen gelernten Handwerker. Ansonsten musste er ein sehr kostspieliges Meisterstück produzieren. Das konnte sich kaum ein Geselle leisten konnte. Über die Regelung des Gewerbes hinaus erfüllten die Zünfte noch viele andere Aufgaben, die heute vom Staat wahrgenommen werden. Die Zünfte gewährten ihren Mitglie- dern bei Arbeitsunfähigkeit oder Krankheit Unterstützung und errich- teten für sie Spitäler, Asyle und Wai- senhäuser. Doch es waren bei weitem nicht alle Gewerbe in Zünften vereinigt. In vielen Produktionszweigen sowie im Handel gab es vor allem für die Hilfskräfte reine Lohnarbeit. Sie er- möglichte den angelernten Kindern, Jugendlichen und vielen Frauen ein Einkommen ermöglichte. Die Löhne richteten sich nach Angebot und Nachfrage. Für wichtige öffentliche Arbeiten konnten die Unternehmer Arbeitskräfte aus der städtischen Unterschicht auch zwangsweise und zu niedrigen Löhnen verpflichten. Gesamt gesehen aber nahm die ein- kommenslose städtische Unter- schicht zu, denn die Zahl der Be- schäftigten blieb durch die Zunftvor- schriften stark eingeschränkt. Die Forderung nach höheren Löh- nen, nach mehr Freizeit, besserem Essen und Trinken, trieb die Gesel- len manchmal auch zum äußersten Mittel des Arbeitskampfes – dem Streik. Die Zünfte aber setzten sich immer wieder durch. Sie hatten doch jetzt als Mitglieder des Rates auch die Stadtobrigkeit auf ihrer Seite. Frauen und Handwerk Auch Frauen waren in manchen Städten – vor allem im Handel – zünftig organisiert. Sie arbeiteten in Die deutschen Handelsstädte – die Hanse Die „Hanse“ (Genossenschaft von Kaufleuten) entstand gegen Ende des 13. Jh. als Bund norddeutscher Städte unter der Führung Lübecks. Ihr schlossen sich im Laufe der Zeit auch wichtige Handelszentren des Binnenlandes, wie Magdeburg, Köln und Dortmund an. Auch Seestädte in Flandern sowie in den baltischen und nordischen Län- dern traten der Hanse bei. Die Han- sestädte beherrschten im 14. Jh. den gesamten Nord- und Ostseehandel zwischen London und Nowgorod. Im 15. Jh. fiel der mächtige Städte- bund infolge innerer Zwistigkeiten langsam auseinander. Weitere wich- tige Gründe für den Zerfall waren erstens das Aufkommen eines hei- mischen Kaufmannsstandes in Rus- sland, England und in den nordi- schen Staaten sowie zweitens – durch die Entdeckung Amerikas bedingt – die Verlagerung des Han- delsschwerpunktes von Nord- nach Westeuropa. Die Zünfte regeln das städtische Leben Im Hoch- und Spätmittelalter nahm auch das städtische Gewerbe einen raschen Aufschwung. Die Handwer- kerinnen und Handwerker, die zu- nächst in der Stadt nur geringen politischen Einfluss hatten, schlos- sen sich zur Wahrung ihrer Interes- sen in Zünften zusammen. Die Zünf- te griffen tief in das wirtschaftliche und persönliche Geschick des ein- zelnen Handwerkers ein. „Es haben alle Mitglieder dafür zu sorgen, dass nit zu viel fremde Meis- tersöhn und Ausländer in die Zunft kommen“, hieß es in Zunftordnun- gen der Fleischer im bayrischen Freising. Dies charakterisiert das Wesen des Zunfthandwerks sehr deutlich. Eine klein gehaltene An- zahl von Familien schloss sich zu- sammen, um kartellartig ein be- stimmtes Handwerk in der Stadt auszuüben. So wollte sich die Zunft gegen Überfremdung und Überfül- lung, also ungebetene Konkurrenz, zur Wehr setzen. Gleichzeitig konn- ten Preis- und Lohnabsprachen ge- troffen werden, die ein sicheres Ein- kommen garantierten. den verschiedensten Handwerken – zum größten Teil in den Werkstätten ihrer Ehemänner mit. Manche von ihnen übten sogar selbstständig ein Handwerk in eigenen Werkstätten aus: Q Und weiblichen Geschlechts zu sein hielt mich nicht vom Verlagsgeschäft ab, noch die Tatsa- che, dass es mehr eine männliche Aufgabe ist. […] Es ist nicht neu oder unerhört für Frauen, ein sol- ches Gewerbe zu haben, und man kann viele von uns finden, die nicht allein die Buchdruckerkunst ausüben, sondern andere, schwie- rigere und bewundernswertere, und die deshalb höchstes Lobe er- halten. (Jeanne Giunta, Bucherverlegerin aus Lyon, 1579) Die Universität – eine Bereicherung der Städte Die Städte – und später die Landes- herren – brauchten vor allem Juris- ten und gebildete Fachleute zur Verwaltung von Stadt und Land. Mit der Universität (vgl. S. 121) war in der europäischen Stadt eine Einrich- tung entstanden, welche im nächs- ten halben Jahrtausend das Gesicht des Abendlandes von Grund auf ändern sollte. Die Vorlesung bildete die wichtigste Form der Lehrveranstaltung an den Universitäten. Dazu wurden an den Universitäten immer wieder auch Vorschriften für die Pflichten der Professoren erlassen: Q Aus den Statuten der Juristen- Fakultät, dem Kern der Uni- versität in Bologna, 1317: Ferner verfügen wir, dass kein Pro- fessor des Zivilrechts oder des Kir- chenrechts seine Vorlesungen am Morgen anfangen darf, bevor die Glocke von San Pietro mit dem Primläuten aufgehört hat. Bevor sie aufgehört hat, muss er im Hör- saal oder dessen Umkreis anwe- send sein. Nachdem sie aufgehört hat, muss er sofort anfangen bei Strafe von neun Bologneser Schil- lingen für jeden Verstoß. […] Wir verfügen, dass die Professoren am Ende den Studenten den Abschnitt ankündigen müssen, mit dem sie weitermachen werden; […] Wenn Längsschnitt 142 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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